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       # taz.de -- Scholz und Esken auf dem SPD-Parteitag: Abschied in Watte
       
       > Ex-Kanzler Scholz und Ex-Parteichefin Esken ermutigen die
       > Sozialdemokraten beim Parteitag zu Selbstbewusstsein. Zweifel lassen sie
       > in ihren Reden aus.
       
   IMG Bild: Olaf Scholz verspricht zum Abschied ein Ex-Kanzler zu sein, über den sich die SPD freut
       
       Berlin taz | „Danke, liebe Saskia“ steht auf der Videowand in der Berliner
       Kongresshalle CityCube. Minutenlang beklatschen die GenossInnen Saskia
       Esken, [1][die in Lars Klingbeils Personalrochaden einigermaßen unsanft aus
       dem Karussell befördert wurde.]
       
       Eskens Rede war kurz: wenig Programm, viel Gefühl. Sie bedankt sich bei den
       Jusos, beim Willy-Brandt-Haus, und bei Olaf Scholz. „Du warst mein
       Kanzler“, sagt sie. Parteichefin sein zu dürfen war „die Ehre meines
       Lebens“, sagt sie. Sie lobt ihre Nachfolgerin, „die wunderbare Bärbel Bas“.
       
       Esken wurde am Ende zum Teil wie Müllcontainer behandelt, den alls traf,
       was in der Partei schieflief. Diese Dynamik wurde medial verstärkt. Es
       dauerte, bis die Parteispitze solidarisch mit Esken umging. So erlaubt sich
       Esken bei diesem Abtritt in Moll nur bei Klingbeil die dezente Anmerkung,
       dass man „nicht immer der gleichen Meinung“ war. Das war Kritik,
       freundlich, in minimaler Dosis, aber unüberhörbar. Ein dunkler Tupfer in
       einem bonbonfarbenen Bild.
       
       Olaf Scholz war nie ein guter Redner. Er neigt zum Verdrechselten,
       Technokratischen. Seine Zeit als Kanzler ließ das nicht besser werden. Die
       Abschiedsrede, die Scholz am Samstagmorgen vor 600 GenossInnen in Berlin
       hält, ist folglich nicht frei von Gestanztem. Dennoch ist etwas anders als
       sonst.
       
       ## Scholz: „Aufbruch mit Grünen und FDP war gut“
       
       Politische Abschiedsreden sind immer ein Rückblick in Watte. Viel Lob, kein
       Tadel. Scholz sagt, er habe immer „Dienst am Land und der
       sozialdemokratischen Idee geleistet“ und sich nie gegen die SPD profiliert.
       Er unterstreicht den Wahlsieg 2021, an den fast niemand geglaubt hatte –
       nur er und ein paar Sozialdemokraten. Er lobt die Zeitenwende, die
       Unterstützung der Ukraine, einige Reformen.
       
       „Es war gut, dass wir den Aufbruch mit Grünen und FDP gewagt haben“, sagt
       er. Kein Wort verliert er über Lindner. Überhaupt ist dieser Auftritt wie
       Eskens frei von Bitterkeit, auch frei von versteckter. Sein Rückblick auf
       die Ampel fällt rundweg positiv aus. Zweimal rutscht Scholz vom Perfekt in
       das Präsens, so als wäre er noch Kanzler, ohne a.D.
       
       ## Der Kanzler a.D. skizziert, warum es die SPD braucht
       
       Der Schlüsselsatz, der signalisiert, dass Olaf Scholz mit sich im Reinen
       ist, lautet: „Ich habe vor, ein ehemaliger Kanzler zu werden, auf den die
       SPD sich immer freut.“ Also ohne Ratschläge, die auch Schläge sein können.
       Ähnlich dem Modell Helmut Schmidt, der nach 1982 das Thema SPD umkurvte.
       Das dürfte Lars Klingbeil, der aktuell ramponierte SPD-Chef, gerne hören.
       
       Scholz skizziert, weit prägnanter als Klingbeil am Freitag, wofür es die
       Sozialdemokratie braucht. Nur sie verbinde Regierungsfähigkeit mit Respekt
       für jene ohne akademischen Titel, für den Arbeiter bei Amazon. Die SPD
       werde gebraucht, damit „die Kassiererin auch in 30 Jahren mit 67 Jahren in
       Rente gehen kann und über ihr Leben sagen kann: Das ist gut gelungen“.
       
       ## Scholz will Selbstbewusstsein verströmen
       
       Der Parteitag jubelt. Es ist mehr als jene milde Zustimmung, die solche
       versöhnlichen Retroreden sonst immer mobilisieren. Scholz trifft einen
       empfindlichen Punkt. [2][Die Sozialdemokratie zweifelt an sich selbst und
       sucht nach ihrer Daseinsberechtigung.] Dass die Kassiererin sich schon
       heute mit 1.000 Euro Rente ein Leben in Großstädten nicht mehr leisten
       kann, fällt da eher unter den Tisch.
       
       Die AfD und Putin hätten gemeinsam, dass sie Feinde konstruieren müssten.
       „Wir sind gegen die Verfeindung der Gesellschaft“, sagt Scholz. Die
       Rechtspopulisten leben, sagt der Kanzler a. D., von dem Verschwinden der
       Zukunftshoffnung. Darauf müsse die SPD antworten. [3][Ein Gedanke, warum
       die Fortschrittskoalition gescheitert ist, fehlt in der Rede.] Scholz will
       nicht Zweifel thematisieren, sondern Selbstbewusstsein verströmen. Seine
       Rede dient, ohne Arroganz und Breitbeinigkeit vorgetragen, der
       Selbstvergewisserung. Mehr ist derzeit nicht drin.
       
       28 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Saskia-Esken-im-Gespraech/!6084682
   DIR [2] https://www.surplusmagazin.de/spd-krise-wahl-koalition-sozial/
   DIR [3] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/ampelkoalition-bruch-schuldzuweisungen-100.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Reinecke
       
       ## TAGS
       
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