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       # taz.de -- Debatte um Palästinensertuch Kufiya: Shitstorm gegen Gedenkstätte Buchenwald
       
       > Ein internes Papier stellt palästinensische Symbole unter
       > Antisemitismusverdacht. Der Gedenkstättenleiter verspricht eine
       > Überarbeitung.
       
   IMG Bild: Kommunistische Gruppen versuchten, in Buchenwald gegen den Gaza-Krieg zu protestieren, und stellen diesen in eine Linie mit den NS-Verbrechen
       
       Berlin taz | Eine Handreichung zur Identifikation antisemitischer und
       rassistisch eingestellter Besucher der Gedenkstätte Buchenwald sorgt seit
       wenigen Tagen für empörte Reaktionen in den so genannten sozialen Medien.
       
       Das 57-seitige interne Papier ist für Mitarbeiter und Sicherheitspersonal
       gedacht, um Personen von einem Besuch des Geländes auszuschließen, die das
       ehemalige Konzentrationslager als Bühne für ihre politische Forderungen
       nutzen wollen, sagte Gedenkstättenleiter Jens-Christian Wagner der taz.
       Dazu zählen insbesondere Propagandaaktionen von Rechtsextremen. Doch das
       Papier thematisiert auch vorgeblich Israel-feindliche Symbole. Und die
       haben es in sich.
       
       Denn dabei werden auch harmlose Zeichen zu gefährlichen und damit
       möglicherweise antisemitischen Symbolen erklärt. So heißt es über das
       Palästinensertuch Kufiya, dieses sei „eng mit dem Streben nach der
       Vernichtung Israels verbunden“. Weiter steht dort: „Das Tragen der Kufiya
       kann mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Sympathie mit militanter
       Israelfeindschaft bedeuten.“
       
       Neben korrekten Hinweisen auf anti-israelische und damit potentiell
       antisemitische Symbole wie die auf [1][rote Dreiecke, die für die
       Terrororganisation Hamas] stehen, oder von Landkarten, auf denen der Staat
       Israel getilgt ist, wird behauptet, bei der Parole „Ceasefire Now“
       (Waffenstillstand jetzt) handele es sich um eine „einseitige Forderung zu
       Lasten Israels“. Dabei hat selbst US-Präsident Donald Trump dieses
       Verlangen vorangetrieben. Ein Olivenzweig könne neben Steinschleuder und
       Schlüssel „als Negierung des Rechts von Jüdinnen und Juden auf ein Leben in
       Israel verstanden werden“. Das Zeigen von Wassermelonen ginge oft einher
       mit „Parolen des israelbezogenen Antisemitismus“.
       
       ## Morddrohungen im Netz
       
       Leser dieser Auszüge reagierten darauf mit Empörung. Gedenkstättenleiter
       Wagner berichtete von Morddrohungen im Internet gegen Mitarbeiter der
       Gedenkstätte, aber auch von Solidaritätsbekundungen. Er verwahrte sich
       gegen die „wüsten Beschimpfungen meiner Kollegen im Netz. Das können wir
       nicht dulden.“
       
       Wagner sprach von einem „Shitstorm“, der sich angesichts solcher
       Formulierungen derzeit über seine Einrichtung ergießt. „Ich bin darüber
       nicht glücklich“, sagte Wagner zu dem Papier. Er selbst habe die
       Handreichung nicht gekannt und teile die Kritik an einigen Formulierungen.
       „Ich teile die Einschätzung, dass das überarbeitungsbedürftig ist“, sagte
       er. So sei dort auch von „umstrittenen Gebieten“ für die „besetzten
       Gebiete“ die Rede. Das sei falsch. Es müsse deutlich werden, „dass Kritik
       an der Politik der israelischen Regierung nicht per se antisemitisch ist“,
       sagte Wagner. Eine Überarbeitung der Handreichung sei bereits in Arbeit.
       
       Das der taz vorliegende interne Dokument gelangte nach dem Besuch von
       Juristen aus Schleswig-Holstein in der Gedenkstätte an die dortige Justiz
       und fand von dort den Weg an die Öffentlichkeit. Die Weitergabe aus den
       Händen der Gedenkstätte hätte nicht passieren dürfen, sagte Wagner.
       
       ## Buchenwald als Bühne
       
       Anlass für die insgesamt zehn Seiten umfassenden Deutungsversuche
       vorgeblich anti-israelischer Symbole seien wiederholte Versuche
       kommunistischer Gruppen gewesen, in Buchenwald gegen den Krieg in Gaza zu
       protestieren und damit diesen in eine Linie mit den nationalsozialistischen
       Verbrechen zu stellen. Dies, so Wagner, sei bei Feierlichkeiten zum 8. Mai
       und anlässlich des Gedenkens an den Tod von KP-Führer Ernst Thälmann 1944
       geschehen und werde nicht geduldet.
       
       „Das eigentliche Problem in Buchenwald ist aber nicht Israel-bezogener
       Antisemitismus, sondern es sind deutsche Rechtsextremisten“, stellte Wagner
       klar. Deshalb seien auch vier mal so viele Seiten in der umstrittenen
       Handreichung diesem Rechtsextremismus und seinen Chiffren gewidmet. Diese
       Erklärungen müssten regelmäßig aktualisiert werden, schon wegen neuer von
       Neonazis gern getragener Kleidermarken. Handreichungen wie die von
       Buchenwald werden auch von anderen NS-Gedenkstätten hergestellt und
       eingesetzt, um auf Szene-typische Accessoires von Neonazis aufmerksam zu
       machen.
       
       Erst vor wenigen Monaten hatte Wagner Distanz zur israelischen Regierung
       deutlich gemacht, als diese die Einladung des [2][israelischen Philosophen
       Omri Boehm in die Gedenkstätte scharf kritisiert] hatte. Er zeigte sich
       bestürzt über die Einflussnahme und warnte vor einer Verdrehung der
       Geschichte. Boehm, dem von Seiten Jerusalems ein anti-israelisches
       Verhalten unterstellt worden war, sei ein „absolut respektabler,
       großartiger, international renommierter Philosoph“, sagte er.
       
       10 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus Hillenbrand
       
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