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       # taz.de -- Urteil im Fall Schlesinger: Doch keine Ohrfeige für den RBB
       
       > Der RBB muss Patricia Schlesinger ein Ruhegeld auszahlen – das entschied
       > das Landgericht Berlin. Warum das für die Ex-Intendantin kein Sieg ist.
       
   IMG Bild: Die ehemalige RBB-Intendantin Patricia Schlesinger im Berliner Landgericht, 15. 1. 2025
       
       Berlin taz | Verwaltungsräte sind normalerweise zurückhaltende
       Zeitgenossen. Vor allem, wenn sie in einem Gerichtsverfahren Partei sind.
       Doch am Mittwoch stand RBB-Verwaltungsrat Benjamin Ehlers im Berliner
       Landgericht die gute Laune ins Gesicht geschrieben.
       
       Da war der RBB eigentlich in Sack und Asche angetreten, um die nächste
       Watsche in der juristischen Auseinandersetzung mit seinen in den
       RBB-Skandal von 2022 verwickelten Führungskräften zu kassieren. Doch dann
       lief es ausgerechnet im von seiner [1][ehemaligen Intendantin Patricia
       Schlesinger] angestrengten Prozess ganz anders – und der Sender bekam
       endlich einmal die Oberhand. „Wir hatten eigentlich mit einer Niederlage
       gerechnet“, sagte RBB-Justiziarin Kerstin Skiba verwundert, als alles
       vorbei war.
       
       Ja, [2][der RBB muss seiner Ex-Chefin zwar das ihr vertraglich zugesicherte
       monatliche Ruhegeld in Höhe von exakt 18.384,50 Euro zahlen], und das auch
       noch mit Zinsen. Doch erst mal nur für einen Monat. Und viel wichtiger für
       die klamme ARD-Anstalt ist, dass ihr das Gericht in diesem Zivilverfahren
       grundsätzlich Schadensersatzansprüche gegen Schlesinger zusprach. Die haben
       es jetzt schon in sich – und könnten noch mal deutlich steigen.
       
       Denn das Gericht hat zusätzlich den dicksten Streitpunkt, die Saga um das
       geplante digitale Medienhaus des RBB, vom laufenden Verfahren abgetrennt.
       Die hochfliegenden Planungen, die den in Sachen Digitalisierung tatsächlich
       eher rückständigen Sender endlich ins 21. Jahrhundert katapultieren
       sollten, haben den RBB nach Angaben des Verwaltungsratsvorsitzenden
       Wolfgang Krüger 13,6 Millionen Euro gekostet. Ohne dass auch nur ein erster
       Spatenstich erfolgt wäre.
       
       Die Kosten für das nach Schlesingers Abgang schnell beerdigte
       Prestigeobjekt waren zum Schluss auf 310,6 Millionen Euro gestiegen, so
       hatte es der RBB-Untersuchungsausschuss des Brandenburger Landtags
       festgestellt. Doch den Sendergremien und der Öffentlichkeit waren immer
       deutlich niedrigere Summen vorgegaukelt worden.
       
       ## Generalstaatsanwaltschaft ermittelt weiter
       
       Wie es dazu kam und wer neben Schlesinger die Verantwortung trägt,
       interessiert auch die Berliner Generalstaatsanwaltschaft. Sie ermittelt
       weiterhin unter anderem gegen Schlesinger, deren Ehemann und den früheren
       Verwaltungsratsvorsitzenden Wolf-Dieter Wolf, es gilt die
       Unschuldsvermutung. Im Straf- wie im Zivilverfahren dürfte es dann um
       Fragen des Ausschreibungsrechts, obskure Beraterverträge und Verstöße gegen
       diverse RBB-interne Regularien gehen. Besonders die Verantwortung von Wolf,
       der als graue Eminenz der Berliner Immobilienwirtschaft und
       Aufsichtsratsvorsitzender der Messe Berlin beim RBB mindestens eine
       Doppelrolle spielte, ist bis heute in weiten Teilen ungeklärt.
       
       Die Staatsanwaltschaft interessiert sich neben dem digitalen Medienhaus
       auch für die umstrittenen Bonuszahlungen, die unter Schlesinger beim RBB
       für die Führungsspitze als „variable Vergütung“ üblich waren. Eingeführt
       hatte sie dieses Bonussystem zwar nicht, wohl aber modifiziert. Hier hat
       das Landgericht in seinem Urteil nun bereits festgestellt, dass Schlesinger
       dafür haftet.
       
       1,7 Millionen Euro will der RBB nach Gerichtsangaben in Sachen Boni geltend
       machen, dazu kommen noch mal 88.000 Euro aus der sogenannten ARD-Zulage,
       die bestimmten Mitarbeitenden während des kurzlebigen ARD-Vorsitzes des RBB
       2022 gezahlt wurden. Zwar ist es in der ARD üblich, dass reihum immer eine
       Anstalt für zwei Jahre den Vorsitz in der Arbeitsgemeinschaft der
       öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik Deutschland
       übernimmt und die Kosten dafür umgelegt werden.
       
       Zusätzliche Apanagen für ohnehin das voll und gar nicht mal schlecht
       bezahlte Spitzenpersonal sind dabei aber nicht vorgesehen. Ursprünglich
       hätte der RBB die ARD in den Jahren 2022/23 führen sollen. Doch schon vier
       Tage bevor [3][Schlesinger als Intendantin am 8. August 2022 gehen musste],
       war es mit dem – übrigens erstmaligen – ARD-Vorsitz des RBB schon wieder
       vorbei, was auch die verhältnismäßig niedrige Summe von 88.000 Euro
       erklärt.
       
       Ob Schlesinger hier in voller Höhe zur Kasse gebeten wird, wird sich
       allerdings erst zeigen. Hierüber werde noch im laufenden Verfahren
       entschieden, kündigte der Vorsitzende Richter Thomas Markfort an. Aus
       Verwaltungsratskreisen heißt es, weder für die Boni noch die ARD-Zulage
       gebe es nachvollziehbare Beschlüsse des damaligen, von Wolf geführten
       Verwaltungsrats. Obwohl das Gremium solchen Regelungen hätte zwingend
       zustimmen müssen, sei das Ganze von Wolf und Schlesinger offenbar
       tatsächlich zwischen Tür und Angel abgemacht worden.
       
       ## Sie habe ihre Pflicht verletzt
       
       Genauso wenig ist klar, wie es mit den Ruhegeldansprüchen der ehemaligen
       Intendantin weitergeht. Vermutlich um die Prozesskosten gering zu halten –
       in Zivilverfahren orientieren sich diese an den aufgerufenen Streitwerten –
       hatte Schlesinger testweise nur ihren Ruhegeldanspruch für den Januar 2023
       eingeklagt. Es handele sich um „keine Vorabentscheidung, wie es mit dem
       Ruhegeld darüber hinaus weitergeht“, sagte Markfort nach der
       Urteilsverkündung am Mittwoch. Weil es nun aber nur eine Entscheidung über
       den einen Monat gibt, muss Schlesinger jetzt erneut klagen – oder sich mit
       dem RBB anderweitig einigen.
       
       Der RBB hatte argumentiert, dass Schlesingers Anspruch auf die ihr
       vertraglich bis zum Lebensende zustehenden Zahlungen „sittenwidrig“ sei,
       war damit aber nicht durchgekommen. „Dass wir beim Ruhegeld keine guten
       Karten hatten, war uns nach dem ersten Verhandlungstermin im Januar klar“,
       meinte der Verwaltungsratschef Krüger dann auch nach der Urteilsverkündung.
       Doch selbst wenn Schlesinger die weiteren Ruhegelder erfolgreich einklagt,
       könne jetzt immerhin „gegengerechnet werden, was dem RBB an Schaden
       entstanden ist“. Und daher habe auch ihn „das Urteil in der Deutlichkeit
       positiv überrascht“.
       
       Und noch eine Entscheidung von Mittwoch könnte sich für Schlesinger als
       äußert heikel erweisen. Das Gericht sprach dem RBB nämlich einen weiteren
       Schadensersatzanspruch zu und verurteilte seine frühere Intendantin „zu
       Zahlungen an den RBB in Höhe von rund 24.000 Euro wegen Pflichtverletzungen
       im Zusammenhang mit der Nutzung von Dienstwagen und Reisekosten“. Dabei ist
       nicht so sehr die Summe entscheidend, sondern das Wort Pflichtverletzung.
       
       Als Intendantin im öffentlich-rechtlichen Rundfunk war Schlesinger
       Amtsträgerin im Sinne des Strafgesetzbuchs. Für diese Personengruppe, zu
       der auch Richter*innen, Notar*innen oder Minister*innen zählen,
       gelten besondere strafrechtliche Regelungen, wenn sie im Amt Mist bauen und
       so ihre Amtspflicht verletzen. Dazu gehören Falschbeurkunden, die
       Verletzung von Dienstgeheimnissen, aber auch Vorteilsannahme und
       Bestechlichkeit. Und genau zu diesen letzten Punkten, Vorteilsnahme und
       Vetternwirtschaft, ermittelt ja immer noch die Generalstaatsanwaltschaft.
       
       17 Jul 2025
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Steffen Grimberg
       
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