# taz.de -- Rassismus bei der EM: Verbrauchte Geste
> Englands Jessica Carter wird im Netz rassistisch beleidigt. Das Team
> zeigt sich solidarisch und stößt eine Debatte über Gewalt auf Social
> Media an.
IMG Bild: Langer Anlauf im Kampf gegen Rassismus: Jessica Carter trainiert für das Halbfinale gegen Italien
Berlin taz | Alle sollen sehen, dass da etwas passiert ist. Eine Geste, an
die man sich bei den Spielen Englands gewöhnt hat, wird nicht zu sehen
sein, bevor das Halbfinale der englischen Auswahl gegen Italien am Dienstag
in Genf (21 Uhr, ARD) angepfiffen wird. Keine Engländerin wird auf die Knie
gehen, so wie es die Spielerinnen [1][bei den vergangenen Turnieren] und
auch bei dieser EM immer getan haben, bevor die Partien begonnen haben.
Dieser an die Aktionen der [2][US-Football-Profis Colin Kaepernick]
angelehnte Geste, mit der er gegen Rassismus und Polizeigewalt gegen People
of Colour protestiert hat, war von den englischen Auswahlteams übernommen
worden. Auch sie wollten ein Zeichen gegen Rassismus setzen.
Damit ist jetzt Schluss bei dieser EM. Das Team hat sich dazu entschieden,
vor dem Anpfiff nicht mehr auf die Knie zu gehen. Nicht weil sich das
Problem mit dem Rassismus verflüchtigt hätte. Im Gegenteil. Nach den
rassistischen Beleidigungen, die in sozialen Medien über Verteidigerin
Jessica Carter ausgekübelt worden sind, habe sich das Team darauf
verständigt, das mit dem Knien nun bleibenzulassen, erklärte Kapitänin Lucy
Bronze auf einer Pressekonferenz des englischen Teams.
Die Geste sei nicht mehr so stark, wie sie einmal gewesen sei, meinte sie.
Im Team habe man sich gefragt, ob sie überhaupt noch jemanden wirklich
berühre? Wohl kaum, „wenn unseren Spielerinnen derartige Dinge widerfahren,
während sie bei den größten Turnieren ihres Lebens spielen“, beantwortete
sie die Frage selbst.
Kurz zuvor hatte sich [3][Jessica Carter auf Instagram] mit „einer
Nachricht an die Fans“ die verbalen Übergriffe öffentlich gemacht und sich
von Social Media verabschiedet. „Seit Beginn des Turniers habe ich viel
rassistische Anfeindungen erlebt. Ich finde, dass jeder Fan das Recht auf
eine Meinung zu Leistung und Ergebnis hat, aber es ist nicht richtig oder
akzeptabel, jemanden wegen seines Aussehens oder seiner Herkunft
anzugehen“, heißt es da. Die Verteidigerin, die wie ihre Lebensgefährtin
Ann-Katrin Berger bei Gotham in der US-Liga NWSL spielt, kündigte an, ihren
Account an Berater zu übergeben. Sie selbst will sich fernhalten von den
Plattformen, über die so viel Müll über sie ausgekippt worden ist.
Im englischen Fußballverband FA hat man Verständnis für die Entscheidung
des Teams, auf die Kniegeste zu verzichten. [4][Mark Bullingham der
Vorstandschef der FA teilte mit], umgehend die Polizei in England
eingeschaltet zu haben, „um sicherzustellen, dass alle, die für diese
Hassverbrechen verantwortlich sind, vor Gericht gebracht werden“. Auch
Gianni Infantino, der Präsident des internationalen Fußballverbands, der
sonst keine Probleme damit hat, mit US-Präsident Donald Trump abzuhängen,
mahnte zum Fall Carter an, dass kein Mensch aus welchem Grund auch immer
diskriminiert werden dürfe.
Im englischen Team machen sich derweil etliche Spielerinnen Gedanken um die
Zukunft ihrer Präsenz auf Social-Media-Kanälen. Kapitänin Bronze sagte:
„Wir lieben es zu spielen, wir lieben den Kontakt zu unseren Fans.
Social-Media-Kanäle liefern dafür großartige Möglichkeiten, aber wir
brauchen sie nicht wirklich.“ Jetzt gehe es darum, als Team gemeinsam gegen
Rassismus zusammenzustehen. Ausdrücklich betonte sie die Solidarität mit
Lauren James, Michelle Agyemang und Khiara Kheating, den anderen Schwarzen
Spielerinnen im Team. „Ich denke, wir alle wissen, dass alle Spielerinnen
of Colour, die für England gespielt haben, Rassismuserfahrungen haben. Das
ist eine traurige Tatsache im Hier und Heute.“
Derweil hat eine weitere englische Spielerin ihre Social-Media-Aktivitäten
eingestellt – Verteidigerin Lotte Wubben-Moy. „Ein weiteres Turnier, bei
dem wir rassistische Exzesse erleben, läuft“, erklärte sie in einem
Statement. „Es ist ein Thema, das über den Sport hinausgeht. Aber was kann
man tun auf den Plattformen, auf denen das stattfindet? Ich werde
jedenfalls nicht weiter genau die Plattformen füttern, die diesen
Missbrauch ohne jede Konsequenzen ermöglichen.“
21 Jul 2025
## LINKS
DIR [1] /Spieler-Protest-bei-der-EM/!5777037
DIR [2] /Football-Star-Colin-Kaepernick/!5808794
DIR [3] https://www.instagram.com/_jesslcarter/?utm_source=ig_embed
DIR [4] https://www.thefa.com/news/2025/jul/20/mark-bullingham-jess-carter-statement-20252007
## AUTOREN
DIR Andreas Rüttenauer
## TAGS
DIR Fußball-EM der Frauen 2025
DIR Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
DIR Colin Kaepernick
DIR Schwerpunkt Rassismus
DIR Fußball
DIR Fußball-EM der Frauen 2025
DIR Fußball-EM der Frauen 2025
DIR Fußball-EM der Frauen 2025
DIR Schwerpunkt Rassismus
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Rassismus aus der Kurve: Zeit für ein Zeichen
Das Drittligaspiel zwischen 1860 München und Cottbus wird nach einem
rassistischen Vorfall unterbrochen. Es ist dies nur einer von vielen
Übergriffen.
DIR Halbfinale der Fußball-EM: Furiose letzte Reserve
Das englische Team zeigt gegen starke Italienerinnen wieder
Last-Minute-Qualitäten. Michelle Agyemang wird eingewechselt und vollendet
den Matchplan.
DIR England zieht ins EM-Halbfinale: Elan, Elfmeterglück und Ekstase
Was für ein Spiel! Elf Gründe, weshalb die Partie England gegen Schweden
auch dank der Skandinavierinnen einen Platz in jedem Fußballherzen
verdient.
DIR Bilanz der Frauen-EM: Was uns die Vorrunde lehrt
Kluge TV-Expertinnen, konterfähige Underdogs und viele Tore. Nur dem
deutschem Schlager kann die EM nicht zu Ruhm verhelfen.
DIR Football-Star Colin Kaepernick: Ein Kniefall mit Folgen
Die Netflixserie „Colin in Black & White“ beschäftigt sich mit den
Rassismuserfahrungen und -erlebnissen im Leben des Sportlers und
Aktivisten.