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       # taz.de -- Vietnamesische Familie in Berlin: Der Kampf hat sich gelohnt
       
       > Jetzt ist es offiziell: Der frühere DDR-Vertragsarbeiter Pham Phi Son und
       > seine Familie müssen keine Abschiebung mehr fürchten.
       
   IMG Bild: Demo für die Familie 2023 in Chemnitz – dort gab ihnen die Stadt keine Chance
       
       Berlin taz | Eine jahrelange Odyssee ist zu Ende: Der [1][von Abschiebung
       bedrohte ehemalige DDR-Vertragsarbeiter Pham Phi Son] und seine Familie
       haben in Berlin eine Aufenthaltserlaubnis bekommen. Das entschied das
       Landesamt für Einwanderung (LEA) am Donnerstag.
       
       Pham Phi Son, heute 67 Jahre alt, kam 1987 als Vertragsarbeiter aus Vietnam
       in die Stadt, die damals noch Karl-Marx-Stadt hieß. Nach der Wende fand er
       Arbeit in verschiedenen Gastronomiebetrieben in Chemnitz. 2017 entzog die
       Stadt jedoch ihm, seiner aus Vietnam nachgeholten Ehefrau und der
       neugeborenen Tochter das Aufenthaltsrecht.
       
       Sein „Vergehen“: Er hatte neun Monate in Vietnam Urlaub gemacht. Wenn sich
       Ausländer länger als sechs Monate außerhalb der EU aufhalten, ist der
       Entzug des Aufenthaltsrechtes möglich, aber nicht zwingend. Als Grund für
       den langen Aufenthalt in Vietnam gab Son einen stationären Aufenthalt in
       einem Krankenhaus an, eine alte Kriegsverletzung war unter dem
       subtropischen Klima wieder aufgeflammt.
       
       Nach einem misslungenen Abschiebeversuch war die Familie fast zwei Jahre
       lang untergetaucht. Der Stadt Chemnitz gelang es jedoch nicht, sie deswegen
       zu kriminalisieren, ein Gericht sprach die Familie frei. Die Sächsische
       Härtefallkommission, die in dem Fall zweimal angerufen wurde, konnte
       wiederum keinen Härtefall erkennen.
       
       Nachdem der Fall wieder an die Stadt Chemnitz zurückgegeben wurde und beide
       Elternteile als dringend benötigte Fachkräfte in einem sächsischen
       Gastronomiebetrieb Arbeit gefunden hatten, entschied Chemnitz gegen ein
       Bleiberecht und führte u.a. die in der Tat schlechten deutschen
       Sprachkenntnisse der Eltern als Argument an.
       
       Der Fall erregte Aufmerksamkeit in überregionalen Medien. 2023 war der
       Familienvater [2][Gast in einem taz-Talk]. 107.000 Menschen haben eine
       Onlinepetition für ein Bleiberecht der Familie unterzeichnet. Politiker von
       SPD, Linken und Grünen, Eltern aus der Kita der Tochter und die Katholische
       Kirche solidarisierten sich mit den gläubigen Katholiken. Um den Fall vom
       Tisch zu bekommen, gestattete Chemnitz Mitte 2023 den Umzug der Familie
       nach Berlin. Hier fanden die Eltern Arbeit in einer Kantine. Die inzwischen
       achtjährige Tochter besucht eine Berliner Schule.
       
       ## „Tragischerweise kein Einzelfall“
       
       Für die Familie ist das Ende des langjährigen Schwebezustands eine Erlösung
       von jahrelanger Angst und Zermürbung. „Der lange Kampf hat sich nun
       gelohnt“, freut sich auch Jenny Fleischer, die Anwältin der Familie.
       Rechtlich stand für die Fachanwältin für Migrationsrecht ohnehin seit
       Jahren außer Frage, dass die Familie ein Aufenthaltsrecht erhalten muss.
       „Das Tragische ist, dass die Geschichte dieser Familie kein Einzelfall
       ist,“ sagt sie der taz.
       
       Auch der frühere sächsische SPD-Landtagsabgeordnete und DDR-Bürgerrechtler
       Frank Richter, der die Familie in ihrem jahrelangen Kampf gegen die
       drohende Abschiebung begleitet hat, freut sich mit der Familie. Er bedauert
       allerdings, dass in Chemnitz keine Lösung gefunden wurde, die in Berlin
       möglich war, denn auch Chemnitz brauche „arbeitsame und integrierte
       Menschen aus dem Ausland.“ Dass die Familie in Berlin zwei Jahre auf das
       Aufenthaltsrecht warten musste, lag nicht am fehlenden Willen der Behörden,
       sondern an deren langsamen Arbeitstempo.
       
       Emily Barnickel vom Berliner Flüchtlingsrat hatte sich ebenfalls für das
       Schicksal der vietnamesischen Familie interessiert und angeboten, sich in
       der Berliner Härtefallkommission für ein Bleiberecht für Pham Phi Son und
       seine junge Familie einzusetzen, wenn dies notwendig geworden wäre. „Wir
       freuen uns, dass es in Berlin jetzt sogar ohne Härtefallkommission geklappt
       hat“, sagt sie. „Das zeigt, dass die Behörden in Chemnitz jenseits aller
       rechtsstaatlicher Prinzipien agiert haben.“
       
       18 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Von-Abschiebung-bedrohter-Vietnamese/!5932904
   DIR [2] https://www.youtube.com/watch?v=SZHRp4V8jBk
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marina Mai
       
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       hoffen sie auf dauerhaften Aufenthalt statt angedrohter Abschiebung.