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       # taz.de -- Der Fall Georges Abdallah: Frei nach über 40 Jahren Haft in Frankreich
       
       > Der Libanese Georges Abdallah sitzt seit 1984 in einem französischen
       > Gefängnis. Jetzt kommt das „Symbol des palästinensischen Widerstands“
       > frei.
       
   IMG Bild: Symbol des Widerstands: Forderung nach Freiheit für Georges Abdallah bei einer Demonstration in Toulouse im Juni diesen Jahres
       
       Paris taz | Er war für einen Teil der politischen Linken und die
       Palästina-Solidaritätsbewegung ein „politischer Gefangener“, dessen
       Freilassung aus lebenslanger Haft seit vielen Jahren unentwegt gefordert
       wurde. Nach zehn vergeblichen Versuchen ist nun der Antrag Georges Ibrahim
       Abdallahs auf seine Haftentlassung am Donnerstag vom Pariser Berufsgericht
       rechtsgültig genehmigt worden. Die Justiz hat angeordnet, dass der
       gebürtige Libanese in einer Woche nach Beirut ausgeflogen wird.
       
       Georges Abdallah ist heute 74 Jahre alt. Seit 1984 war er in Frankreich
       wegen Beihilfe zu Terrorismus inhaftiert und [1][1987 zu einer lebenslangen
       Gefängnisstrafe verurteilt] worden. Diese hat schließlich fast 41 Jahre
       gedauert, was – nicht nur für französische Verhältnisse – außerordentlich
       lange ist.
       
       Der Eindruck entstand, dass der französische Staat aus Abdallah einen
       Testfall für die unnachgiebige Bekämpfung des Terrorismus machen wollte.
       Denn als im November 2024 die zuständige Gerichtsinstanz dem Antrag auf
       Haftentlassung stattgab, weil sie die lange Haft als „unverhältnismäßig
       lange“ erachtete, legte die Antiterrorstaatsanwaltschaft sofort Berufung
       ein. Offenbar, weil sie den Libanesen weiterhin als gefährlich einschätzte
       und der Forderung seiner linken Sympathisanten nicht nachgeben wollte.
       
       Als Mitglied einer propalästinensischen Gruppe libanesischer Marxisten, der
       [2][FARL (Forces armées révolutionnaires libanaises)], war er 1984 in Lyon
       festgenommen worden. Er sei Komplize bei der Ermordung zweier Diplomaten
       gewesen, des Amerikaners Charles Robert Ray und des Israelis Yacov
       Barsimantov. In einer von ihm gemieteten Wohnung wurde eine Waffe gefunden,
       mit der die beiden Diplomaten 1982 in Paris getötet worden waren.
       
       ## Spielball politischer Auseinandersetzungen
       
       Abdallah hatte eine Beteiligung stets abgestritten, aber den Terroranschlag
       als „Widerstandsakt“ legitimiert. In seiner langen Haft hat er seine
       politische Haltung nie aufgegeben und korrespondierte weltweit mit
       Sympathisanten.
       
       Seit 25 Jahren konnte sein Anwalt, gestützt auf die Regeln des
       Strafvollzugs, seine Freilassung beantragen. Dass dies immer wieder
       abgelehnt wurde, hängt damit zusammen, dass Abdallah von Beginn an zum
       [3][Spielball politischer Auseinandersetzungen] wurde. Die amerikanischen
       Behörden hatten Druck auf die französische Justiz ausgeübt, um zu
       verhindern, dass Abdallah seine Gefängniszelle in Lannemezan in
       Südfrankreich „vorzeitig“ verlassen und in den Libanon zurückreisen durfte.
       
       Die US-Behörden, die 1987 beim Prozess als Nebenkläger aufgetreten waren,
       hatten geltend gemacht, Abdallah habe seiner Gesinnung nie abgeschworen und
       nie „Reue“ gezeigt – was freilich im französischen Recht nicht als Argument
       gegen eine Freilassung vorgesehen wäre. So blieb Abdallah, der in den
       1980er Jahren in Frankreich als Staatsfeind Nummer eins galt, hinter
       Gittern ein gefährlicher Terrorist.
       
       In der französischen Öffentlichkeit war sein Name in Vergessenheit geraten,
       doch für die propalästinensische Linke, die jetzt einen Sieg feiert, war er
       ein Opfer seiner politisch motivierten Feinde, die ein Exempel statuieren
       wollten. Die Zeitung Libération sieht in ihm ein „Symbol des
       palästinensischen Widerstands der Vergangenheit“.
       
       Ähnlich sah es das Berufungsgericht in der Begründung seines Entscheids:
       Abdallah sei ein „letztes Überbleibsel der weltlichen, marxistischen und
       kommunistischen FARL“ und einer „vergangenen Geschichte des gewaltsamen
       ultralinken Aktivismus“ aus dem Nahen Osten. Für seine Freilassung spreche
       auch, dass diese Kreise „seit 1984 in Frankreich und anderswo keine
       Attentate mehr verübt haben“.
       
       17 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Die-Feindschaft-zu-Arabien-gewaehlt/!1869938
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