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       # taz.de -- Live-Folge vom taz Panter Preis Bochum: Von Leipzig bis Bonn – Gleiche Bühne, anderer Sound?
       
       > Wie ist es heute um die Einheit in der deutschen Musikszene bestellt? Ein
       > Gespräch mit den Musikern Simon Klemp und Johannes Prautzsch.
       
       In der zweiundzwanzigsten Folge „Mauerecho“ berichtet Moderator Dennis
       Chiponda [1][live von der taz-Panter-Preis-Verleihung], die diesmal in
       Bochum stattfindet. Zu Gast sind Simon Klemp alias Schimmerling,
       Rockmusiker aus Bonn, sowie Johannes Prautzsch, Gitarrist und Sänger der
       Post-Hardcore-Band Kind Kaputt. Gemeinsam sprechen sie über die Einheit von
       Ost und West in der deutschen Musikszene. Sind die Gemeinsamkeiten
       inzwischen größer als die Unterschiede? Wie verarbeiten Künstler ihre
       Identität in der Musik?
       
       Klemp, der in Bonn aufwuchs, fand erst über Umwege zur Musik: Nach
       Stationen als Schauspieler und einem Studium der Literatur und Philosophie.
       Heute wird er als „Klaus Kinski des Stadionrocks“ bezeichnet. Prautzsch,
       aufgewachsen in Leipzig, studierte an der Popakademie Mannheim, nachdem
       seine Großmutter ihn jahrelang dazu angehalten hatte, täglich Klavier zu
       üben. Obwohl er im Osten geboren wurde, fiel ihm erst im Studium im Westen
       auf, dass seine ostdeutsche Herkunft dort immer noch mit Klischees behaftet
       ist. Vorher habe er sich gefragt: Wieso ist das überhaupt noch ein Thema?
       Er berichtet, dass er irritiert gewesen sei, als viele Westdeutsche ihn
       aufforderten: „Sag doch mal was auf Ostdeutsch!“
       
       Seine ostdeutsche Identität habe er bislang nicht in seiner Musik
       verarbeitet. Stattdessen sagt er: „Ich habe teilweise versucht, meine
       ostdeutsche Identität zu verleugnen.“ In den letzten Jahren, insbesondere
       durch Bewegungen wie Pegida und Legida sowie den Aufstieg der AfD, sei in
       seinem Kopf das Bild des „Nazi-Sachsen“ entstanden, mit dem er sich nicht
       identifizieren könne. Das habe ein Schamgefühl für seine sächsische
       Herkunft ausgelöst. Er habe daher versucht, Musik zu schreiben, als sei er
       aus Baden-Württemberg.
       
       ## Deutsches Identitätsgefühl
       
       Für Klemp als Westdeutschen spielten die Kategorien Ost und West beim
       Aufwachsen keine besondere Rolle; viel präsenter seien für ihn regionale
       Unterschiede gewesen. Chiponda merkt an, dass gerade aus westdeutscher
       Perspektive oft übersehen werde, welche abwertenden Erfahrungen Ostdeutsche
       teilweise immer noch machen, wenn angenommen wird, es gäbe keine
       Unterschiede mehr zwischen Ost und West. Er fragt seine Gäste: Gibt es eine
       gemeinsame deutsche Identität? Ein positives Deutschsein?
       
       Prautzsch bewertet den deutschen Einheitswillen auch im europäischen
       Kontext sowie den Sinn für Ordnung und Struktur positiv. Klemp hingegen
       fällt es schwer, eine einheitliche deutsche oder zentraleuropäische
       Identität zu erkennen. Vielmehr kritisiert er die gesellschaftliche
       Vereinzelung sowie das mangelnde politische Engagement, etwa beim Thema
       Klimakrise.
       
       Gibt es Unterschiede zwischen den Musikbranchen in Ost und West? Prautzsch
       habe in Mannheim festgestellt, dass im Gegensatz zu Sachsen nicht nur
       klassische, sondern auch kommerzielle Musik auf hohem Niveau staatlich
       gefördert wird. Im Osten hingegen fehle nach dem Systemwechsel das
       Know-how, Musik auch wirtschaftlich erfolgreich zu machen. Nach wie vor
       gebe es dort kaum Musiklabels. Klemp ergänzt, dass sich aber auch im Westen
       die kommerzielle Musikszene auf wenige Orte wie Mannheim und Hamburg
       konzentriere. „In Bonn gibt’s nur Beethoven, alles andere wird
       sanktioniert!“, witzelt er. Es sei jedoch eine universelle Erfahrung in der
       Popmusik, dass man zu Beginn seiner Karriere gegen Widerstände ankämpfen
       müsse.
       
       „Mauerecho – Ost trifft West“ ist ein Podcast der [2][taz Panter Stiftung].
       Er erscheint jede Woche Sonntag auf [3][taz.de/mauerecho] sowie überall, wo
       es Podcasts gibt. Besonderen Dank gilt unserem Tonmeister Daniel Fromm.
       
       6 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.youtube.com/watch?v=m69YQQ6sOWc
   DIR [2] /stiftung
   DIR [3] /Podcast-Mauerecho/!t6064118
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dennis Chiponda
       
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