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       # taz.de -- Russische Propaganda für Kinder: Ideologie im Sandkasten
       
       > In Russland wird jetzt auch Kinderfernsehen zur ideologischen Waffe. Wie
       > Russland seine Jüngsten mit Propaganda füttert – auch in
       > Zeichentrickform.
       
   IMG Bild: Russland setzt mit der Gehirnwäsche früh an: Screenshot einer Kindersendung des Ideologen Solowjow
       
       Moskautaz | Wie putzig er doch daherkommt! Blaue Kulleraugen, blondes Haar,
       helle Pausbäckchen. Er trägt einen Judoanzug und hat einen Plüschbären zu
       seiner Rechten und ein Spielzeugschiff zu seiner Linken. Putin, der
       Niedliche. In dieser bizarren Form soll Russlands Präsident als süße – und
       sehr vernünftig wirkende – Animationsfigur bereits den Kleinsten in
       Russland „[1][Geopolitik] gleich der Muttermilch“ erklären.
       
       Neben sich mal Trump und Macron, mal Erdoğan und Kim, mal Xi, Merz, von der
       Leyen, Meloni oder Selenskyj, ebenfalls in Zeichentrickform. [2][Die
       Westler] stolpern herum, verheddern sich, machen sich stets zutiefst
       lächerlich.
       
       „Politisches Bewusstsein fängt im Windelalter an“, das sagt Russlands
       Extrem-Talker Wladimir [3][Solowjow]. Und: „Der Patriotismus muss bereits
       den Kleinsten anerzogen werden, schon vor der Grundschule. Lasst uns
       Kinderfernsehen neu denken!“
       
       Solowjow, der Kreml-Propagandist, hat das Kinderfernsehen im Einklang mit
       Russlands Indoktrinationsmaschine, die alles Zweifelnde, Kritische,
       Vielfältige niederwalzt, nun offenbar neu gedacht. Herausgekommen ist
       „Pessotschniza“, der „Sandkasten“ für die Vernebelung von Kinderhirnen.
       „Nachrichten, bevor die Kleinen anfangen, Mama zu sagen“, heißt das beim
       61-jährigen ausgebildeten Hütteningenieur, der es wie kaum ein anderer im
       Land beherrscht, sich nach dem Wind zu drehen, der in Russland weht.
       
       Er war einst in der Wirtschaft aktiv, auch in den USA, dann beim liberalen
       Radio in Moskau, nun ist er praktisch täglich auf Sendung, im Radio, im
       Fernsehen, auf RuTube und YouTube.
       
       Hier brüllt er gern wie ein Berserker über die „westlichen Satanisten, die
       mittels der Ukraine versuchen, Russland zu zerstören“ und ruft öfter zu
       „regelwidrigen Lösungen“ auf, die für den „russischen Sieg genau das
       Richtige“ seien.
       
       ## Das „friedfertige Russland“
       
       Wie Beschwörungssitzungen wirken seine Sendungen im hell ausgeleuchteten
       Studio, wo auch seine Gäste in ähnlich verhasstem Ton Standardfloskeln vom
       „friedfertigen Russland“ und dem „verrohten Westen“ vor sich her raunen.
       
       Beim Projekt SolowjowKids, wo alle zwei Wochen eine neue
       „Pessotschniza“-Folge erscheint, ist die Machart eine andere. Fast schon
       lieblich kommen die Sandkastenspiele daher. Der Inhalt aber ist derselbe:
       Hier das liebe, besonnene Russland, dort der böse, dumpfe Westen. Trump,
       mit Haartolle und im Anzug, hockt in einem vergoldeten Zimmer und popelt in
       der Nase herum, Kim spielt mit einer Rakete, Selenskyj wälzt sich im Dreck
       und schielt nach Bonbons.
       
       Es soll leicht wirken und die Kleinsten auf wenigen Minuten davon
       überzeugen, wie feindlich der Westen sei, wie lächerlich sich westliche
       Politiker benähmen und wie perfekt Russland alles meistere. Demokratie?
       „Ein komisches Ding.“ Verträge? „An Regeln hält sich niemand.“
       
       In den Augen von Solowjow ist das „Politik für alle, die noch Milchzähne
       haben“. Die Trump-Figur macht dabei, was sie will, während alle anderen um
       sie herum scharwenzeln und auf die Knie gehen. Hier wird das offizielle
       Narrativ des Kreml in bunte Farben verpackt und mit herzig dreinblickenden
       Animationsfiguren ausgestattet.
       
       Letztlich ein kluges System, um seine Ziele zu erreichen: jeden im Land zum
       loyalen Untertan zu formen. Die Kleinsten können sich, da sie sich nicht
       vorstellen können, dass Erwachsene ihnen Böses wollen, von der Gehirnwäsche
       kaum lösen. Das, was ihnen in jungen Jahren eingeflößt wird, begleitet sie
       in den meisten Fällen auch als Erwachsene weiter.
       
       Das haben etliche Universitätsuntersuchungen, über Jahre hinweg,
       nachgewiesen. Kinder tragen die Ideologie stärker und tiefer in sich weiter
       als Erwachsene, die ihnen diese Ideologie nahegebracht haben. Auch dann
       noch, wenn die Ideologie sich eines Tages als fragwürdig herausstellt.
       
       ## Mehr als eine Million Kinder marschieren mit
       
       Die „patriotische Erziehung“ ist seit Jahren ein fester Bestandteil in
       Schule und Freizeit im Land. Da ist zum Einen die „Junarmija“, die 2016 auf
       Putins Erlass hin gegründete Jugendarmee, in der junge Menschen lernen
       sollen, „Russland mit der Waffe in der Hand zu verteidigen“, wie es der
       damalige Verteidigungsminister Sergei Schoigu bei der Gründung sagte.
       
       Bereits mit acht Jahren werden Mädchen wie Jungen hier aufgenommen,
       manchmal treten ganze Klassen bei, von Armeeangehörigen und Beamt*innen
       wird zuweilen erwartet, dass sie ihren Nachwuchs in der Organisation
       anmelden. Mehr als eine Million Kinder marschiert mittlerweile bei der
       „Junarmija“ mit.
       
       Zum anderen lernen bereits Drittklässler*innen seit bald drei Jahren im
       Schulfach „Gespräche über Wichtiges“, welch „großes Glück“ es sei, „für die
       Heimat zu sterben“. „Ideologische Erziehungsarbeit“ ist, wie bereits zu
       Sowjetzeiten, wieder Teil des Schulstoffs.
       
       Dazu gehören das montägliche Hissen der Fahne und das Singen der russischen
       Hymne, aber auch Geschichtsunterricht ab der ersten Klasse. „Gespräche über
       Wichtiges“ werden nun auch sukzessive in den Kindergärten eingeführt.
       
       Denn die „grundlegenden Werte“ und das „Konzept des Vaterlandes“, so sagte
       es Putin bei einer Veranstaltung im vergangenen Jahr, müssten bereits
       Vorschulkindern beigebracht werden.
       
       Zeichentrickfilme haben es da noch leichter, den Jüngsten Propaganda in
       verdaulichen Häppchen nahezubringen. Nicht nur Solowjow tritt da in
       Erscheinung, auch das einst sowjetische Kinostudio Sojusmultfilm prescht
       mit Ideen vor: Im bekannten sowjetischen Zeichentrickfilm „Die drei aus
       Prostokwaschino“ über den Jungen namens „Onkel Fjodor“, der mit Hund
       Scharik und Kater Matroskin von zu Hause auszieht – 2018 neu auferlegt –,
       soll bald ein animierter Putin zu Besuch kommen.
       
       Die Chefin von Sojusmultfilm ist hochauf begeistert über ihren Clou:
       „Matroskin und Putin wären ein wunderbares Duo.“ Wie putzig!
       
       21 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Inna Hartwich
       
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