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       # taz.de -- Vorwürfe gegen Mastbetrieb im Emsland: Hühner nicht genug gequält
       
       > Trotz harter Videoaufnahmen stellt die Staatsanwaltschaft Oldenburg das
       > Ermittlungsverfahren gegen einen niedersächsischen Hühnermäster ein.
       
   IMG Bild: Ein totes Huhn liegt in dem Mastbetrieb zwischen Lebenden auf dem Boden
       
       Osnabrück taz | Bilder aus der Massentierhaltung sind nie schön. Aber wer
       sich das Undercover-Videomaterial aus einem [1][Hühnermastbetrieb in
       Meppen im niedersächsischen Landkreis Emsland] ansieht, an das die
       Tierrechtsorganisation Soko Tierschutz 2023 gelangt ist, braucht starke
       Nerven: Kranke Hühner werden zur Entsorgung aufgespießt, mit einer Stange
       mit Dorn, schlagen dabei mit den Flügeln. Hühner werden zur Seite getreten,
       zu mehreren an den Beinen in Transportboxen geworfen.
       
       Verletzte, fast bewegungsunfähige Tiere liegen im Stall, auch tote, halb
       verwest und zerquetscht, blutig, blau aufgedunsen, fast federlos, oft nur
       noch unkenntliche, dunkle Flecke. Arbeitende stoßen sich zwischen und auf
       die Hühner, als sei das ein Spiel; ein Huhn wird dabei, wie aus Vergeltung,
       einem von ihnen hinterhergeschleudert. Man sieht Schmutz,
       Rücksichtslosigkeit und Gewalt.
       
       „Sadismus als System“ nennt die [2][Soko Tierschutz] das. Im August 2023
       hat sie den Betrieb bei der Oldenburger Schwerpunktstaatsanwaltschaft für
       Landwirtschaftssachen angezeigt, nach Tierschutzgesetz Paragraf 17, Absatz
       2, wegen Tierquälerei also. Die Voraussetzungen für eine Geldstrafe oder
       eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren: erhebliche Schmerzen oder Leiden,
       zugefügt aus Rohheit, oder länger anhaltend, sich wiederholend. Fast zwei
       Jahre lang tat sich nichts, trotz der Härte des Videomaterials. Im Juni
       2025 kam dann der Bescheid: Verfahren eingestellt. Gegen alle
       Beschuldigten. Kein strafrechtlich relevantes Verhalten.
       
       Wer der Aufspießer war, hat die Staatsanwaltschaft nicht herausgefunden.
       Beim Geschäftsführer der für den Betrieb verantwortlichen Erzeuger-GmbH sei
       nicht ersichtlich, so Oberstaatsanwalt Dirk Bredemeier in einem Schreiben
       an die Soko Tierschutz, „dass er strafrechtlich relevantes Verhalten
       anderer Beteiligter gebilligt oder gefördert hätte“; eine abstrakte
       Verantwortlichkeit als Geschäftsführer kenne das Strafrecht nicht.
       
       Das Gros der Tritte bezeichnet Bredemeier „eher als Schieben oder Schubsen
       mit dem Fuß“. Es seien „mit einiger Kraft und Wucht“ Tiere getroffen
       worden, aber der Eintritt erheblicher Schmerzen sei nicht belegt, denn man
       habe die Tiere nicht untersuchen können. Das Werfen sei „wenig
       tierschutzgerecht und grob“, aber der Eintritt länger anhaltender
       erheblicher Schmerzen oder Leiden durch diese Behandlung sei nicht
       beweisbar. Das Werfen habe nur wenige Sekunden gedauert, und dass Tiere vor
       dem Wurf kopfüber gehalten worden seien, könne zu Verletzungen geführt
       haben, „die länger anhaltende Schmerzen oder Leiden begründen würden“,
       solche Verletzungen könnten jedoch „nur vermutet“ werden.
       
       Das Sich-auf-die Tiere-Stoßen und das wuchtige Vergeltungs-Werfen
       bezeichnet er als „grob ungehörig und zu missbilligen“. Statt Rohheit sieht
       er jedoch nur Gedankenlosigkeit und eine „verständliche Aufwallung“. Fall
       erledigt.
       
       ## Mäster kann weitermachen wie bisher
       
       „Die Einstellung des Verfahrens hat eine fatale Signalwirkung“, schreibt
       Lisa Nürnberger der taz, Mitarbeitende bei Soko Tierschutz. „Es ist ein
       Zeichen, dass diese Menschen mit den Tieren verfahren können, wie sie
       wollen, ohne Konsequenzen dafür zu tragen.“ Die Staatsanwaltschaft
       Oldenburg sei ein „Negativbeispiel in Sachen Aufarbeitung von
       Tierschutzskandalen“. Der Tierschutz werde damit „massiv untergraben“, die
       Tiere würden „schutzlos allein gelassen“. Die Soko Tierschutz empört das.
       Sie hat Einspruch eingereicht.
       
       Bredemeier, von der taz um Kommentierung gebeten, ist im Urlaub. „Es konnte
       nicht mit der für eine Anklageerhebung erforderlichen Sicherheit
       festgestellt werden, dass den Tieren länger anhaltende oder sich
       wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zugefügt wurden“, schreibt
       Staatsanwalt Thorsten Stein, der Sprecher der Staatsanwaltschaft Oldenburg,
       stellvertretend der taz, „Das Tatbestandsmerkmal der Rohheit setzt zudem
       voraus, dass das Zufügen der Schmerzen oder Leiden auf einer gefühllosen,
       fremde Leiden missachtenden Gesinnung beruht. Auch diese Feststellung
       konnte nach Vernehmung der Beschuldigten im konkreten Fall nicht getroffen
       werden.“
       
       Die Mäster und Ausstaller können also weitermachen wie bisher. Allein in
       den fast zwei Jahren des Verfahrens seien vermutlich Millionen von Tieren
       durch ihre Hände gegangen, sagt Soko-Tierschutz-Leiter Friedrich Mülln der
       taz. Bei ihm vertieft sich dadurch die Skepsis gegen die
       Schwerpunktstaatsanwaltschaft. Ende 2022 hatte die Soko [3][Strafanzeige
       gegen den Oldenburger Oberstaatsanwalt Bernhard Lucks gestellt], wegen des
       Verdachts auf Strafvereitelung im Amt und Rechtsbeugung. Er habe
       Tierschutzverstöße und den Verdacht auf gewerbsmäßigen Betrug nicht
       konsequent verfolgt.
       
       15 Jul 2025
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Harff-Peter Schönherr
       
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