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       # taz.de -- KI-generierte Einbände: Buchcover aus der Retorte
       
       > Große und kleine Verlage lassen immer häufiger ihre Buchcover mithilfe
       > von Künstlicher Intelligenz entwerfen. Für welches Problem ist das die
       > Lösung?
       
   IMG Bild: Buchcover der Verlage Rowohlt, Hanser und Suhrkamp
       
       Es gab mal eine Zeit, da hatte man noch Angst vor Deepfakes.
       US-Präsidenten, die den Kriegszustand ausrufen, Gesichter von Popstars, auf
       den Körper nackter Frauen montiert. Heute wird man von KI-Videos regelrecht
       überschwemmt. Neueste [1][Studien] gehen davon aus, dass ein Viertel aller
       Videos auf Tiktok KI-generiert ist. Vorbei die Zeiten, als Bildgeneratoren
       wie DALL-E und Midjourney Gespenstergestalten ausspuckten, Menschen mit ein
       paar Fingern zu viel und ein paar Augen zu wenig. Vorbei die Zeiten, als
       der Rowohlt Verlag auf Instagram damit kokettierte, dass die KI nur
       schlechte Buchcover designte. Menschengemacht, das war im Sommer 2023 noch
       State of the Art.
       
       Zwei Jahre später sitzt die KI auch im Hamburger Verlagshaus mit am Tisch.
       [2][Heinz Strunks „Zauberberg 2“] erschien in einem Buchumschlag, den die
       KI mitgestaltete – inspiriert vom Werk von Millionen Künstler:innen, die
       nie auch nur einen Cent von den großen KI-Firmen dafür erhalten dürften.
       Rowohlt steht damit nicht alleine da, auch andere Verlage sparen sich
       mittlerweile die Kosten für menschliche Illustrator:innen und
       beauftragen Grafikbüros, die KI-generierte Motive auf Buchcover setzen.
       Darüber geredet wird indes nicht so gern. Von 17 Verlagen schickten nur
       drei Antworten auf Fragen zurück, die die taz gestellt hatte. Andere
       verwiesen auf sich im Sommerurlaub befindende Expert:innen oder hüllten
       sich schlicht in Schweigen.
       
       Es sind große und kleine Verlage, die ihren Autor:innen KI-Designs zur
       Seite stellen, um sich auf dem Buchmarkt zu behaupten. Was das für Signale
       an potenzielle Leser:innen sendet, muss kaum betont werden. Wo Retorte
       draufsteht, kann nur Retorte drin sein. Wer sich für die Rechte von
       Wortkünstlern einsetzt, muss noch lange kein Herz für Bildkünstlerinnen
       zeigen. Man kann das schizophren finden. Oder pragmatisch – denn der Markt
       regelt es auch ohne Rücksicht auf die Verlagskassen.
       
       Ob KI Kunst schaffen kann, ist unerheblich, sofern sich ihre Machwerke
       verkaufen. Wie das Autorentrio James Muldoon, Mark Graham und Callum Cant
       in „Feeding the Machine“ aufzeigt, bedient sich die KI dabei am Werk von
       Künstler:innen: KI-Firmen haben das Motto der Techbranche „Move fast and
       break things“ zu „Move fast and steal things“ erweitert. Denn trainiert
       wird die KI mit allem Material, das ihr in die Finger kommt –
       urheberrechtlich geschützt oder nicht. In den USA kam es daher bereits zu
       Klagen von Verlagen gegen KI-Firmen. Zuletzt, im Juni diesen Jahres,
       entschied ein Gericht in San Francisco jedoch zugunsten der Artifiziellen:
       KI-Software dürfe auch ohne Zustimmung der Autor:innen trainiert werden,
       sofern deren Werke nicht illegal erworben worden seien.
       
       ## Richtungsweisender Entscheid in den USA
       
       Für deutschsprachige Verlage habe diese Entscheidung Folgen, heißt es
       vonseiten des Diogenes Verlags. Wie eine Pressesprecherin des Schweizer
       Verlagshauses mitteilt, prüfe man die Bedeutung des Entscheids in den USA
       gerade mit den europäischen Verbänden, darunter auch der Börsenverein des
       deutschen Buchhandels. Man verweise zudem bei Neuerscheinungen schriftlich
       darauf, dass die Nutzung des Werks „zu Trainingszwecken“ der KI untersagt
       ist.
       
       Gleiches tut auch der Verlag C. H. Beck. Ein Problem bestehe allerdings
       darin, dass sogenanntes Text and Data Mining (TDM) für wissenschaftliche
       Zwecke, auf die sich KI-Firmen berufen, so nicht unterbunden werden könne,
       so eine Verlagssprecherin. Praktische Auswirkungen dürfte der TDM-Hinweis
       also wenige haben.
       
       Übrigens kommen auch bei C. H. Beck KI-generierte Motive bei der
       Covergestaltung zum Einsatz, bestätigt der Verlag, allerdings immer in
       Absprache mit den Autor:innen. Nun wenden sicher nicht alle
       Schriftsteller:innen [3][die gleichen Qualitätsmaßstäbe an ihr Schreiben
       an.] Wer in wenigen Jahren mehr als 100 Bücher schreibt, der übersieht
       vielleicht mal, dass in einem noch die Antwort eines Chatbots drinsteht,
       der brav die Ausführung von Befehlen vermeldet wie jüngst bei einer
       Romance-Autorin geschehen.
       
       Generative KI verengt die Welt, sie ist ausgesprochen gut darin, es allen
       recht zu machen. Wenn ein Erfolgsautor wie Frank Schätzing selbst zur Maus
       greift und mittels KI sein neustes Mittelalter-Epos so bebildert, wie so
       was eben bebildert wird, ist das womöglich ein bisschen egal; man weiß ja,
       was man zum Kilopreis kauft. Doch wenn Verlage den Druck KI-generierter
       Buchumschläge absegnen, die wie [4][im Fall Anne de Marcken (Suhrkamp) die
       vielleicht feinfühligste Zombiegeschichte aller Zeiten umkleiden,] kann man
       das Produkt nicht anders als verramscht bezeichnen.
       
       ## Aufgeschlossen gegenüber neuer Technologie
       
       Es gibt eine Leitfrage, die der Medienwissenschaftler Neil Postman
       Technologiekritiker:innen in den 80ern an die Hand gab, die in ihrer
       Simplizität heute noch zu gebrauchen ist: Für welches Problem ist das jetzt
       die Lösung? Vielleicht will man in der Buchbranche auch nur dem Vorwurf
       entgehen, als Luddit zu gelten, wenn man wie der Wallstein Verlag die
       „Aufgeschlossenheit gegenüber technischen Innovationen“ betont. Nach
       bisherigen Erfahrungen, so eine Sprecherin, sei KI beim Coverdesign „ein
       weiteres Tool, wie es zum Beispiel die großen Bilddatenbanken“ schon seit
       geraumer Zeit seien.
       
       Nun gehören neue Technologien und Zivilisationskritik seit jeher zusammen.
       Doch die Nutzungen von KI und digitalen Stockfotos lassen sich nur bedingt
       miteinander vergleichen. Mit dem Aufkommen großer Bilddatenbanken wie
       Shutterstock fürchtete man zwar auch um die Zukunft von Fotografen, deren
       Arbeit durch eine Schwemme an Amateurfotos an Wert verlöre, doch immerhin
       waren es hier Menschen, die in der Arena des Markts gegeneinander kämpften;
       nach einem Regelwerk freilich, das man im kapitalistischen Realismus als
       fair bezeichnet.
       
       Dass ein vom Verlag beauftragtes Grafikbüro ein Cover mithilfe von KI
       generiert hat, muss übrigens nicht angegeben werden. Erst mit Inkrafttreten
       der EU-KI-Verordnung im August 2026 ist das Kennzeichnen von mit KI
       erstellten Inhalten gesetzlich vorgeschrieben. Nicht als solche
       ausgewiesene KI-Verdachtsfälle, denen die taz begegnete, gab es einige.
       Entsprechende Anfragen an Grafikbüros blieben unbeantwortet. Sind ja auch
       Sommerferien.
       
       1 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.spiegel.de/netzwelt/ai-slop-auf-tiktok-und-instagram-ki-inhalte-verstopfen-die-timelines-a-50435346-1c38-4824-907f-67d27c31e5c0
   DIR [2] /Roman-Zauberberg-2-von-Heinz-Strunk/!6056799
   DIR [3] /Romane-mit-Spice-und-Happy-End/!5979599
   DIR [4] /Anne-de-Marcken-legt-einen-spektakulaeren-apokalyptischen-Roman-vor/!6100831
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Julia Hubernagel
       
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