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       # taz.de -- Sommer-Pressekonferenz des Kanzlers: Merz versucht, die Krise kleinzureden
       
       > Friedrich Merz spricht von einer „guten Arbeitsbeziehung“ zwischen Union
       > und SPD. Vielen Fragen zur verschobenen Richterwahl weicht der Kanzler
       > aus.
       
   IMG Bild: Bundeskanzler Friedrich Merz in der budespressekonferenz am 17. Juli
       
       Berlin taz | Das dürfte sich Friedrich Merz etwas anders erhofft haben.
       Kaum hat der Bundeskanzler seine Ausführungen beendet, dass die ersten 70
       Tage seiner Amtzeit doch gut gelaufen seien und seine schwarz-rote
       Koalition bis zur Sommerpause „alles“ umgesetzt habe, was sie sich
       vorgenommen hatte, da setzt gleich die erste Frage einer Journalistin das
       bestimmende Thema der Pressekonferenz: die verschobene Richterwahl für das
       Bundesverfassungsgericht samt deren Auswirkungen.
       
       Merz war am Freitagvormittag in die Bundespressekonferenz gekommen, um sich
       vor der blauen Wand den Fragen der versammelten Journalist*innen zu
       stellen. [1][Die Sommerpressekonferenz ist ein traditionelles Format], das
       einmal im Jahr stattfindet, bevor der Regierungschef und ein großer Teil
       der Hauptstadtpresse in den Urlaub gehen.
       
       Die Fragen sind thematisch nicht beschränkt, aber es gibt eine klare
       Verfahrensregel: eine Frage, eine Nachfrage, dann ist der oder die nächste
       dran. Der Saal ist bis auf den letzten Platz besetzt, die Meldungen sind
       zahlreich. Nur ein Teil der Journalist*innen wird ihre Fragen los.
       
       Nach Merz' Eingangsstatement geht es fast eine halbe Stunde lang nur um das
       Debakel, das die Koalition am letzten Sitzungstag im Bundestag angerichtet
       hat, [2][weil die Stimmen der Union für die renommierte Potsdamer
       Staatsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf nicht standen]. Dazu sei alles
       gesagt, versucht Merz die Fragen abzuwimmeln. Den Auftritt der Juristin in
       der ZDF-Talkshow von Markus Lanz habe er nicht gesehen, „aus Zeitgründen“.
       Dort hatte Brosius-Gersdorf am Dienstag beherzt ihre Positionen erläutert,
       Lügen und Verleumdungen richtig gestellt und von Anfeindungen und Drohungen
       berichtet.
       
       Ob er für die Kandidatin in der Fraktion noch werbe und ob er das auch von
       seinem Fraktionschef Jens Spahn erwarte, schließlich hatten beide die
       Stimmen der Union für die Kandidatin der SPD fest zugesagt? Ob helfen
       könne, wenn Brosius-Gersdorf zum Gespräch in die Unionsfraktion komme, wie
       sie es angeboten hat? Merz weicht aus. Er könne diese Fragen nicht
       beantworten, weil er nicht wisse, „wer die Kandidatinnen und Kandidaten bei
       der Wiederholungswahl sein werden“.
       
       Offiziell allerdings sind das derzeit noch genau die drei Jurist*innen, die
       der Richterwahlausschuss auch mit den Stimmen der Union nominiert hat. Merz
       spricht es nicht aus, doch mehr als deutlich wird, dass er auf ein neues
       Personaltableau hofft – und damit auf dem Rückzug von Brosius-Gersdorf.
       [3][Diesen haben bereits CSU-Chef Markus Söder] und Innenminister Alexander
       Dobdrindt (ebenfalls CSU) der Kandidatin ziemlich unverblümt nahegelegt.
       Merz sagt nur: „Ich schließe jedenfalls aus heutiger Sicht keine Option
       aus.“ Den Umgang mit der Juristin immerhin verurteilt er mit deutlichen
       Worten: „Das, was Frau Brosius-Gersdorf in den letzten Wochen erlebt hat,
       ist völlig inakzeptabel.“
       
       ## Koalitionskrise? Welche Koalitionskrise?
       
       Er vertraue darauf, dass die beiden Fraktionen „das gut regeln werden“,
       sagt Merz, als es um die Auswirkungen der verschobenen Richterwahl geht.
       Von einer Koalitionskrise will er nichts wissen. Es sei „nichts
       Außergewöhnliches“, dass es zu Beginn in einer Regierung „mal
       Reibungsverluste“ gebe. „CDU/CSU und SPD werden eine ganz normale
       Arbeitsbeziehung haben“, so sieht Merz das – oder so sagt er es zumindest.
       
       Doch der Kanzler ist sichtlich froh, als das nächste Thema ansteht. Noch
       eine weitere Stunde geht es einmal querbeet. Um Israel etwa, dessen
       Vorgehen in Gaza Merz noch einmal kritisiert, aus dem er aber keine
       Konsequenzen zieht. Um die Finanzierung der EU, bei der er Deutschland am
       Limit sieht. Um die Sozialbeiträge, die er „mindestens“ stabilisieren will.
       Auch begrüßt er den aktuellen Abschiebeflug nach Afghanistan.
       
       Alles okay, nichts passiert, wir haben die Lage im Griff: Das ist das Bild,
       das Merz auf dieser Pressekonferenz vermitteln will. Widerspruch aus der
       Opposition lässt hinterher nicht lange auf sich warten. Merz habe nicht
       darlegen können, dass er Chef einer handlungsfähigen Regierung sei, urteilt
       Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge. „Das ist die verheerende Bilanz
       seiner ersten 70 Tage im Amt.“ In zwei Wochen geht Merz erst einmal in den
       Urlaub, die freie Zeit wird „kurz sein“, wie er selbst sagt. Leichter wird
       das Regieren danach nicht.
       
       18 Jul 2025
       
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