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       # taz.de -- Queeres Filmfest in der Republik Moldau: Dass die Liebe möglich ist
       
       > Beim Filmfestival Queer Voices in Chișinău geht es um mehr als Kino. Die
       > dort vertretene Kunst wird durch reaktionäre Kräfte unterdrückt, auch
       > Putin mischt mit.
       
   IMG Bild: Bei Queer Voices geht es um Liebe in all ihren Formen
       
       Es ist heiß und stickig. Die mehrere Dutzend Besucher:innen, die auf
       Klappstühlen Platz genommen haben, schwitzen. Manche haben Fächer dabei.
       Die Fenster sind mit bunten Tüchern abgedunkelt. Im improvisierten Kinoraum
       ist vorne das Logo von Queer Voices 2025 projiziert – ein blauer Mund mit
       rosafarbener ausgestreckter Zunge, die von einem Zahnstocher mit Olive
       durchbohrt ist.
       
       Vom 10. bis 13. Juli fand in der moldauischen Hauptstadt Chișinău die
       insgesamt siebte Ausgabe des internationalen queeren Filmfestivals statt –
       im ehemaligen Ethnografischen Museum im Zentrum der Stadt, das seit etwa 15
       Jahren als Atelierraum für Künstler*innen und als alternativer
       Treffpunkt dient. An der Wand kleben wild zusammengestellte Kunstwerke und
       Glitter, eine Bar gibt es nicht. Nach einem Begrüßungssekt holt man sich
       die Getränke im Supermarkt gegenüber.
       
       Die Moderatorin Stella kündigt enthusiastisch auf Englisch das
       Eröffnungsprogramm an diesem Donnerstagabend an. Los geht es mit einem
       Auftritt des neu gebildeten Queer Choir. Die in Schwarz gekleideten
       Sänger*innen führen unter anderem den Hit „Believe“ auf, der für
       Standing Ovations und begeisterte Rufe aus dem Publikum sorgt. Bei Queer
       Voices geht es um mehr als Film – es geht darum, in einem sicheren Rahmen
       und gemeinsam Liebe in allen ihren Formen ausleben zu dürfen. Und die liegt
       an diesem Abend deutlich spürbar in der Luft.
       
       Man wolle eine Plattform schaffen, um queeren Stimmen Gehör zu verschaffen
       und Künstler*innen mit verschiedenen sexuellen Orientierungen und
       Geschlechtsidentitäten einzubinden, heißt es vonseiten des Festivals. Immer
       noch würden queere Menschen in der Republik Moldau durch religiöse Dogmen
       und patriarchalische Werte unterdrückt, wodurch es kaum einen queeren
       kulturellen Diskurs gebe. Und das will das Festival ändern.
       
       ## Organisiert von einer moldauischen NGO
       
       Der Botschafter der Niederlande, als Einzige*r im Anzug erschienen, hält
       eine knappe Rede. Er dankt dem Festivalteam und den Besucher*innen
       dafür, dass sie ihr Land zu einem besseren Ort machen möchten, und wünscht
       viel Spaß. Die Niederlande stellen Mittel für das Festival bereit – wie
       auch das Nationale Filmzentrum Moldau (CNC) und der New Democracy Fund.
       Dabei handelt es sich um eine staatliche dänische Organisation, die
       zivilgesellschaftliche Initiativen in Osteuropa fördert. Organisiert wird
       das Festival von Moldox, einer 2017 gegründeten moldauischen NGO, die mit
       engagierten Dokumentarfilmen positive gesellschaftliche Veränderungen
       anstrebt.
       
       Am ersten Festivalabend läuft unter anderem der brasilianische
       Dokumentarfilm „This Is Ballroom“ aus dem vergangenen Jahr. Dieser Film von
       Vitã Juru, bei dem es um die [1][queere Ballroomszene] von Rio de Janeiro
       geht, sprüht vor Energie und Leidenschaft. Neben dem Filmprogramm, das auch
       osteuropäische Newcomerfilme umfasst, gibt es eine Fotoausstellung,
       Partys, Workshops, eine Dragshow und vor allem viele Gespräche.
       
       Projektmanagerin Lorelei Grigoriță, die zudem das in denselben
       Räumlichkeiten ansässige Queer Café organisiert, zeigt sich der taz
       gegenüber zufrieden: „Das Beste an diesem Jahr waren für mich die
       Ergebnisse der Workshops, das Filmemachen, das Theater und der
       Dragworkshop. Ich fand es toll, wie wir uns dort näher gekommen sind, und
       war von den Ergebnissen begeistert.“
       
       Die Prideparade in Chișinău Mitte Juni habe sie besucht, es sei
       herausfordernd gewesen. Es gab zahlreiche Gegendemonstrant*innen,
       darunter konservative Christ*innen. Prorussische Akteure mobilisieren in
       der Republik Moldau seit Jahren gezielt gegen LGBTQ-Personen, die angeblich
       sogenannte traditionelle Werte gefährden. Sie sehen die ehemalige
       Sowjetrepublik als russische Einflusssphäre an, obwohl im vergangenen
       [2][Herbst eine knappe Mehrheit der Wähler*innen bei einem Referendum]
       für die Festschreibung des EU-Beitritts in die moldauische Verfassung
       gestimmt hat.
       
       ## Russlands unlautere Mittel
       
       Im September stehen in der Republik Moldau Parlamentswahlen an, und obwohl
       der Wahlkampf offiziell noch nicht begonnen hat, ist die Stimmung
       angespannt. Deshalb gibt es dieses Jahr auch Security beim Filmfestival.
       Bisher war das nicht nötig gewesen. Grigoriță sagt: „Die
       Sicherheitsvorkehrungen hängen damit zusammen, dass wir uns kurz vor den
       Wahlen befinden und einige der Parteien eine starke Anti-LGBTQ-Agenda
       verfolgen. Wir wollten jegliche Einmischung von ihrer Seite vermeiden,
       damit das Festival reibungslos ablaufen kann.“
       
       Russland möchte mit unlauteren Mitteln wie direkten Geldzahlungen an
       Wähler*innen und Demonstrant*innen und kostenlosen Vergnügungsparks
       die Stimmung im Land kippen. Aber schon jetzt hat es viel Einfluss, vor
       allem in den autonomen moldauischen Landesteilen Gagausien und
       Transnistrien. Letzteres erklärte 1990 seine Unabhängigkeit, wird aber bis
       heute von der internationalen Gemeinschaft als Teil der Republik Moldau
       betrachtet. Nicht einmal Russland selbst, das dort „Friedenstruppen“
       stationiert hat, [3][erkennt Transnistrien] als unabhängiges Land an. Mit
       Menschenrechten sieht es dort freilich schlecht aus.
       
       Just am Mittwoch verabschiedete der Oberste Rat in der transnistrischen
       Hauptstadt Tiraspol ein Gesetz nach russischem Vorbild, das sogenannte
       LGBTQ-Propaganda, Geschlechtsumwandlungen und Aussagen, die als Bedrohung
       der Familienwerte angesehen werden können, mit Geld- und Gefängnisstrafen
       sanktioniert. Der Kreml führt in Moldau einen Kulturkampf – die „russische
       Welt“ gegen „Gayropa“. Man will hoffen, dass Letzteres gewinnt.
       
       21 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Yelizaveta Landenberger
       
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