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       # taz.de -- Verlässlichkeit und globale Politik: Stabilität schaffen
       
       > In einer unübersichtlichen Welt bekommen verlässliche Partnerschaften
       > eine größere Bedeutung. Wie Deutschland das für sich erreichen kann.
       
   IMG Bild: Augen auf beim Handshake! Weder Trump noch Putin sind verlässliche Partner
       
       Verlässlichkeit in der internationalen Politik ist ein rares Gut. Der
       russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die Hoffnung auf
       verlässliche Beziehungen zu Moskau beerdigt, die Rückkehr von Donald Trump
       ins Weiße Haus hat [1][das transatlantische Verhältnis] massiv ins Wanken
       gebracht. Angesichts einer internationalen Ordnung, die sich in einem
       Wandel mit noch offenem Ende befindet, entwickeln sich die Beziehungen
       zwischen Staaten dynamischer als zuvor. Umso wichtiger ist in diesem Umfeld
       die Verlässlichkeit bilateraler Partnerschaften.
       
       Vor allem für eine Handelsnation wie Deutschland stellt dies eine
       gravierende Herausforderung dar. Zu Recht postuliert die Nationale
       Sicherheitsstrategie der Bundesregierung, dass Deutschland auf verlässliche
       Partnerschaften angewiesen ist, um international die eigenen Interessen
       verfolgen zu können. Daher ist es umso wichtiger, Klarheit darüber zu
       finden, was die Verlässlichkeit eines Partners ausmacht. Jedoch dominiert
       in Berlin ein wenig differenziertes Verständnis von Verlässlichkeit, das im
       Wesentlichen auf historischen Pfadabhängigkeiten beruht.
       
       So reichte das abstrakte Bekenntnis sukzessiver US-Administrationen zu
       einer „regelbasierten Weltordnung“, „freiem Welthandel“ und der Nato
       jahrzehntelang als Beleg für die vermeintliche Verlässlichkeit der USA aus
       – ungeachtet der diversen Alleingänge, die die Regierung in Washington auf
       internationaler Bühne unternahm. Ebenso verhallten Warnungen vor dem
       wachsenden Neoimperialismus Russlands. Offenkundige Brüche wie [2][Trumps
       „America first“-Handelspolitik] oder Putins Invasion in die Ukraine treten
       daher scheinbar plötzlich und überraschend auf.
       
       Wenn sich selbst langjährige und enge Verbündete als unzuverlässig
       erweisen, wird die Suche nach Alternativen dringlicher. Dafür ist es
       allerdings unabdingbar, sich darüber klar zu werden, woran die
       Verlässlichkeit eines Partners erkannt werden kann. Daher sollte die
       Bundesregierung sich nicht auf vermeintliche Gewissheiten verlassen, die in
       die Irre führen können, sondern sowohl die Bewertung bestehender als auch
       die Exploration neuer Partnerschaften strukturierter und systematischer
       angehen.
       
       Wir schlagen hierfür ein Verständnis von Verlässlichkeit vor, das
       holistisch, dynamisch und relational ist. Holistisch, weil es das Verhalten
       eines Staates gegenüber verschiedenen Akteuren und über unterschiedliche
       Politikfelder hinweg untersucht. Zusätzlich wird erfasst, wie ein Staat
       seine Interessen, sein regionales Umfeld und mögliche Bedrohungen
       wahrnimmt. Dynamisch, weil es über einen längeren Zeitraum beobachtet, wie
       sich die Verlässlichkeit eines Staates entwickelt. Und relational, weil es
       die Verlässlichkeit in einer Partnerschaft nicht nur bei einem Akteur
       verortet, sondern in den Blick nimmt, wie beide Partner zusammen
       Verlässlichkeit schaffen – oder diese unterminieren.
       
       Deutschland selbst hat Einfluss darauf, wie verlässlich sich eine
       Partnerschaft gestaltet. Daher sollte Deutschland kontinuierlich prüfen, ob
       das eigene Verhalten hinreichend verlässlich ist. Bei der Bewertung
       beziehungsweise der Exploration von bilateralen Partnerschaften geht es um
       die Frage, inwiefern das Verhalten eines Partners mit den Vereinbarungen
       übereinstimmt, die der Partnerschaft zugrunde liegen. Bei Staaten, mit
       denen bereits eine Partnerschaft besteht, kann (und sollte) eine
       entsprechende Prüfung regelmäßig erfolgen. Anders bei Staaten, mit denen
       eine Partnerschaft erst eingegangen werden soll: Hier lassen sich
       Schlussfolgerungen aus der Analyse von Partnerschaften ziehen, die diese
       „Wunschpartner“ bereits mit anderen Staaten pflegen, sowie aus ihrem
       Verhalten in internationalen Organisationen.
       
       Zum anderen müssen relevante Akteurs- und Strukturmerkmale aktueller und
       potenzieller Partnerstaaten in die Analyse einbezogen werden. Dazu gehören
       beispielsweise weltanschauliche Vorstellungen und Interessen, die im
       Partnerstaat dominieren, sowie der Blick aus dem Partnerstaat auf die
       Kooperation mit Deutschland. Aber auch die vorherrschenden politischen,
       ökonomischen und sozialen Strukturen sowie das regionale Umfeld, in dem der
       Partnerstaat agiert, müssen kontinuierlich beobachtet und bewertet werden.
       
       Neben methodischer Differenzierung ist auch eine intensivere und
       innovativere Zusammenarbeit in der Regierung empfehlenswert. Das beginnt
       bei einer ressortübergreifenden Herangehensweise an Partnerschaften, die
       momentan nicht systematisch erfolgt. Wir empfehlen daher, eine Plattform
       einzurichten, die ein gemeinsam erstelltes und gepflegtes Profil der
       bilateralen Beziehungen für jeden Staat enthält, mit dem Deutschland
       Partnerschaften eingegangen ist. Der Zugriff darauf sollte regierungsweit
       möglich sein. In einer Datenbank sollten zudem grundlegende Informationen
       über Staaten vorgehalten werden, die für eine künftige Partnerschaft in
       Frage kommen könnten.
       
       ## Deutschland ist nicht allein
       
       Darüber hinaus wären ein kontinuierliches Monitoring sowie das regelmäßige
       und antizipative Überprüfen bilateraler Partnerschaften empfehlenswert.
       Gerade weil sich Partnerschaften zwischen Staaten in einem fluideren
       internationalen Umfeld dynamischer entwickeln können, ist es notwendig, die
       Verlässlichkeit des Gegenübers regelmäßig zu überprüfen.
       
       Deutschland steht nicht allein vor diesen geopolitischen Herausforderungen.
       Viele Staaten des politischen Westens, aber auch aufstrebende Nationen in
       [3][Asien, Afrika und Lateinamerika] teilen das Interesse an verlässlichen
       internationalen Regelwerken, friedlicher Konfliktlösung und
       wirtschaftlicher Zusammenarbeit. Die schwarz-rote Bundesregierung hat jetzt
       die Möglichkeit, die Grundlagen für eine strategischere
       „Partnerschaftspolitik“ zu legen, um auf die künftigen ordnungspolitischen
       Herausforderungen besser reagieren zu können.
       
       22 Jul 2025
       
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