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       # taz.de -- Korruption in der Ukraine: Eine zweite Front eröffnet
       
       > Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj stellt das
       > Antikorruptionsbüro kalt. Das erzeugt Zorn in der Bevölkerung – und in
       > der EU.
       
   IMG Bild: Menschen demonstrieren in Kyjiw gegen den Erlass des Präsendeten
       
       Als ob eine Kriegsfront, an der es für die Ukraine eher mäßig läuft, nicht
       schon ausreichen würde. Jetzt eröffnet Präsident Wolodymyr Selenskyj auch
       noch eine zweite. [1][Im Handstreich lässt er das Nationale
       Antikorruptionsbüro Nabu und die Anti-Korruptions-Staatsanwaltschaft (SAP)]
       kalt- und de facto der Generalstaatsanwalt unterstellen. Den ernennt
       Selenskyj.
       
       Geht’s noch? Unabhängige Ermittler*innen, die diese Bezeichnung
       verdienen, dürfen jedoch nicht unter der politischen Kontrolle derer
       stehen, gegen die sie im Zweifelsfall vorgehen müssen. Alles andere wäre
       eine Farce. Über Selenskyjs Motive für diese Entscheidung, die ein fatales
       Signal nach innen und außen sendet, lässt sich nur mutmaßen. Jedoch gibt es
       den begründeten Verdacht, dass auch Personen aus dem engeren Umfeld des
       Präsidenten geschützt und aus der Schusslinie genommen werden sollen.
       Ohnehin nimmt es Selenskyj mit dem Prinzip guter Regierungsführung nicht
       ganz so genau. Das gilt insbesondere für die Besetzung von Schlüsselposten,
       wo unbedingte Loyalität und alte Seilschaften vielfach mehr zählen als
       Kompetenz.
       
       Diese Entwicklungen beobachten viele Ukrainer*innen mit Unbehagen. Zu
       Recht. Doch anstatt weiter ohne Wenn und Aber hinter Selenskyj zu stehen,
       regt sich Widerstand. Kriegsmüdigkeit? Von wegen. [2][Vielmehr zeigt sich
       eine Zivilgesellschaft, die quicklebendig ist und sich nicht scheut, das
       mit Protesten zum Ausdruck zu bringen.] Dabei geht es weniger um die
       Abwicklung zweier Behörden als um die Verteidigung demokratischer Werte und
       die Entschlossenheit, sich eine europäische Perspektive kein weiteres Mal
       nehmen zu lassen. So war das bei der Revolution 2013/14 auf dem Maidan.
       Was mit dem damaligen durch und durch korrupten Präsidenten Wiktor
       Janukowitsch passierte, ist bekannt. Er musste nach Russland fliehen.
       Sollen all die Opfer – damals wie heute – umsonst gewesen sein?
       
       Doch für Selenskyj steht weitaus mehr auf dem Spiel, als dass ihm immer
       mehr Ukrainer*innen den Rücken kehren könnten. Kyjiw droht die so
       dringend benötigte Unterstützung seiner westlichen Verbündeten einzubüßen –
       in Zeiten, in denen die Koalition der Willigen bröckelt. So könnte der
       [3][EU-Beitrittsprozess der Ukraine] empfindlich gestört werden.
       Entsprechende Reaktionen in Brüssel sind ernst zu nehmen. Auch dürfte die
       Geberlaune von Staaten und privaten Investoren in Sachen Wiederbau leiden.
       Immerhin gelten hierfür die sieben Prinzipien der Wiederaufbaukonferenz in
       Lugano im Juli 2022, zu denen Justizreformen und eine effektive
       Korruptionsbekämpfung gehören. Hat Selenskyj das vergessen?
       
       Vielleicht besinnt sich der Präsident doch noch eines Besseren. Falls
       nicht, könnte sein jüngstes Manöver das Ende einläuten – nicht das der
       Ukraine, aber Selenskyjs politisches Ende.
       
       24 Jul 2025
       
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   DIR Barbara Oertel
       
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