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       # taz.de -- Klausurtagung in Leipzig: Wider Kahlschlag und Abbruchkante
       
       > Die Linksfraktion diskutiert Alternativen zum schwarz-roten
       > Haushaltssparkurs. Das macht sie dort, wo die Linkspartei noch nie
       > regierte: in Sachsen.
       
   IMG Bild: Die Linkspartei will Berlins Einnahmen erhöhen – teils über die Grunderwerbssteuer, aber am meisten über zusätzliche Kredite
       
       Leipzig taz | Milliardenschwere Kürzungen? Einschnitte in der Kultur und
       bei den sozialen Trägern? Das müsste nicht sein, meint die Linksfraktion –
       und diskutiert bei ihrer Klausurtagung in Leipzig Alternativen zur
       Haushaltspolitik der schwarz-roten Berliner Landesregierung. Genaue Zahlen
       liegen dem noch nicht zugrunde: Der Senat will erst am 22. Juli seinen
       Entwurf für den Landeshaushalt 2025/2026 beschließen, mit dem sich das
       Parlament im Herbst beschäftigen wird.
       
       Die Tagung steht unter einem besonderen aktuellen Vorzeichen: die
       Linkspartei hat [1][in der jüngsten Umfrage vor gut zwei Wochen am
       stärksten im linken Lager abgeschnitten] und liegt deutlich vor Grünen und
       SPD. Sieht das nach der Abgeordnetenhauswahl am 20. September 2026 auch
       noch so aus, könnte sie eine linke Landesregierung anführen. Wer dabei aber
       ganz vorne stehen würde, ist weiter offen. Das macht Fraktionschef Tobias
       Schulze schon in seiner Begrüßungsrede klar: „Ich kann schon mal verraten,
       dass die Spitzenkandidatur-Frage hier nicht beantwortet wird.“
       
       Bevor es zahlenlastig wird, schildert Schulze im Saal „Reclam 2“ in
       Leipzig, wie sich die Lage in Berlin für ihn darstellt. „Das Vertrauen in
       die Politik ist am absoluten Tiefpunkt“, sagt er, und das hat für ihn vor
       allem mit der schwarz-roten Koalition und dem Regierungschef zu tun. „Kai
       Wegners Politik der Heilsversprechen ist ganz hart auf dem Boden
       aufgeschlagen.“
       
       Wegner klammere sich nur noch an zwei Themen: [2][die Verwaltungsreform] –
       die eigentlich ein rot-grün-rotes Projekt sei – und eine Olympia-Bewerbung.
       „Eine Stadt, die ihre Schwimmbäder nicht heizen kann, die kann auch kein
       Olympia“, sagt Schulze. Mehrfach noch werden sich Rednerinnen und Redner
       später an diesem Thema abarbeiten und eine Bewerbung unter anderem als
       abstrus bezeichnen.
       
       ## In Sachsen regierte die Linkspartei noch nie
       
       All diese Worte fallen allerdings in einem Bundesland, in dem die
       Linkspartei noch nie mitregierte, geschweige denn wie in Thüringen den
       Ministerpräsidenten stellte – anders als in allen anderen Ost-Ländern
       einschließlich Berlin. Sachsens Linkspartei-Chef Marco Böhme, als Gast bei
       der Klausur, hört sich fast neidisch an, wenn er sagt: „Ihr habt ja die
       Chance, im nächsten Jahr das Rote Rathaus wirklich rot zu machen.“
       
       Den Zustand des Landeshaushalts nimmt Fraktionschef Schulze ganz anders
       wahr als Finanzsenator Stefan Evers von der CDU. Der sagt stets, Berlin
       nehme nicht zu wenig Geld ein, sondern gebe zu viel aus. Aus Linken-Sicht
       hingegen gibt es ein Einnahmeproblem – zu viele Wege dazu würden nicht
       genutzt.
       
       Konkret soll das heißen: alle Möglichkeiten für Kredite nutzen, die
       Grunderwerbssteuer erhöhen und auch die Vergnügungssteuer und mehr Geld aus
       Parkgebühren ziehen. Entscheidend für die Linksfraktion dabei: die von
       Kürzungen Betroffenen zu beteiligen: „Alle brauchen Zeit zur Anpassung und
       Spielraum, um mit enger werdenden Mitteln umgehen zu können.“
       
       In der anschließenden Aussprache mag das der erste Redner etwas
       differenzierter betrachten. Was die Linke wolle, koste „einen Stapel von
       Geld, und wo das herkommen soll, ist ziemlich unklar“, sagt Klaus Lederer.
       Der langjährige Kultursenator war im November aus der Linkspartei
       ausgetreten, [3][aus Protest gegen die Haltung des Berliner Landesverbands
       zu Antisemitismus], auch in den eigenen Reihen. Lederer mahnt auch, nicht
       nur auf sich selbst zu schauen – wer im Roten Rathaus regieren wolle, „der
       muss eine Moderations- und Ausgleichsleistung erbringen.“
       
       ## Rückzug prominenter Gesichter
       
       Auch Steffen Zillich, der erfahrenste Haushaltspolitiker der Fraktion,
       mahnt zu mehr Realitätssinn und vor einem Weg, „der in der Umsetzung in
       sich zusammenbricht“. Für ihn wie Lederer aber gilt: Beide werden der
       nächsten Abgeordnetenhausfraktion nach der Wahl 2026 nicht mehr angehören –
       Zillich, der erstmals 1991 ins Landesparlament kam, will nicht erneut
       kandidieren. Von der jetzt 20-köpfigen Fraktion wird überschlägig etwa die
       Hälfte nicht bei der Wahl antreten.
       
       Zillich und andere Haushaltsexperten führen am Nachmittag genauer aus, wie
       eine Alternative zu dem aussehen soll, was die Linksfraktion „Kahlschlag
       der schwarz-roten Koalition“ nennt. Die Grunderwerbssteuer beispielsweise
       könnte nach ihren Berechnungen jährlich 80 Millionen Euro bringen.
       
       Indem das Land eine wirtschaftliche Notlage erklärt, soll bis zu einer
       Milliarde zusätzlicher Schulden jährlich möglich sein. Konjunkturkredite
       sollen weitere 800 Millionen bringen, Wohnungsbauförderung soll zusätzliche
       500 Millionen Euro jährlich bringen. Und indem man die Tilgung der
       gegenwärtig rund 70 Milliarden Euro Schulden streckt, sollen sich 270
       Millionen Euro einsparen lassen.
       
       Was für Zillich aber auch klar ist: Um einen alternativen Weg zu
       ermöglichen, ist grundsätzlich eine Ausgabenbegrenzung nötig. Der Kurs
       müsse sein: „Ja zur Konsolidierung, Nein zur Abbruchkante.“ Als
       Abbruchkante gilt eine Situation, in der von jetzt auf gleich Gelder
       eingespart werden und beispielsweise soziale Träger ihre Arbeit einstellen
       müssen. Folgt man Zillich, geht es um ein Geschäft auf Gegenseitigkeit:
       Verzicht auf mehr Geld aus dem Haushalt gegen mittelfristige
       Finanzierungssicherheit. „Man muss Sicherheit verbreiten in so einer
       Situation“, sagt Zillich, „die Koalition hingegen verbreitet Unsicherheit.“
       
       Die frühere Landesvorsitzende Katina Schubert wirft dem Senat in der
       anschließenden Debatte vor, mit einer Olympia-Bewerbung falsche Erwartungen
       zu schüren. Wenn Berlin all seine Probleme bewältigt habe, dann sei sie gar
       nicht gegen Olympische Spiele, sagt sie – „aber Olympia ist kein Mittel, um
       die Probleme zu lösen.“
       
       (aktualisiert um 15:31 Uhr)
       
       4 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.wahlrecht.de/umfragen/landtage/berlin.htm
   DIR [2] /Verwaltungsreform/!6093215
   DIR [3] /Ist-der-Austritt-der-Linken-Politikerinnen-aus-der-Partei-gerechtfertigt/!6044886&s=alberti+antisemitismus/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
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