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       # taz.de -- Effekte der Klimakrise: Stärkere Allergien, mehr Betroffene
       
       > Mit der Erderhitzung steigt die Zahl derer, die von Allergien betroffen
       > sind – und die Intensität. Eine Medizinerin erklärt, woran es liegt.
       
   IMG Bild: Gräserpollen, Birke, Haselnuss und andere können bei Betroffenen schwere Symprome verursachen
       
       Berlin taz | Ein Pollenflug fegte durch Europa dieses Frühjahr, der Nasen
       laufen und Augen jucken ließ auch von Menschen, die bislang keinen
       Heuschnupfen hatten. Bereits vor zwei Jahren sprach das
       Robert-Koch-Institut in einem [1][Bericht] von einem „epidemischen Niveau“,
       das die sogenannten Inhalationsallergien erreicht hätten.
       
       Jährlich entstünden in der EU allergiebedingte Schäden in Höhe von 151
       Milliarden Euro, weil Beschäftigte nicht arbeitsfähig seien und ärztlich
       versorgt werden müssen, ergänzt die Umweltmedizinerin der Universität
       Augsburg, Claudia Traidl-Hoffmann: „Mehrere Faktoren bedingen die
       zunehmenden allergischen Symptome. Allen voran gibt es einfach immer mehr
       Pollen und die Pollen werden aggressiver.“
       
       Das europäische [2][Copernicus-Programm zur Überwachung der Erdatmosphäre]
       stellte dieses Jahr im Mai ein Rekordhoch an Birkenpollen fest,
       hauptsächlich im Nordosten Europas. Dadurch seien Symptome auch bei
       Personen aufgetreten, die keine bekannten Allergien hätten. Laut
       RKI-Bericht steht dies im Zusammenhang mit klimaschädlichen Emissionen.
       
       Zum einen verlängerten die tendenziell immer früher einsetzenden
       Frühlingstage infolge des Klimawandels die Phase des Pollenflugs und
       damitdas Pollenaufkommen in der Luft. Zum anderen führe die Klimaerwärmung
       auch dazu, dass sich die sogenannten Mastjahre der Bäume häuften. In diesen
       produzierten Bäume besonders viel Pollen. Auch Arten, die in der Regel
       selten Allergien auslösten, wie etwa Eiche und Buche, hätten so ein
       größeres Potenzial Kreuzallergien zu verursachen.
       
       ## Nebeneffekte der CO₂-getriebenen Erderwärmung belasten die Luft
       zusätzlich
       
       Traidl-Hoffmann erklärt zudem, was es mit den aggressiveren Pollen auf sich
       hat: „Ozon und Kohlenstoffdioxid in der Luft lösen bei dem Pollen eine
       Schutzreaktion aus und er setzt mehr Eiweiß frei, worauf wir wiederum
       allergisch reagieren.“ Außerdem gelte ganz grundsätzlich, dass solche
       Schadstoffe die Schleimhäute und Atemwege reizten und dadurch unsere
       Abwehrfähigkeit schwächten.
       
       Wer in Gegenden mit hohem Verkehrsaufkommen oder industriebedingten
       CO₂-Emissionen wohnt, ist besonders großen Risiken ausgesetzt. Zwar zeigen
       Zahlen des [3][Umweltbundesamts], dass die Schadestoffbelastung der Luft in
       den letzten 25 Jahren insgesamt zurückgegangen ist. Doch die CO₂-Emissionen
       werden Prognosen zufolge bereits in drei Jahren so hoch sein, dass eine
       Erderwärmung um 1,5 Grad nicht mehr zu vermeiden ist. Letzteres zeigte der
       im Juni veröffentlichte Bericht „[4][Indicators of Global Climate Change]“.
       
       Weitere Nebeneffekte der CO₂-getriebenen Erderwärmung belasten die Luft
       zusätzlich. Die Copernicus-Analysen zeigen, dass der Nordwesten Europas im
       April von Waldbränden heimgesucht wurde, deren Ausmaß etwa in den
       Niederlanden bislang beispiellos gewesen sei. Zudem seien Rauchschwaden aus
       Waldbränden von außergewöhnlicher Hitze und Intensität in Kanada über den
       Jetstream bis nach Europa transportiert worden.
       
       ## Immer weniger Kontakt mit Mikroben
       
       Zusätzlich zu aggressiveren Umweltreizen schwinden laut Traidl-Hoffmann
       auch unsere Abwehrfähigkeiten. Der enorme Biodiversitätsverlust, den unser
       Lebensstil verursache, führe der Umweltmedizinerin zufolge dazu, dass
       Menschen, insbesondere in Städten, mit immer weniger Mikroben in Kontakt
       kämen, die für das Immunsystem jedoch von großer Bedeutung seien.
       
       Und: Auch eine gesunde Ernährung, so Traidl-Hoffmann, sei maßgeblich für
       ein gutes Immunsystem. Wenngleich erst seit diesem Jahr erstmalig Daten zu
       Ernährungsarmut erhoben werden sollen, schätzte die Deutsche Gesellschaft
       für Ernährung im letzten Jahr, dass rund 3 Millionen Menschen davon
       betroffen sind.
       
       21 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.rki.de/EN/News/Publications/Journal-of-Health-Monitoring/GBEDownloadsJ/Focus_en/JHealthMonit_2023_S4_Allergies_climate_change_health.pdf?__blob=publicationFile&v=1
   DIR [2] https://atmosphere.copernicus.eu/cams-air-boreal-spring-2025
   DIR [3] https://www.umweltbundesamt.de/themen/luft/daten-karten/entwicklung-der-luftqualitaet#entwicklung-der-luftqualitat-in-deutschland
   DIR [4] https://essd.copernicus.org/articles/17/2641/2025/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eva Kaiser
       
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