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       # taz.de -- Andreas Speit Der rechte Rand: Warum Antifeminismus tötet
       
       Einfamilienhäuser und gepflegte Gärten: Farmsen-Berne ist ein Stadtteil wie
       viele, ein Tatort wie viele. Am vergangenen Sonntag hat hier ein Mann seine
       Frau erschossen. Die 56-Jährige versuchte noch, sich bei den Nachbarn vor
       ihrem Mann zu retten. Aber der 77-Jährige richtete seine Frau mit mehreren
       Schüssen aus einem Revolver auf dem Nachbargrundstück hin. Die Polizei fand
       den Sportschützen später tot auf der eigenen Terrasse.
       
       Dieses schwere Gewaltverbrechen reihe sich ein in eine „schockierende Serie
       von Taten“, sagt Hila Latifi von den Hamburger Linken. Die Antwort auf eine
       Kleine Anfrage ihrer Fraktion in der Bürgerschaft zeige, dass seit Beginn
       dieses Jahres allein in Hamburg vier Frauen von ihrem Lebensgefährten oder
       Ex-Partner getötet worden sind.
       
       In den Schlagzeilen tauchen bei Femiziden noch immer Schlagworte wie
       „tödliche Ehe“ oder „Beziehungsdrama“ auf. Die Motive der Männer
       verschwinden auf diese Weise sprachlich im Persönlichen und werden mit
       Zuschreibungen wie Eifersucht oder Enttäuschung ins Private verschoben.
       Diese Verschiebung führt dazu, dass nicht über die gesellschaftlichen
       Strukturen und die toxische Maskulinität gesprochen werden muss, die
       solchen Taten zugrunde liegt.
       
       Es ist eine Einladung, über antifeministische Gewalt zu schweigen. Die
       Mörder? Sind immer die anderen: die mit migrantischem Background, die mit
       islamistischen Positionen. Deshalb spricht die rechtsextreme Szene ständig
       von „Messermännern“.
       
       Mit den Fakten hat das allerdings wenig zu tun. Laut einer aktuellen Studie
       des Bundeskriminalamts (BKA) sind die Tatverdächtigen bei Femiziden zu 68,2
       Prozent Deutsche, 31,8 Prozent gelten als nichtdeutsch. Und im Bereich
       „frauenfeindliche Straftaten politisch motivierter Kriminalität“ kommen
       sogar die meisten Täter aus dem Rechtsextremismus. Für 2023 führt das BKA
       in der Studie 145 Taten mit rechten Motiven an, 20 mit „ausländischer
       Ideologie“als Hintergrund und zehn mit„religiöser Ideologie“.
       
       Die antifeministische Weltanschauung – mit klaren Rollenzuschreibungen für
       Männer und Frauen und traditionellen Familien- und
       Gesellschaftsvorstellungen – befeuert die Gewaltbereitschaft der extremen
       Rechten. In der Propaganda ehrt sie die Frau als Mutter – Hüterin vom Heim
       und Herd, Bewahrerin von Volk und Rasse –aber wehe sie fällt aus der Rolle!
       
       „Frauen haben gemäß dieser Geschlechterstereotypen ihren Platz als
       fürsorgende Hausfrau und Mutter an der Seite des kämpfenden Mannes“, sagt
       Johanna Sigl, Rechtsextremismusexpertin an der Hochschule Rhein-Main.
       „Spätestens, wenn sie diesen Platz verlassen, werden sie zur Bedrohung des
       Männlichkeitsideals und des Männerbundes.“
       
       Aus dieser Konstellation resultieren immer wieder einschlägige Taten. Bei
       einem Dreifachmord in Schleswig-Holstein fand die Polizei bei dem Täter
       Utensilien und Insignien aus der rechtsextreme Szene. Der Zahnarzt hatte
       erst die vom ihm getrennte Frau und deren Bekannten erschossen und dann
       einen Freund, dem er die Schuld am Ende der Ehe gab.
       
       Die Tochter eines Paares, das in der Kameradschafts- und NPD-Szene aktiv
       war, musste die Polizei rufen, weil der Mann so massiv auf die Frau
       einschlug. Ein Aktivist der Autonomen Nationalisten ermordete seine
       Freundin. Die taz berichtetet darüber nicht. Zu unklar erschienen damals
       die Motive. Heute würde wohl darauf verwiesen, dass der Rechtsextremismus
       eine Rolle spielte, obwohl der Antifeminismus – toxische Maskulinität –
       gerade auch aus der gesellschaftlichen Mitte kommt.
       
       Die Linken-Abgeordnete Latifi betont, dass die „Tötungen Ausdruck
       struktureller Gewalt“ seien: „Sie geschehen nicht zufällig, sondern sind
       Ergebnis tief verwurzelter patriarchaler Machtverhältnisse und
       gesellschaftlicher Versäumnisse“.
       
       29 Jul 2025
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Speit
       
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