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       # taz.de -- Katholik über Kirche und Politik: „Die Kirche muss sich einmischen“
       
       > Der katholische Theologe Thomas Söding hält die Kirche vom Ursprung her
       > für politisch. Daher sollte sie Stellung in tagespolitischen Debatten
       > beziehen.
       
   IMG Bild: Hier war die Basis weiter als die Kirchenleitung: Demo gegen den Auftritt eines AfD-Politikers beim Katholikentag 2018 in Müster
       
       taz: Herr Söding, hat die CDU-Politikerin Julia Klöckner recht: Ist die
       Kirche eine NGO? 
       
       Thomas Söding: Die Kirche ist tatsächlich von jeder Regierung unabhängig.
       Sie ist die Kirche. Hier bekommen der Gottesdienst und die Glaubensfragen
       einen Raum. Wir brauchen im politischen Feld keine Privilegien. Wir bringen
       aber aus dem christlichen Menschenbild unsere Auffassungen öffentlich und
       ohne Scheuklappen in den Diskurs ein.
       
       taz: Muss die Kirche aber auch zwingend politisch sein? 
       
       Söding: Die Kirche ist von ihrem Ursprung her politisch, auch wenn sie
       nicht um der Politik willen gegründet worden ist. Diesen Auftrag nimmt sie
       wahr, immer in Kontakt mit den Herausforderungen der Zeit. Auf der einen
       Seite haben wir einen starken sozial-ethischen Anspruch. Auf der anderen
       Seite sind wir entschieden für die Freiheit des einzelnen Menschen, gerade
       dann, wenn es sich um vulnerables Leben handelt.
       
       taz: Haben die Kirchen deshalb Bundeskanzler Merz scharf für seine
       Migrationspolitik kritisiert? 
       
       Söding: Das Thema Migration ist eines, bei dem es seit Jahrzehnten immer
       wieder zu Auseinandersetzungen kommt. Wir verstehen, dass eine Regierung
       die Interessen einer Nation berücksichtigen muss. Die katholische Kirche
       ist jedoch eine Weltkirche. Deshalb ist der Horizont weiter. Wir müssen
       einen menschenrechtlichen Ansatz verfolgen und Migration und Integration
       zusammen denken. Dafür brauchen wir rechtsstaatliche und europafreundliche
       Lösungen. Migration als eine Bedrohung zu betrachten, [1][halten wir für
       falsch und gefährlich.]
       
       taz: Wie angespannt ist das Verhältnis zwischen Politik und Kirche? 
       
       Söding: Eine Veränderung ist deutlich geworden. Auf der einen Seite sehen
       wir eine Krise der Kirche – [2][zum Beispiel bei den Mitgliederzahlen]. Auf
       der anderen Seite gibt es auch eine Krise der Demokratie. Ich frage mich,
       ob es zwischen beidem nicht eine direkte Beziehung gibt. Unsere
       Gesellschaft braucht Kräfte, die Politik möglich machen – und der Politik
       eine Orientierung geben.
       
       taz: Welche Kräfte? 
       
       Söding: Da sehe ich die Kirchen gefordert. Wir sind als Zentralkomitee, als
       Vertretung der katholischen Zivilgesellschaft, stark im politischen Raum
       unterwegs. Die Kirchen müssen ihre eigenen Problemen lösen. Aber auch
       öffentlich die Stimme erheben. Schwächer werdende Kirchen sind immer noch
       stark und die größten gesellschaftlichen Organisationen. Ich bin sehr
       dankbar, dass es diese Kontakte zur Politik, die Auseinandersetzung und
       ruhig auch mal den einen oder anderen Streit gibt.
       
       taz: Sollte sich die Kirche in die Tagespolitik einmischen? 
       
       Söding: Ja, selbstverständlich muss sich die Kirche in die Tagespolitik
       einmischen. Die Kirche wird ja auch aufgefordert, zu tagesaktuellen
       Positionen Stellung zu beziehen. Sie darf sich von der Tagespolitik nur
       nicht auffressen und hetzen lassen. Sie muss immer die größeren
       Zusammenhänge darstellen. Meinungen haben viele. Wir aber brauchen
       Argumente, die sich auch im Konflikt bewähren. Komplexe Herausforderungen
       brauchen differenzierte Lösungen. Dafür die Räume zu schaffen, das ist in
       der Kultur, in der wir gegenwärtig leben, enorm wichtig. Wir wollen in der
       katholischen Kirche, möglichst verbunden mit unseren christlichen
       Geschwistern und ebenso mit dem Judentum und dem Islam, versuchen, Religion
       als einen Produktivfaktor für die Demokratie zu entwickeln.
       
       taz: Wie verläuft der Diskurs innerhalb der Kirche? 
       
       Söding: Es gibt mehr als 20 Millionen Mitglieder der katholischen Kirche
       und die haben natürlich unterschiedliche Auffassungen. Bei einem Punkt ist
       die katholische Kirche glasklar: Mit [3][Rassismus], Rechtspopulismus und
       der [4][AfD] haben wir nichts zu tun. Sehr wahrscheinlich gibt es aber
       Mitglieder der katholischen Kirche, die solche Ansichten haben und solche
       Parteien wählen. Wir sehen darin einen fundamentalen Widerspruch. Wir sind
       für eine wertegeleitete Politik. Und der zentrale Wert, von dem wir immer
       ausgehen, ist die Unantastbarkeit der Menschenwürde.
       
       15 Jul 2025
       
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