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       # taz.de -- Nach dem Halbfinal-Aus der Deutschen: Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit
       
       > Das Scheitern der DFB-Elf liegt nicht nur an der spanischen Spielkunst.
       > Die Deutschen waren während des ganzen Turniers schlicht zu ideenlos.
       
   IMG Bild: Trauerarbeit: Lea Schüller (r.) und Sydney Lohmann kümmern sich um Jule Brand
       
       Zürich taz | Es war ein vermeidbares Tor, welches das deutsche Aus in der
       113. Minute besiegelte. Und doch ging das in Ordnung. Es fühlte sich
       geradezu folgerichtig an: Als [1][Aitana Bonmatí] einen Pass von Athenea,
       den nicht viele Menschen so zauberhaft durch eine Abwehrkette spielen
       können, durch die eigenen Beine rollen ließ, nach einer Drehung hinterher
       sprintete und die Kugel an Ann-Kathrin Berger vorbei ins Eck spitzelte, wie
       das ebenfalls nicht viele Menschen auf dieser Welt können, reichte dieser
       wunderschöne Treffer fürs Finale.
       
       Das Gegentor ging zu gleichen Anteilen auf Sydney Lohmanns und Ann-Kathrin
       Bergers Konto, aber das Einzelversagen war gar nicht so wichtig. Im
       Hobbytrainer-Jargon sagt man: Es lag in der Luft. Das Halbfinale der
       Wück-Elf gegen Spanien glich einem schrägen Déjà-Vu-Erlebnis. Es sah aus
       wie die Abwehrschlacht gegen Frankreich, nur dass die Deutschen zu elft
       waren und sich diesmal ohne Not radikal einigelten.
       
       Immer wieder passten sich die Spanierinnen geduldig den Ball zu, trafen den
       Pfosten, eine deutsche Fußspitze oder Ann-Kathrin Berger. [2][Das DFB-Team
       spielte wie ein Underdog.] Und folgerichtig erlitten die Deutschen am Ende
       das Schicksal vieler Underdogs, die sich lange gegen eine Übermacht
       stemmen, bis Beine und Konzentration in einem schicksalhaften Moment
       versagen.
       
       Es ist fraglich, ob das eine kluge Strategie war. Was Wücks Team da auf den
       Rasen brachte, sah nicht kategorisch schlecht aus. Die Defensive stand
       überwiegend gut, Sophia Kleinherne wuchs über sich hinaus und Carlotta
       Wamser zeigte, warum sie eine so große Hoffnung ist. Rebecca Knaak und
       Franziska Kett waren überfordert, hatten es aber, so viel Fairness muss
       sein, auch mit Weltfußballerin Aitana Bonmatí zu tun.
       
       Verletzungen und Sperren hat das Team glänzend weggesteckt. Ja, [3][sie
       können hinten stehen und verteidigen], diese Deutschen. „Wenn wir ein
       bisschen mehr Spielglück haben, fällt vorne einer rein“, sagte Knaak
       hinterher. Und das stimmte auch.
       
       ## Verzwergung des deutschen Fußballs
       
       Und doch war das wieder ein erschreckend limitierter Auftritt. 90 Minuten
       hoffen, irgendwie gegen Spanien zu überleben, ohne Pressing oder eigene
       Ballbesitzphasen, das war ein schlechter Matchplan, oder ein schlecht
       ausgeführter. Auf 23 Prozent kamen die Deutschen in der ersten Hälfte.
       [4][Das sagt auch viel über die Verzwergung des deutschen Fußballs].
       
       Ebenso, wie über die Partie gesprochen wurde. Wück und seine Spielerinnen
       waren voll des Lobes über die eigene Leistung. „Wir können uns heute nichts
       vorwerfen“, befand Knaak. Man könne das Spiel der Spanierinnen nicht
       komplett verhindern, so Sara Däbritz. Vermutlich zu Recht hält man sich für
       spielerisch so weit unterlegen, dass es als große Leistung gilt, 113
       Minuten lang zu verhindern. Die Kräfteverhältnisse haben sich ins Gegenteil
       gewandelt.
       
       Dabei verfügt die DFB-Elf mit Klara Bühl und Jule Brand immer noch über
       zwei Offensivspielerinnen der Extraklasse. Darin aber erschöpfte es sich
       bei der EM auch zumeist. Das Offensivspiel der Deutschen ruhte maßgeblich
       auf der Hoffnung, dass den beiden schon etwas einfallen würde. [5][Vieles
       fehlte schmerzhaft. Eine Mittelfeldstrategin etwa, eine Spielidee, ein
       gelungener Aufbau.]
       
       Es mangelt in der Zentrale auch an hochklassigem Personal: Däbritz oder
       Dallmann bringen keine Qualitäten als Spielmacherin mit, die gesperrte
       Nüsken wirkt oft zu abhängig von einem guten Spielverlauf, Senß spielte ein
       durchwachsenes Turnier. So bleiben viele Zufallsprodukte und
       Einzelaktionen. Zwischen dem eigenen Anspruch (Titelaspirantinnen) und dem
       Geschehen auf dem Platz klaffte eine riesige Lücke.
       
       Nicht zufällig gingen die besten Chancen im Halbfinale allesamt aufs Konto
       der überragenden Klara Bühl, über deren Seite fast alles lief. Im Gegensatz
       zum fein abgestimmten spanischen Ensemble ist das DFB-Team hochgradig von
       seiner besten Spielerin abhängig. Und so hat es vielleicht auch der Gott
       des schönen Spiels so gewollt, das in der 113. Minute Bonmatí so denkwürdig
       traf und die Deutschen keine Chancen hatten, sich nochmal durchzuwursteln.
       „Mentalität schlägt Talent“, hatte Wück nach dem Viertelfinale gesagt.
       Glücklicherweise gilt das auch im Fußball nicht immer.
       
       [6][Bundestrainer Wück] befindet, dass man nun eine gute Grundlage habe.
       Nach den limitierten Turnierauftritten eine sehr streitbare These. Den
       Mythos von den starken Leistungen begründete letztlich ein einziges Spiel,
       das in die Geschichte eingehen wird: die Willensleistung gegen Frankreich.
       Auch das sagt viel.
       
       24 Jul 2025
       
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