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       # taz.de -- Edgar Wallace bei 3sat: Alle so jung, alles so fesselnd gruselig
       
       > „Die toten Augen von London“ sind ein Klassiker – ob als Buch oder Film.
       > Und was geschieht, wenn man Klassiker wieder hervorholt? Sie verwandeln
       > sich.
       
   IMG Bild: „Die toten Augen von London“ von Edgar Wallace mit Klaus Kinski und Joachim Fuchsberger
       
       Stellen Sie sich Folgendes vor: Sie schauen einen Film an – und von der
       ersten Minute ist Ihnen die Handlung vertraut. Sie wissen vorab, dass
       Inspektor Larry Holt überrascht sein wird, in seinem Büro auf Nora Ward zu
       treffen – er hatte sie sich als alte Tante vorgestellt; so wie sie
       gleichsam überrascht sein wird, dass er kein alter Knochen ist.
       
       Sie wissen, dass Scotland Yard sie als [1][Braille]-Spezialistin angefragt
       hat. Weil man einen Fetzen unverwüstlichen Papiers mit jenen
       Schriftprägungen bei einer Leiche in der Themse gefunden hat.
       
       Und mit jeder Filmminute wird Ihnen klarer: Sie kennen alles – vom
       Opfermuster, allesamt hoch versicherte, stinkend reiche Männer, bis zu
       Motiv, Plan, Tat. Und Sie sind nicht wirklich sauer, dass Sie sich damit
       selbst den Krimi spoilern, weil der Film eine so großartige Mischung aus
       kauzig und gruselig ist.
       
       Und doch wirkt alles seltsam. Die Leute sehen anders aus. Hatte man den
       unfassbar jungen Blacky Fuchsberger als Holt vor Augen, die stabil blond
       ondulierte Karin Baal als Nora Ward?
       
       ## Die Komik einer Kopfbewegung
       
       Überhaupt: Hatte man das Ganze in Schwarz-Weiß gesehen? Begann die
       Geschichte nicht eigentlich in Paris? Auch die Todeskämpfe der Mordopfer
       hatte man anders in Erinnerung – gedämpfter, die Schreie weniger
       markerschütternd. Definitiv ohne die schreckgeweiteten Augen von Klaus
       Kinski. Und was zur Hölle macht Eddi Arent da als strickender
       Kriminalassistent Sunny Harvey? An diese typische Arent-Art, Komik in eine
       Kopfbewegung, einen Tonfall zu packen, müsste man sich doch erinnern! Oder?
       
       Dass all das so bekannt scheint, wundert kaum: [2][Edgar Wallace]’ „Die
       toten Augen von London“ ist schließlich ein Klassiker. Vor allem als Teil
       der Welle westdeutscher Wallace-Verfilmungen seit Ende der 1950er. Seit
       Mitte Juli sendet 3sat viele davon abends – weshalb sie aktuell dort in der
       Mediathek liegen. So wie „Die toten Augen von London“ von 1961, verfilmt
       von [3][Alfred Vohrer].
       
       Was dieses seltsam surreal verschobene Déjà-vu-Erlebnis angeht: Es löst
       sich auf mit einem Blick vom Schreibtisch aus nach links, zu einem Stapel
       unterm Bücherregal. Ein Packen dünner Taschenbücher, alarmrot, ein bisschen
       zerfleddert hier und da. Auf den Buchrücken steht „Goldmanns
       Taschen-Krimi“. Eingepackt bei einem der vorigen Besuche im westdeutschen
       Elternhaus, die alten Bände aus der Jugendzeit des Vaters.
       
       Neulich, auf dem Weg zu einem Zahnarzttermin, ging es darum, vorbereitet zu
       sein: auf Wartezeit, speckige Lesezirkelzeitschriften, noch mehr Wartezeit.
       
       Und so saß man dann also im tiefen Südosten Berlins im Wartezimmer und las,
       was man sich in der Eile eingesteckt hatte: „Die toten Augen von London“,
       zuletzt gelesen vor 35 Jahren. Exakt dieses Exemplar. Ganz vorne der
       Stempel mit der väterlichen Elternhausadresse. Der Kleber hat sich
       inzwischen aufgelöst, wo er war, sind nun dunkle Stellen. Die Seiten lösen
       sich einzeln, wenn man nicht vorsichtig umblättert. Auf der ersten Seite
       steht unten klein: „Es ist unmöglich, von Edgar Wallace nicht gefesselt zu
       sein!“
       
       Das westdeutsche Nachkriegsdeutschland konnte nicht genug davon bekommen:
       Über 30 dieser Buchverfilmungen entstanden damals. Und sind auch heute:
       fesselnd gruselig. Selbst wenn man sie in der Mediathek streamt.
       
       „Die toten Augen von London“, [4][3sat-Mediathek]
       
       1 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Zum-Verhaeltnis-von-Kunst-und-Blindheit/!6086873
   DIR [2] /London-steht-drauf-Hamburg-ist-drin/!5895245&s/
   DIR [3] https://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Vohrer
   DIR [4] https://www.3sat.de/film/spielfilm/edgar-wallace-die-toten-augen-von-london-100.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anne Haeming
       
       ## TAGS
       
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