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       # taz.de -- Medienarbeit im DFB-Team: Wohlorganisierte Wirfühlatmosphäre
       
       > Der DFB präsentiert sich beim Chefbesuch wie ein modernes Unternehmen.
       > Mit einem Brunch und Zahlen werden die Pressevertreter umschmeichelt.
       
   IMG Bild: Strahlemann des deutschen Fußballs: DFB-Präsident Bernd Neuendorf
       
       Zürich taz | Dem Ideal nach legt man selbst im Sportjournalismus Wert auf
       Unabhängigkeit. Aber was will man machen. Im Medienzentrum, das der DFB im
       Süden von Zürich in den Räumlichkeiten einer ehemaligen Papierfabrik
       eingerichtet hat, müssen die Berichterstatterinnen und Berichterstatter
       erst einmal in ihre Tastatur irgendetwas mit „Wir im Team“ eingeben, bevor
       es mit der Arbeit losgehen kann. Es ist der Slogan einer DFB-Kampagne, der
       auch großflächig auf einer Stellwand präsentiert wird. Und es ist eben die
       Passwortlosung, mit der die Medienschaffenden eine kostenfreie Verbindung
       zum Internet herstellen können.
       
       Auf der Etage mit dem über 400 Quadratmeter großen Veranstaltungsraum
       geht es an diesem späten Vormittag geschäftig zu. Der DFB hat zum Brunch
       eingeladen und hohen Besuch angekündigt. Der DFB-Präsident Bernd Neuendorf
       wird gemeinsam mit Nia Künzer, der Sportdirektorin für Frauenfußball, und
       Mirko Dismer, dem DFB-Abteilungsleiter für Fußballentwicklung in einem Talk
       Rede und Antwort stehen. Die Fragen stellt DFB-Mitarbeiter Steffen Simon,
       der ehemalige ARD-Angestellte. Die für die EM akkreditierten
       Journalistinnen und Journalisten hören zu.
       
       Neuendorf zieht ein erstes selbstkritisches Fazit zu den beiden deutschen
       Spielen gegen Polen und Dänemark, die er von der Tribüne aus verfolgt hat.
       „Wir sollten nicht euphorisiert sein. Wir haben das erste Ziel erreicht und
       sind ins Achtelfinale eingezogen. Alle sehen auch, dass es noch Potenzial
       gibt.“
       
       Ganz richtig ist das mit dem ersten Ziel nicht. Bei Europameisterschaften
       steht man nach überstandener Vorrunde schon im Viertelfinale. Aber
       womöglich rührt der kleine Versprecher aus dem WM-Jahr 2023. Da hatte der
       urlaubende Neuendorf seinen Flug nach Australien erst zum Achtelfinale
       gebucht. Die deutschen Fußballerinnen schieden allerdings
       überraschenderweise schon in der Gruppenphase aus. Die Abwesenheit des
       DFB-Chefs an diesem bitteren Tag, als Statements und Positionierungen zu
       dem kläglichen WM-Abschneiden gefragt waren, erzeugte damals einen
       unglücklichen Eindruck.
       
       In der Schweiz ist Neuendorf dafür umso präsenter und will zeigen, wie
       wichtig ihm die Fußballerinnen sind. Ausdrücklich lobt er [1][den
       selbstkritischen Blick des Trainerteams] und der Spielerinnen auf die
       bisher spielerisch sehr ausbaubaren Leistungen. „Da gibt es auch keine zwei
       Meinungen“, hebt der DFB-Chef hervor. Es ist in der Tat ein neuer Ton. In
       kritischen Momenten herrschte in der Vergangenheit bei den deutschen
       Fußballerinnen [2][eine Kultur des Schönredens und der Beschwichtigung].
       Auch Neuendorf scheute nach dem WM-Ausscheiden klare Worte.
       Verständlicherweise, aus der Nähe hatte er ja nichts mitbekommen.
       
       ## Lob der Menatlität
       
       Zu loben gibt es in Zürich freilich nicht nur die neue Kultur der
       Selbstkritik, sondern auch die Stärken des Teams. Die Reaktion auf
       Rückschläge wie dem [3][verletzungsbedingten Ausfall von Giulia Gwinn] oder
       dem Rückstand im zweiten Spiel gegen Dänemark. „Wir haben etwas, auf das
       wir bauen können, und das ist unser Spirit, unser Gemeinschaftsgefühl“,
       sagt Neuendorf. Das könne erfahrungsgemäß ein Team weit bringen. Der Umgang
       der Spielerinnen mit Gwinn, die hohe Anteilnahme und Betroffenheit habe ihm
       „imponiert“. Er sagt: „Der Zusammenhalt ist schon eine starke Währung bei
       so einem Turnier.“
       
       Eigentlich nur Positives weiß Bernd Neuendorf von der DFB-Zentrale zu
       berichten. Die bestellte Frage nach der vollzogenen Vertragsverlängerung
       mit Nia Künzer gibt ihm Anlass auf den neuen Spirit im Verband zu sprechen
       zu kommen. „Dass Nia verlängert hat, Rudi Völler verlängert hat, Julian
       Nagelsmann verlängert hat, zeigt, dass man sich mit dem Verband
       identifiziert, sich wohlfühlt in dem Umfeld und eine gewisse Stabilität
       zurückerlangt hat.“
       
       An diesem Tag kann der DFB gerade im Bereich des Fußballs der Frauen
       einiges vorweisen, was verbessert oder in Gang gebracht wurde. Das
       erstmalige Überschreiten der Marke von 8 Millionen Mitgliedern hat der DFB
       zum Beispiel unter anderem dem prozentual stärksten Zuwachs im Vergleich
       zum Vorjahr von 9 Prozent bei den Mädchen bis zu 16 Jahren zu verdanken.
       Dem Abwärtstrend nach der WM 2011 im eigenen Land konnte seit 2021
       erfolgreich begegnet werden.
       
       Mirko Dismer von der DFB-Abteilung Fußballentwicklung berichtet von einem
       neu aufgelegten Stipendienprogramm, um Fußballerinnen im Herbst ihrer
       Karriere für Aufgaben im Management- oder Trainerbereich zu gewinnen. Einen
       schicken Namen, „Player’s Pathway“, hat man sich dafür ausgedacht, was
       vermutlich die eigene weltoffene Fortschrittlichkeit unterstreichen soll.
       
       Mit Verantwortlichen aus der deutschen Frauenbundesliga hat Dismer gerade
       in der Schweiz am Rande der EM eine „Leadership-Reise“ unternommen.
       Dabei, erzählt er, habe man sich mit dem Chefpersonal von Lindt & Sprüngli
       sowie Google über Fragen der Führung ausgetauscht. Es ist die Suche nach
       Impulsen jenseits der eigenen Blase.
       
       ## EM-Berwerbung für 2029
       
       Eine neue Unternehmenskultur hält Einzug beim DFB, das Selbstbewusstsein
       bleibt das alte. Für die nächste EM 2029 bewirbt sich der deutsche Verband
       mit dem Anspruch als Ausrichter, erstmals in der Geschichte dieses
       Frauenturniers der Uefa Gewinne zu erbringen. Bislang musste der
       europäische Verband immer einiges draufzahlen. „Wir wollen Frauenfußball in
       Europa noch einmal auf ein ganz anderes Level bringen“, sagt Neuendorf in
       einer Runde nach dem offiziellen Talk, in der Journalisten selbst noch ein
       paar Fragen stellen dürfen.
       
       Danach ist das Brunchbüfett eröffnet. Ein Sponsor des DFB aus der
       Autobranche kümmert sich in diesen Tagen nicht nur um das leibliche Wohl
       der Medienvertreter. Ein freundlicher Firmenmitarbeiter geht durch den Raum
       und fragt nach, ob noch jemand Zeit und Lust auf eine Bootsrundfahrt auf
       dem Züricher See am nächsten Tag hat. Zu Beginn der EM hatte das
       Unternehmen bereits zu einer solchen Fahrt eingeladen, unter dem Stichwort
       „Networking Evening“. Eine entspannte Zeit „bei guter Stimmung, kühlen
       Getränken und feinen Apéro-Häppchen“ wurde in Aussicht gestellt.
       
       Weil das Angebot so gut angenommen wurde, gibt es nun eine zweite Fahrt, in
       der wieder möglichst viele Journalistinnen und Journalisten in ein Boot
       geholt werden sollen. Es ist an der Zeit, den WLAN-Bereich „Wir im Team“ zu
       verlassen.
       
       11 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Deutsche-besiegen-Daeninnen/!6096122
   DIR [2] /Deutsches-Ausscheiden-bei-der-WM/!5944198
   DIR [3] /DFB-Elf-ohne-Giulia-Gwinn/!6095781
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Johannes Kopp
       
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