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       # taz.de -- UN-Welthungerbericht: Hunger nimmt ab, aber nicht überall
       
       > Laut UN-Welthungerbericht sinkt der Anteil der chronisch Hungernden an
       > der Weltbevölkerung. Jedoch: In Afrika und im Nahen Osten nimmt die Zahl
       > wieder zu.
       
   IMG Bild: Eine Mutter wiegt ihre stark unterernährte Tochter auf dem Schoß in einem Krankenhaus in der äthiopischen Tigray-Region
       
       Berlin taz | Der Hunger in der Welt nimmt langsam ab. Diese positive
       Botschaft haben die mit Ernährung befassten Unterorganisationen der UNO am
       späten Montag ihren neuen Welthungerbericht präsentiert. Laut [1][„The
       State of Food Insecurity and Nutrition in the World 2025“] sank der Anteil
       der chronisch Hungernden, also Unterernährten, an der Weltbevölkerung von
       8,7 Prozent im Jahr 2022 auf 8,5 Prozent im Jahr 2023 und weiter auf 8,2
       Prozent im Jahr 2024. Ein stetiger Rückgang also.
       
       Die globale Ernährungskrise, ausgelöst durch die Covid-19-Pandemie, die bis
       zu 95 Millionen Menschen in Armut stürzte, scheint vordergründig
       überwunden. Im ersten Pandemiejahr 2020 war die Hungerrate, die zuvor fast
       ein Jahrzehnt lang unter 8 Prozent lag, sprunghaft von 7,5 auf 8,5 Prozent
       gestiegen und erreichte 2022 ihren Höhepunkt.
       
       Doch der Kampf gegen den Hunger steht wieder dort, wo er bereits vor 15
       Jahren war. 8,2 Prozent Hungernde – diesen Wert erreichte die Welt bereits
       2011. Absolut gesehen litten 2024 rund 673 Millionen Menschen an
       chronischem Hunger, nach einem Höchststand von 697 Millionen während der
       Pandemie – so viele wie seit 2007 nicht mehr.
       
       Es ist ein Rückschlag von fast einer ganzen Generation, und dieser verteilt
       sich extrem ungleich. Der Hunger sinkt beständig seit Jahrzehnten in Asien
       und Lateinamerika. In Afrika, wo inzwischen ein Fünftel der Bevölkerung
       betroffen ist, und auch im Nahen Osten steigt er jedoch stetig. Während die
       Zahl der chronisch Hungernden weltweit zwischen 2005 und 2024 von 789 auf
       673 Millionen sank, verdoppelte sie sich in West- und Zentralafrika von 68
       auf 140 Millionen. Südostasien und Ostafrika zählten 2005 jeweils etwa 95
       Millionen Hungernde – im Jahr 2024 sind es in Südostasien 34 Millionen, in
       Ostafrika 120 Millionen.
       
       ## Gesundes Essen ist in ärmeren Ländern teurer
       
       Chronischer Hunger ist nur ein Teil des Gesamtbildes. Während „nur“ 673
       Millionen Menschen auf der Welt chronisch hungern, leiden 2,3 Milliarden an
       moderater oder schwerer Ernährungsunsicherheit – fast 700 Millionen mehr
       als vor zehn Jahren. Das entspricht 28 Prozent der Weltbevölkerung. In
       Afrika ist der Anteil an der Gesamtbevölkerung mit knapp 59 Prozent mehr
       als doppelt so hoch.
       
       Und 2,6 Milliarden Menschen auf der Welt können sich keine gesunde und
       ausreichende Ernährung leisten – diese Zahl sinkt zwar global, vor allem
       dank Erfolgen in Indien, aber in Afrika steigt sie und hat 2024 erstmals
       die Marke von 1 Milliarde sowie die Rate von zwei Dritteln der Bevölkerung
       überschritten.
       
       In den ärmsten Ländern ist gesunde und ausreichende Ernährung gemessen an
       der Kaufkraft teurer als in den reichsten. Während der Pandemie, als der
       Handel erschwert war, stiegen die Lebensmittelpreise weltweit und blieben
       hoch. Die „schwersten und nachhaltigsten“ Preissteigerungen, vor allem im
       Jahr 2023, gab es, so der Bericht, in den ärmsten Ländern, die höchste
       Lebensmittelinflation im Jahr 2024 verzeichnete Afrika. Je höher die
       soziale Ungleichheit, desto stärker schlägt Inflation auf die
       Ernährungsunsicherheit durch, so der UN-Bericht: Die Menschen essen
       weniger, um über die Runden zu kommen. Von Nairobis Slums bis zu Ghanas
       Savannen haben mehr als zwei Drittel der Menschen Anzahl und Umfang ihrer
       täglichen Mahlzeiten reduziert.
       
       Die Folgen sind gravierend. Nur ein Drittel der Babys weltweit erhält eine
       ausreichend vielfältige Ernährung und nur zwei Drittel aller Frauen unter
       49 Jahren. Gerade Menschen an der Armutsgrenze greifen verstärkt zu
       hochverarbeiteten Billiglebensmitteln. Der Anteil von Frauen unter 49 mit
       Anämie (Blutarmut) ist weltweit auf über 30 Prozent gestiegen. Gleichzeitig
       nimmt Fettleibigkeit zu – eine Folge von Fehlernährung.
       
       Schlechtes Essen in unzureichender Menge ist also das Los von Milliarden
       Menschen auf der Erde. Und es gibt nach wie vor dramatische Notsituationen
       infolge der Ausbreitung von Krieg und Unsicherheit in einzelnen Ländern.
       2024 litten 295 Millionen Menschen an akutem Hunger, die Hungerhilfe
       notwendig macht. Die meisten Betroffenen leben in Nigeria, [2][Sudan], der
       [3][DR Kongo], Bangladesch und Äthiopien. Zwei Millionen Menschen befanden
       sich im nur sehr selten festgestellten Zustand der Hungersnot, die Hälfte
       davon im Gazastreifen.
       
       29 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://openknowledge.fao.org/items/18053f75-4c71-4a35-a0d9-1eb2fe204364
   DIR [2] /Hoechste-Stufe-erreicht/!6025393
   DIR [3] /Not-in-Demokratischer-Republik-Kongo/!5764789
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
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