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       # taz.de -- Clubnacht mit Kyjiwer Club K41 und CTM: Die zerstörte Erde schreit
       
       > Die Zusammenarbeit „Disturbed Ground“ des Kyjiwer Clubs K41 („∄“) mit dem
       > Berliner CTM Festival übersetzt den Ukrainie-Krieg in quälende
       > Frequenzen.
       
   IMG Bild: Arbeitet mit Sounds außerhalb des hörbaren Frequenzspektrums: US-Künstler Mark Bain
       
       Der Saal ist in Nebel gehüllt, die Lichtanlage taucht alles in Rot, dann in
       ein gleißendes Weiß. Anhaltende, tiefe Frequenzen durchdringen den Raum,
       die Körper. Basswellen rollen an, überschütten dich mit Sound, drücken dich
       weg. Du hörst ein Donnern, dann Detonationen, ein Grollen, dann Geratter.
       Und wenn du denkst, es ist vorbei, rückt die nächste Welle an.
       
       Der US-amerikanische Sound Artist Mark Bain und die ukrainische Künstlerin
       Khrystyna Kirik stellen am Samstagabend in der Kantine am Berghain dieses
       Soundstück vor, beide stehen sich an einem Tisch voller Synthesizer und
       Gerätschaften gegenüber, die im Kunstnebel allerdings kaum zu erkennen
       sind. Die Künstler:innen übersetzen Krieg – [1][oder speziell den Krieg
       in der Ukraine] – in Klang und Vibrationen, wollen nachbilden, wie Bomben
       die Biosphäre, die Erde, das Leben zerstören.
       
       Mark Bain ist ein dafür prädestinierter Künstler, denn er nutzt Sounds
       außerhalb des hörbaren Frequenzspektrums, der vor allem körperlich
       erfahrbar ist. Ihre Performance ist eine von vier Arbeiten, die im Rahmen
       der Veranstaltung „Zone of Alienation X Disturbed Ground“ zu erleben und zu
       hören sind. „Disturbed Ground“ nennt sich eine Zusammenarbeit des
       [2][Kyjiwer Clubs K41] mit dem [3][Berliner CTM Festival]; Ende Juni waren
       unter anderem der CTM-Kurator Jan Rohlf, Mark Bain und die Berliner
       Künstlerin Zeynep Schilling im Produktionsstudio u2203 des K41 in Kyjiw zu
       Gast, um die Stücke zu entwickeln (beim CTM Festival Anfang kommenden
       Jahres sollen weitere Arbeiten dieser Künstler*innen aufgeführt werden).
       Präsentiert wird der Abend vom Ukrainischen Institut in Deutschland, auch
       der ukrainische Clubkultur-Verband Unight ist an der Konzeption beteiligt.
       
       ## Das dunkle dominiert den Abend
       
       Dark-Ambient- und Industrialmusik dominiert dem Thema entsprechend den
       Abend, sie wird zum Teil von Visuals und (Tanz-)Performances ergänzt.
       Inhaltlich stehen die ökologischen Zerstörungen des russischen
       Angriffskriegs in der Ukraine im Fokus. So sieht man in der ersten
       audivisuellen Arbeit von Khrystyna Kirik und myk rudik (vom
       Produktionsstudio u2203) ein animiertes Video mit zerfurchter Erde und
       Skeletten, die sich darüberzuschlängeln scheinen; dazu ertönen wabernde,
       unheimliche Geräusche, brummende Frequenzen im Loop.
       
       Auch die viel zu wenig beachtete Ölpest im Schwarzen Meer, unter anderem
       infolge der Sprengung der Wasserkraftwerke von Kachowka 2023 und [4][der
       Havarie russischer Öltanker Ende 2024 entstanden], wird an diesem Abend
       beleuchtet. noorj und sevilâ nariman-qızı, zwei Künstlerinnen von der Krim,
       zeigen Videosequenzen mit wogendem Wasser, über das sich Schlieren ziehen.
       Delfine und Wale sind zu sehen, dazu hört man es dunkel rauschen und
       wummern.
       
       Den Krieg körperlich erfahrbar machen wollen auch die Künstlerin undo
       despot aus Odessa und Zeynep Schilling in ihrer Performance. Während
       Stroboskopgewitter, eine Art Infrarotlicht und weitere grelle Lichteffekte
       sich abwechseln, während ein doomiger Dauerschall durch den Raum dringt,
       tanzt und taumelt eine einsame Figur vorne auf der Bühne, in weißen Stoff
       gehüllt, scheint ihre Flügel auszubreiten, auf der Hose der Tanzenden steht
       „In god’s arms“ geschrieben.
       
       ## Die Klangübersetzung ist eindrücklich
       
       Das Ambiente des Kriegs und der Zustand permanenter Bedrohung wird in
       diesen vier Arbeiten eindrücklich in Klang und Bild übersetzt. [5][Wenn die
       Literatur mit Romanen von der Front auf den Krieg reagieren kann], so
       erreicht die experimentelle audiovisuelle Kunst dies hier mit ihren
       Mitteln.
       
       Insbesondere bei der Performance von Mark Bain und Khrystyna Kirik wird das
       deutlich. Sie erscheint lang und länger, du kannst ihr nicht entkommen, die
       Frequenzen bohren sich ins Fleisch. Du bekommst eine Ahnung davon, wie der
       Krieg die Sinne angreift, wie er zerstört. Dazu lässt sich vielleicht nicht
       gut tanzen, aber ganz sicher perzeptives Wissen vermitteln.
       
       14 Jul 2025
       
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       ## AUTOREN
       
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