# taz.de -- Brasiliens Richter Alexandre de Moraes: US-Sanktionen? Mittelfinger!
> Er verfolgt die Rechtsextremen rund um Ex-Präsident Bolsonaro und ist
> noch verhasster als Präsident Lula da Silva. Auch Trump hat er gegen sich
> aufgebracht.
IMG Bild: Brasilianischen Bundesrichter Alexandre de Moraes: richtig berühmt wurde er mit Beginn der Bolsonaro-Ära
Er wird „Xandão“ genannt – großer Alexandre. Für seine Fans ist er ein Held
und unerschrockener Verteidiger der Demokratie, für seine Gegner ein
Tyrann. Alexandre de Moraes ist Richter am Obersten Gerichtshof Brasiliens,
dem Supremo Tribunal Federal (STF). Nun drohen ihm Sanktionen durch das
US-Finanzministerium. Aus Washington heißt es, de Moraes sei verantwortlich
für eine „repressive Zensurkampagne, willkürliche Inhaftierungen, die
Menschenrechte verletzen, und politisierte Strafverfolgungen“. Für den
Juristen aus der Megametropole São Paulo ist das nur eine weitere Episode
in einem seit Jahren schwelenden Konflikt.
De Moraes ist das Kunststück gelungen, in Brasiliens rechter Szene noch
mehr Hass auf sich zu ziehen als Präsident Lula da Silva. Der Grund:
Während der [1][Amtszeit von Jair Bolsonaro] zwischen 2019 und 2022 setzte
er autoritären Auswüchsen klare Grenzen. Als Vorsitzender des Obersten
Wahlgerichts verfolgte de Moraes eine kompromisslose Linie gegen Fake News
und Desinformation. Im vergangenen Jahr lieferte er sich ein Duell mit Elon
Musk, das in einer vorübergehenden Sperrung von dessen Plattform X in
Brasilien gipfelte.
Dabei ist de Moraes alles andere als ein Linker. Seine Karriere begann er
als Staatsanwalt in São Paulo, seiner Heimatstadt. Schon früh zeigte er
auch politische Ambitionen. Er war Mitglied der bürgerlich-konservativen
Partei PSDB, unter anderem als Justizsekretär und Sicherheitsminister
tätig. Kritiker*innen warfen ihm harte Polizeieinsätze gegen
Demonstranten und einen autoritären Stil im Umgang mit marginalisierten
Gruppen vor. 2016 ernannte ihn der rechte Interimspräsident Michel Temer
zum Justizminister. Ein Video aus jener Zeit zeigt, wie er durch ein
Marihuana-Feld marschiert und die Pflanzen mit einer Machete niederschlägt.
Schon im Jahr darauf nominierte Temer ihn als Richter am STF. Die
Arbeiterpartei PT schäumte und sprach von einem „tiefen Missbrauch des
juristischen Gewissens“.
## Rechte gegen den Richter
Richtig berühmt wurde de Moraes mit Beginn der Bolsonaro-Ära. Der Richter,
der stets sachlich, fast nüchtern auftritt, leitete erstmals Ermittlungen
gegen Onlinenetzwerke von Bolsonaro-Anhängern ein. Dass ein Richter selbst
aktiv Ermittlungen anstrengt – er ordnet häufig Hausdurchsuchungen,
Kontosperrungen und Ausreisesperren gegen Beschuldigte an – ist
ungewöhnlich. Ob de Moraes dabei teils über die Stränge schlug und sein
Gericht dadurch zu viel Macht auf sich konzentrierte, ließe sich
tatsächlich diskutieren.
Andererseits trug er entscheidend dazu bei, [2][das radikalisierte
Bolsonaro-Lager] einzudämmen. Denn in Brasilien stand nichts weniger als
die Existenz der Demokratie auf dem Spiel. Bolsonaro wird beschuldigt, in
Gangsterfilm-Manier einen gewaltsamen Umsturz geplant zu haben, inklusive
geheimer Waffenlager, Code-Namen und dem Plan, [3][Präsident Lula zu
vergifte]n. Zuletzt ordnete de Moraes sogar eine elektronische Fußfessel
für den Ex-Präsidenten an. Sollte dieser verurteilt werden, droht ihm eine
lange Haftstrafe. Doch auch ohne seinen großen Gegenspieler Bolsonaro hat
de Moraes genug zu tun. Die Rechte bereitet sich schon auf die Wahlen im
kommenden Jahr vor – mit einer Kampagne gegen ihn: „Richter Voldemort“.
Von den neuen US-Sanktionen zeigte sich de Moraes unbeeindruckt: Noch am
selben Abend erschien er grinsend im Stadion seines Lieblingsfußballvereins
Corinthians. Ein Foto zeigt, wie er demonstrativ den Mittelfinger hebt,
offenbar ohne vorherige Provokation. Einschüchtern lässt er sich nicht.
31 Jul 2025
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## AUTOREN
DIR Niklas Franzen
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