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       # taz.de -- Phantomlehrer in Baden-Württemberg: Dipsy lässt fast 1.500 Lehrerstellen verschwinden
       
       > Ein Softwarefehler hat in Baden-Württemberg 20 Jahre das
       > Kultusministerium genarrt. Jetzt gibt es für Schulen einen unverhofften
       > Stellensegen.
       
   IMG Bild: Kultusministerin Schopper (Grüne) darf sich über 1.440 wundersam aufgetauchte Lehrerstellen freuen, die sie nun neu besetzen kann
       
       Karlsruhe taz | Der Kampagnenaufkleber „Nett hier, aber waren Sie schon mal
       in Baden-Württemberg?“ klebt auf der Zugspitze und im Himalaya. Er soll das
       Image des Bindestrich-Bundeslandes im Südwesten aufpolieren. Die
       ARD-Jugendwelle „Funk“ hat ihn anlässlich des peinlichen Skandals um
       verlorengegangene Lehrerstellen jetzt abgewandelt: „Nett hier, aber hatten
       Sie schon mal wegen eines IT-Fehlers 1.440 Lehrerstellen zu wenig?“
       
       Tatsächlich, es gab 20 Jahre Geister-Lehrerstellen an den 4.500
       Bildungsanstalten des Landes. Und DIPSY, eine offenbar fehlerhafte
       Software, benannt nach dem grünen Teletubbie, soll schuld sein. Sie wurde
       2005 im baden-württembergischen Kultusministerium eingeführt, und seitdem
       sind bis zu 1.440 Lehrerstellen unbesetzt geblieben – immerhin mehr als 1,5
       Prozent der Lehrerstellen im Land. Ans Licht kam der Fehler, nachdem das
       Landesamt für Besoldung nach Unklarheiten die Lehrerstellen zusammen mit
       dem Kultusministerium neu ausgezählt hatte.
       
       In der Verwaltung geht man davon aus, dass die Zahl der unbesetzten Stellen
       wegen des fortgeschriebenen Softwarefehlers über Jahre angewachsen ist.
       Warum das nicht ausgegebene Geld im Finanzministerium nicht aufgefallen
       ist, ist ebenfalls ungeklärt. Denn durch den Fehler wurden zwischen 110 und
       120 Millionen Euro im Jahr nicht ausgegeben. Das Finanzministerium
       versichert, es sei kein finanzieller Schaden entstanden.
       
       All das ist peinlich für [1][den Grünen Winfried Kretschmann], den
       Ministerpräsidenten des selbsternannten Hightechlands, der früher selbst
       Lehrer war. Für den Parteienstreit taugt der peinliche Fall dennoch nicht.
       Denn vor 20 Jahren regierte der Christdemokrat Günther Oettinger mit der
       FDP, Kultusministerin war Annette Schavan, ihr folgte Helmut Rau nach,
       beide CDU. Später standen auch noch zwei SPD-Mitglieder dem
       Kultusministerium vor.
       
       ## Stellen sollen jetzt zügig nachbesetzt werden
       
       Dennoch sprach die FDP davon, der Fehler sei von einer „überforderten
       grünen Kultusministerin verursacht worden“. [2][Theresa Schopper], Grüne
       aus Bayern, ist allerdings erst seit 2021 Kultusministerin in Stuttgart.
       Verursacht hat sie die Peinlichkeit also nicht – blöderweise aber eben auch
       nicht bemerkt.
       
       SPD-Fraktionschef Andreas Stoch, der bis 2016 selbst Kultusminister war,
       weist darauf hin, dass die Leidtragenden der jahrelang unbemerkt
       gebliebenen Unterversorgung „unsere Kinder“ seien. Das stimmt, erklärt die
       Kultusministerin, der der Skandal dennoch keine Augenringe verursacht. Denn
       Schopper weist darauf hin, dass angesichts des lange herrschenden
       Lehrermangels nicht gesagt sei, dass man die Stellen auch hätte besetzen
       können, hätte man sie denn früher entdeckt.
       
       Die GEW-Landesvorsitzende Monika Stein richtete den Blick nach vorne: „Aus
       diesem Skandal muss sofort das Beste gemacht werden, und die gute Nachricht
       für die Schulen muss sofort spürbar werden.“ Jahrelang hätten die Schulen
       mit Unterrichtsausfall und fehlendem Personal jonglieren müssen, das müsse
       sich nun ändern. Tatsächlich deckt sich die Zahl von fast 1.500 Stellen mit
       der Forderung von Lehrerverbänden der vergangenen Jahre. Sie hatten stets
       ein Stellenwachstum in dieser Größenordnung gefordert.
       
       Laut Kultusministerium sollen die Stellen schon im kommenden Schuljahr
       nachbesetzt werden. Profitieren sollen vor allem Schulen mit Schülerinnen
       und Schülern mit besonderem Förderbedarf sowie Gemeinschafts- und
       Realschulen. Der Vorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung, Gerhard
       Brand, nimmt auch Bezug auf eine Imagekampagne des Landes: Der Fall sei ein
       „Trauerspiel für das Hightechland ‚The Länd‘“.
       
       20 Jul 2025
       
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