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       # taz.de -- Grenzübertritt mit druckfrischem Roman: Die Schrumpfkur
       
       > Mein neues Buch finden südosteuropäische Grenzpolizisten so interessant,
       > dass sie es jedes Mal übersetzt haben wollen. Dem Text tut das gar nicht
       > gut.
       
   IMG Bild: Auch hier dürfte es für Osman Probleme geben: der Grenzübergang Röszke von Serbien nach Ungarn
       
       Mit meinem Roman-Manuskript bin ich in die Türkei gefahren, um es dort
       billiger drucken zu lassen. Mein Werk wird die Arbeiterklasse endgültig
       befreien, Arbeitslosigkeit, Armut und Fremdenfeindlichkeit für immer
       besiegen und Werder Bremen unschlagbar machen.
       
       Auf der Rückreise nach Deutschland mit unserem Ford-Transit erklären uns
       die Beamten an der bulgarischen Grenze: „Die türkische Minderheit ist hier
       wie ein Pulverfass. Mit diesem Buch dürfen Sie bulgarischen Boden nicht
       betreten!“
       
       Meine Frau Eminanim wird langsam sauer: „Gibt's denn kein Land auf der
       Welt, wo keine türkische Minderheit rumlungert? Außerdem, was gehen uns
       Ihre Minderheiten an! Wir sind doch nicht Amnesty International!“
       
       An der serbischen Grenze brüllt man mich an, ob ich mit meinem Manuskript
       eine Revolution unter den Bosniern anzetteln will? „Wer will schon einen
       neuen Balkankrieg?“, stammele ich verlegen. „Mein Buch sollte eigentlich
       gegen den Krieg plädieren!“
       
       Während des tagelangen Wartens auf die serbische Übersetzung meines
       Kunstwerks, bin ich inzwischen sehr froh, dass mein 321-Seiten-Manuskript
       auf ein Acht-Seiten-Buch geschrumpft ist. Zwei Wochen Zwangspause sind
       großzügig bemessen, um alle Bewohner des kleinen Dorfes Pirot persönlich
       kennen zu lernen.
       
       ## Durchbruch zum Weltruhm
       
       An der slowenischen Grenze dreht meine Frau endgültig durch und besteht von
       sich aus auf einer Übersetzung. „Das ist nicht notwendig, wir haben keine
       Minderheiten-Probleme“, erklären uns die Beamten.
       
       „Wenn Sie mein Buch nicht sofort übersetzen, dann haben Sie gleich ein
       Minderheiten-Problem: Ich werde meine Frau hier bei Ihnen aussetzen!“,
       drohe ich denen lautstark. Minuten später bekomme ich meine slowenische
       Übersetzung! Auf den Trick hätte ich früher kommen sollen!
       
       In der Zwischenzeit rufe ich in Deutschland bei meinen Nachbarn und in
       Halle 4 an. Und erkläre denen, dass wir leider nicht rechtzeitig heimkommen
       können, weil es überall ein so großes Interesse an meinem Buch gibt.
       Bereits in mehreren Ländern, unter anderem in der [1][Türkei], Armenien,
       Persien, [2][Griechenland], Bulgarien, Serbien, [3][Kroatien],
       [4][Slowenien] und [5][Bayern] ist es in die Landessprache übersetzt
       worden. Um den endgültigen Durchbruch zum Weltruhm zu erlangen, muss ich
       nur noch Russland, England, Nordirland, Korsika, das Baskenland, Indien,
       Sri Lanka, Kambodscha, Korea und halb Afrika bereisen.
       
       ## Manuskript begann mit sensationeller Aussage
       
       Vor der Reise in die Türkei begann mein Manuskript mit der sensationellen
       Aussage: „Ob Ausländer oder Inländer, das Leben in Deutschland ist wahrlich
       kein Zuckerschlecken!“ Und mein Meisterwerk endete mit dem folgenden Satz:
       „Osman Engin ist mit Sicherheit der witzigste Autor des Jahrhunderts!“
       
       Nach den vielen Übersetzungen und über 300 Seiten Kürzungen fängt der Roman
       jetzt so an: „In Grönland wachsen die Kamele auch nicht auf den Bäumen!“
       
       Und hört so auf: „Osman Engin ist die lächerlichste Witzfigur des
       Jahrhunderts!“
       
       10 Aug 2025
       
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       ## AUTOREN
       
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