# taz.de -- Journalisten hungern in Gaza: „Wir weigern uns, mit anzusehen, wie sie sterben“
> Die Gewerkschaft der Nachrichtenagentur AFP veröffentlicht einen
> Hilferuf. Denn ihre Kollegen in Gaza könnten dort bald verhungern.
IMG Bild: Wegen israelischer Blockade sind über zwei Millionen Menschen vom Hungertod bedroht: Palästinenser bei Essens-Ausgabe im Juli 2025
Wenn ein Mensch nichts mehr zu essen bekommt, dann greift der Körper zuerst
auf die Kohlenhydrate in Leber und Muskeln zurück. Nach ein paar Tagen
beginnt er, die Fettreserven anzuzapfen und kurze Zeit später das
körpereigene Eiweiß: Um Energie zu gewinnen, werden die inneren Organe und
die Muskeln abgebaut, was auch das Immunsystem und das Herz schwächt. Meist
stirbt der Mensch dann an Kreislaufzusammenbruch, Infektionen oder
Herzversagen.
Durch die israelische Blockade und die Zerstörung von Gaza ist laut der UN
die gesamte Bevölkerung von über zwei Millionen Menschen vom Hungertod
bedroht. Darunter sind auch Journalisten der Agence France-Presse, wie die
Gewerkschaft der französischen Nachrichtenagentur [1][in einem Hilferuf] am
Montag mitteilte.
„Seit der Gründung der AFP im August 1944 haben wir Journalisten in
Konflikten verloren, wir haben Verletzte und Gefangene in unseren Reihen
gehabt, aber niemand von uns erinnert sich, einen Kollegen verhungern haben
zu sehen“, schrieb die Gewerkschaft SDJ. Die Leitung der AFP schloss sich
dem Schreiben in einem Post an, man teile die Angst ob der schrecklichen
Situation der Kollegen in Gaza.
Die israelische Regierung verweigert internationalen Journalisten nach wie
vor den Zugang zum Gazastreifen. Laut der Gewerkschaft arbeitet die AFP
deshalb mit zehn lokalen Text-, Foto- und Videojournalisten zusammen.
Einer von ihnen ist der 30-jährige Fotograf Bashar. „Ich habe keine Kraft
mehr, um für die Medien zu arbeiten. Mein Körper ist dürr und ich kann
nicht mehr arbeiten“, schrieb er am Samstag auf Facebook.
Am Sonntag postete er: „Zum ersten Mal fühle ich mich besiegt.“ Laut dem
Statement lebt Bashar seit Februar in den Ruinen seines Hauses in
Gaza-Stadt, zusammen mit seiner Mutter, vier Geschwistern und der Familie
eines seiner Brüder. Ein Bruder sei bereits verhungert. Bashar, so heißt
es, habe seine Kollegen um Hilfe gebeten und auch an Frankreichs Präsident
Emmanuel Macron appelliert, ihm bei der Ausreise aus Gaza zu helfen.
## Die Kräfte verschwinden
Eine andere Journalistin, Ahlam, lebt laut der SDJ im Süden des
Küstenstreifens. Sie will dort bleiben, solange es geht, um Zeugnis
abzulegen. „Jedes Mal, wenn ich das Zelt verlasse, um über ein Ereignis zu
berichten, ein Interview zu führen oder einen Fakt festzuhalten, weiß ich
nicht, ob ich lebendig zurückkehren werde“, sagte sie laut der Mitteilung.
Das größte Problem seien die Nahrungs- und Wasserknappheit. Trotz der
monatlichen Gehälter könnten sich die Journalisten kein Essen kaufen oder
nur zu exorbitanten Preisen, schreibt die SDJ. Wer mit dem Auto losfahre,
laufe dadurch Gefahr, zur Zielscheibe der israelischen Armee zu werden. Die
Reporter der AFP rückten deshalb zu Fuß aus oder mit einem Eselkarren.
Nach den Statements der Gewerkschaft und der AFP äußerte sich am Dienstag
der französische Außenminister Jean-Noel Barrot. „Ich verlange, dass freie
und unabhängige Presse nach Gaza gelassen wird, um zu zeigen und zu
berichten, was dort passiert“, sagte Barrot dem Radiosender France Inter.
Er bekundete seine Hoffnung, die freien Mitarbeiter französischer
Journalisten „in den kommenden Wochen“ zu evakuieren, und sprach sich für
einen sofortigen Waffenstillstand aus. Frankreich hat sich – im Gegensatz
zu Deutschland – einem Aufruf von 25 Staaten angeschlossen, der Israel für
seinen Krieg kritisiert und ein Ende desselben fordert.
Genozidforscher und internationale Organisationen werfen Israel vor, an
den Palästinensern in Gaza einen Völkermord zu begehen. Unter den über
61.000 bestätigten Todesopfern sind über 170 Journalisten. In manchen
Fällen hat die israelische Armee zugegeben, [2][bewusst Pressevertreter ins
Visier zu nehmen], die sie als Terroristen brandmarkt.
Die AFP will nun verhindern, dass ihre Mitarbeiter auf der Liste der Toten
landen. „Wir sehen, wie sich ihre Lage verschlechtert. Sie sind jung, aber
ihre Kräfte schwinden“, schreibt die Gewerkschaft SDJ. Und fügt an: „Wir
weigern uns, mit anzusehen, wie sie sterben.“
22 Jul 2025
## LINKS
DIR [1] https://x.com/SDJ_AFP/status/1947299808948973795/photo/1
DIR [2] https://www.aa.com.tr/en/analysis/opinion-idfs-admission-that-it-targeted-a-journalist-exposes-crude-attempt-to-control-war-narrative/3297535
## AUTOREN
DIR Leon Holly
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