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       # taz.de -- Prozess gegen Querdenken-Gründer: Staatsanwaltschaft fordert drei Jahre Haft
       
       > Die Staatsanwaltschaft sieht den Querdenker-Chef Michael Ballweg des
       > versuchten Betrugs in 9.450 Fällen schuldig. Die Verteidigung fordert
       > Freispruch.
       
   IMG Bild: Der Angeklagte Michael Ballweg steht in einer Verhandlungspause in einem Foyer des Landgerichts Stuttgart
       
       Stuttgart taz | Geht es nach der Staatsanwaltschaft, dann drohen dem
       Querdenker Michael Ballweg drei Jahre Haft. So forderte sie es in ihrem
       Plädoyer am Dienstag im Verfahren wegen versuchten Betrugs und
       Steuerhinterziehung. [1][Der ehemalige IT-Unternehmer muss sich vor dem
       Stuttgarter Landgericht wegen des Vorwurfs des versuchten Betrugs in 9.450
       Fällen und Steuerhinterziehung verantworten.] Ballwegs Verteidiger
       verlangten dagegen einen Freispruch und eine Entschädigung für 279 Tage
       Untersuchungshaft, die Ballweg abgesessen hatte.
       
       2020 war Ballweg bei den Coronaprotesten schnell zur Galionsfigur geworden.
       Er hatte zunächst Demonstrationen in Stuttgart organisiert, später die
       [2][Bewegung aus Coronakritikern und -leugnern, Reichsbürgern und
       QAnon-Anhängern bundesweit vernetzt]. Nach Zeugenaussagen in dem Prozess
       sind alle finanziellen Vorgänge über Konten gelaufen, die allein Ballweg
       kontrollierte. Zudem habe er über das von ihm erstellte einheitliche
       Corporate Design gewacht, Demo-Organisatoren mussten ein Starterkit bei ihm
       erwerben. Ballweg habe vom Verkauf von Merchandising-Produkten profitiert.
       
       Ab Mai 2020 habe er auf Demonstrationen dann gezielt um Schenkungen
       geworben. Diese sollten nach seinen Angaben der Bewegung zugutekommen.
       Ballweg beteuerte stets, ehrenamtlich zu arbeiten. Die Staatsanwaltschaft
       hält das für eine Lüge. Akribisch listete sie in ihrem Plädoyer
       Kontobewegungen auf, darunter über 15.000 Euro an die Stiftung der Familie,
       die nur zum Vermögenserhalt der Ballwegs bestand. Auch eine Schneiderin,
       die Ballwegs Wanderhosen gekürzt hat, sei über das Querdenken-Konto bezahlt
       worden.
       
       Ballwegs Verteidiger verlangten dagegen Freispruch und Entschädigung für
       279 Tage Untersuchungshaft, die Ballweg abgesessen hat. Sein Anwalt
       Reinhard Löffler, der auch für die CDU im Landtag sitzt, sagte mit Blick
       auf die staatlichen Coronamaßnahmen 2020 und 2021: Manchmal brauche es
       „Menschen wie Ballweg, die dem Staat die Stirn bieten“. Er habe weder
       Querdenken zum Geschäftsmodell gemacht, noch bewusst versucht, Steuern zu
       hinterziehen. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft bestünden aus
       „Vermutungen, Spekulationen und Unterstellungen“.
       
       ## Richterin regte Verständigung an
       
       Es kommt nicht oft vor, dass diametral unterschiedliche Einschätzungen von
       Staatsanwaltschaft [3][und der urteilenden Kammer so offen ausgetragen
       werden]. Zunächst hatte das Landgericht die Anklage der Staatsanwaltschaft
       nicht in vollem Umfang zugelassen. Den Vorwurf der Geldwäsche musste diese
       fallen lassen.
       
       Während des Verfahrens dann hatte die Vorsitzende Richterin Julia Weiß
       immer wieder eine Verständigung der Parteien angeregt. Nach der
       Beweisaufnahme sah das Gericht keinen Betrug und höchstens eine
       geringfügige Schuld beim Vorwurf der Steuerhinterziehung. Dass Ballweg die
       Gelder tatsächlich für private Zwecke verwendet habe, sei nicht
       nachweisbar.
       
       Die Staatsanwaltschaft hatte eine Verständigung immer wieder abgelehnt,
       zuletzt Mitte Juli. Auch am letzten Prozesstag hielt sie in vollem Umfang
       an ihren Vorwürfen fest. Die Einschätzung der Kammer nannte sie
       „unverständlich“. Ballweg habe Schenker über die Verwendung des Geldes
       getäuscht und Geldflüsse ganz bewusst verschleiert. „Querdenken 711“ sei
       zumindest auch ein Geschäftsmodell gewesen. „Ballweg wollte dem Staat, den
       er ablehnt das Geld vorenthalten“ – das habe er in einem Videokanal offen
       zugegeben.
       
       ## Kritik auch an der Verteidigung
       
       Parallel zum Verfahren orchestrierten die Anwälte mit Videos und Einträgen
       in sozialen Netzwerken das Verfahren für Ballwegs Anhänger. Die
       Staatsanwaltschaft kritisierte dies in ihrem Plädoyer scharf. Die
       Verteidigung sei sich nicht zu schade gewesen, Verschwörungstheorien zu
       verbreiten und Ermittlern wie Staatsanwälten eine persönliche Agenda zu
       unterstellen.
       
       Die Verteidiger wiesen die Vorwürfe zurück und gaben sich siegesgewiss.
       Immerhin stellte Ballwegs Rechtsanwalt Ralf Ludwig, selbst führender Kopf
       der Bewegung, mit Blick auf die zahlreichen Querdenken-Anhänger im
       Zuschauerraum klar: „Das Verfahren war nicht politisch.“ Sein Mandant
       Ballweg sieht das ganz offensichtlich anders. „Das Verfahren war von Anfang
       an politisch“, sagte er in seinem Schlusswort. Das Urteil wird bis zum 31.
       Juli erwartet.
       
       22 Jul 2025
       
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