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       # taz.de -- trans in den USA: Sie ist ihr eigener Ritter
       
       > Schon als Kind wusste sie, dass sie trans ist, sagt Arta Brito. Trumps
       > Regierung bestreitet ihre Existenz – und sie kämpft darum, sie selbst zu
       > sein.
       
   IMG Bild: Verließ ihre Herkunftsfamilie nach ihrem Coming-out als trans Person: die Künstlerin Arta Brito
       
       Arta Brito schließt eine der großen Metalltüren ihres Ateliers auf; es ist
       ein Frühlingstag in der Kleinstadt Easton in Pennsylvania. Ihr Arbeitsplatz
       liegt am Rande der belebten Altstadt, das Gebäude wirkt von außen wie eine
       Garage. Drinnen stehen auf dem Steinboden Sprühdosen und Farbeimer, an den
       Betonwänden hängen farbenfroh-abstrakte Gemälde, Lichterketten und
       Collagen.
       
       Arta Brito ist 31 Jahre alt, trägt Kajal, High Heels, ein Kleid und eine
       schwarze Strickjacke. Ihre Haare hat sie zu einem Zopf zusammengebunden.
       Vor sich auf dem Tisch hat sie [1][ein Ausstellungskonzept für den Pride
       Month] im Jahr 2026.
       
       „Ich bin in dem Alter, in dem ich etwas bewirken sollte“, sagt sie mit
       fester Stimme, während sie einen Platz zum Sitzen auf ihrem Sofa mitten im
       Raum herrichtet. „Die Welt hat sich verändert, ich habe mich komplett
       verändert.“ Sie will für die Rechte queerer Menschen, für die Rechte von
       trans Menschen kämpfen. Für ihre eigenen Rechte.
       
       In Arta Britos Regalen stehen Bücher über Rembrandt, Rubens und andere
       Vorbilder, die – wie sie auch – figürlich zeichnen. Sie arbeitet mit
       Menschen und Körpern als Motiv. Ihre Bilder kennzeichnet sie mit ihren
       Initialen „AB“, das B steht dabei umgedreht und horizontal unter dem A; sie
       mag das einerseits, weil das etwas unanständig und wie ein Penis aussieht,
       andererseits soll es an das Monogramm Albrechts Dürers erinnern, den sie
       verehrt.
       
       ## Feindbild für Trump
       
       Arta Brito ist in Ecuador geboren. Seit ihrem vierten Lebensjahr lebt sie
       in den USA und seit 2021 in Easton. Sie ist Künstlerin, Anarchistin und
       trans. Mit all diesen Identitäten gilt sie der Regierung Trump als
       Feindbild – am meisten aber als trans Person.
       
       Eines der ersten Dekrete Donald Trumps nach dessen neuerlichem Amtsantritt
       besagte: [2][„Es ist die Politik der Vereinigten Staaten, zwei
       Geschlechter, männlich und weiblich, anzuerkennen. Diese Geschlechter sind
       nicht veränderbar und beruhen auf einer grundlegenden und unbestreitbaren
       Realität.“] Trump führt einen Kulturkampf gegen trans Personen. Sie werden
       aus dem Wettkampfsport ausgeschlossen, aus dem Militär, die Einreise
       ausländischer trans Menschen wird erschwert. Das Weiße Haus greift sie in
       ihrer Existenz an.
       
       Ihre Identität als trans Frau hat Arta Brito lange verdrängt, nimmt
       inzwischen aber eine Geschlechtsangleichung vor. Seit drei Jahren macht sie
       eine Hormontherapie: Sie nimmt Östrogen, um Brüste zu bekommen, und
       außerdem Medikamente, die ihre Testosteronproduktion hemmen. „Ich will
       weiblicher sein, weil sich das natürlich anfühlt für das, was ich im
       Inneren bin.“
       
       Der medizinische Fortschritt fasziniert sie: Menschen können für sich
       entscheiden, wie ihr Hormonspiegel sein soll. Für Arta Brito ist das ein
       Teil der Selbstbestimmung. „Es ist ein Teil meines Geschlechtsausdrucks und
       meines Rechts auf mein Leben und auf mein Streben nach Glück. Jeder Mensch
       hat andere Vorstellungen von seinem Körper“, sagt sie. „Ich schätze, manche
       Leute würden das, was ich hier tue, als Verstümmelung bezeichnen. Aber ich
       sehe es so, dass es mein Körper ist.“
       
       ## Das goldene schwarze Schaf
       
       Arta Brito hat sich auch einen neuen Namen gegeben. Brito ist der
       Mädchenname ihrer Mutter und Arta ist ein weiblicher albanischer Vorname,
       der „Die Goldene“ oder „Die Wahrheit“ bedeutet. Ihr alter Name, der mit dem
       ihres Vaters identisch ist, hat sich für sie falsch angefühlt. Nun steht
       „Arta Brito“ auch in ihrem Ausweis.
       
       Ihre Kunst zeigt ihre Auseinandersetzung mit ihrer Identität. Über ihrer
       Werkbank hängt ein Gemälde, das ein Wesen mit detailliert gezeichnetem
       knabenhaftem Kopf zeigt, der von einem Heiligenschein umgeben wird. Die
       Figur ist nackt und blickt den Betrachter mit einer Mischung aus Ekstase
       und Laszivität an. In den Händen hält sie ein Kreuz, an dem eine Fahne
       befestigt ist. Sie geht auf allen Vieren, hat zwei Hände, ein paar Brüste
       und einen Unterkörper, der von zwei Hufen getragen wird. Halb Mensch, halb
       Schaf. Außerdem fließt aus dem Körper der Figur eine weiße Flüssigkeit in
       ein gralartiges Gefäß. Das Gemälde heißt „Black Sheep“ und symbolisiert
       Arta Britos Geschlechtsangleichung, wie sie sagt.
       
       Ihr Heimatstaat Pennsylvania gehört dabei zu den drei Bundesstaaten, in
       denen sich seit Donald Trumps Amtsantritt rein rechtlich bislang nichts
       geändert hat. Die meisten LGBTQ-Gesetze sind in den USA Sache der Staaten.
       [3][28 von 50 Bundesstaaten haben mit restriktiveren Maßnahmen auf Trumps
       transfeindliche politische Linie reagiert], 20 haben sich hingegen dazu
       entschieden, Maßnahmen zu ergreifen, um trans Personen zu schützen.
       
       In Pennsylvania ist Gender Affirming Care – also psychologische und
       medizinische Maßnahmen, die eine Transition unterstützen sollen – für unter
       19-Jährige weiterhin nicht verboten. Doch die Trump-Politik, die vor allem
       mit Angst und Verunsicherung arbeitet, greift auch hier.
       
       Im Streit darum, ob trans Athletinnen in Frauenteams antreten dürfen, hat
       die University of Pennsylvania gegenüber der Regierung nachgegeben, [4][sie
       werden nun von Wettkämpfen ausgeschlossen]. Gesundheitszentren wie das UPMC
       (University of Pittsburgh Medical Center) und Penn Medicine haben die
       Angebote für Gender Affirming Care für Jugendliche im vorauseilenden
       Gehorsam aus ihrem Programm gestrichen – aus Angst vor Trumps Androhungen,
       öffentliche Fördergelder zu streichen. Zudem wurden Krankenhäuser und
       Kliniken, die geschlechtsangleichende Maßnahmen für Jugendliche anboten,
       noch zur Zeit von Joe Bidens Präsidentschaft mit Bombendrohungen und
       anderen Angriffen unter Druck gesetzt.
       
       ## Sie zeichnet, seit sie einen Stift halten kann
       
       Donald Trump gewann die Wahl im Bezirk Northampton, in dem Easton liegt,
       und auch im gesamten Bundesstaat Pennsylvania – wenn auch jeweils knapp.
       Die Stadt wird allerdings von einem demokratischen Bürgermeister regiert,
       und auf lokaler Ebene gilt ein Antidiskriminierungsgesetz, das trans
       Personen schützen soll. Transphobes und diskriminierendes Verhalten kann
       gemeldet werden. Das hilft wiederum nur bedingt, denn bereits im Nachbarort
       von Easton gilt dieses Gesetz nicht. Und auch im Ort selbst halten Gesetze
       Menschen nicht davon ab, im Alltag transfeindlich zu sein. Arta Brito
       erlebe das immer wieder, sagt sie, etwa wenn sie einkaufen gehe oder in der
       Apotheke ihre Hormone abhole.
       
       Geboren wurde sie im Dezember 1993 in Ambato, einer Stadt in der
       Andenhochebene mit rund 178.000 Einwohnern, die seit vielen Jahrhunderten
       von indigenen Gruppen bewohnt wird. Ihre Erinnerungen an Ecuador bestehen
       aus einem lilagetupften Himmel und den leichten Erdbeben, die sie im Haus
       in den Anden spürte, als sie „Power Rangers“ im Fernsehen sah. Als sie vier
       Jahre alt war, zog sie mit ihren Eltern und ihren beiden Schwestern nach
       Dunellen, New Jersey, an der US-Ostküste.
       
       Arta Brito zeichnet, seitdem sie einen Stift halten kann – und zwar alles,
       was sich vor ihrem Auge auftut. Häuser, Menschen, Bewegungen. Sie versucht,
       die Wirklichkeit einzufangen, das, was um sie herum passiert. Als sie ihren
       Eltern nach der Schule eröffnet, in Zukunft nichts anderes als Kunst machen
       zu wollen, sind die nicht gerade begeistert. „Du willst Kunst machen? Sind
       wir dafür in dieses Land gekommen?“, fragen sie.
       
       Sie selbst haben den American Dream gelebt: Ihr Vater ist Architekt, die
       Mutter Gastronomin. Ihre Familie hat also eigentlich Geld, verwehrt Arta
       Brito aber die weitere Unterstützung. Also geht sie 2014 allein nach New
       York, um für die Jeff Koons Studios in Manhattan zu arbeiten. „Nur um das
       klarzumachen“, sagt sie mit Nachdruck, „das war für eine junge Künstlerin
       ungefähr so, als hätte man zur Zeit der Hochrenaissance mit 12 als Lehrling
       bei Michelangelo angefangen.“
       
       ## Das Leben als schwuler Mann
       
       In New York hat sie ihre Geschlechtsangleichung noch nicht begonnen, lebt
       noch als schwuler Mann. „Das war ein Weg, mit der Realität zurechtzukommen,
       irgendwie bewusst als Mensch zu überleben, solange ich konnte, bis ich
       meine Wahrheit tatsächlich manifestieren konnte“, sagt sie heute.
       
       In New York ist sie umgeben von Menschen, die trans sind und in deren
       Gegenwart sie sich sicher und wohl fühlt. Sie spürt, dass sie sich
       künstlerisch ausleben kann, sich frei bewegen will – aber nicht frei ist.
       Arta Brito weiß, dass sie trans ist, doch niemand kennt ihre Identität,
       nicht ihre Herkunftsfamilie, nicht ihr damaliger Partner, der sie als Mann
       liebt. Sie ahnt, dass ihre Familie sie nicht unterstützen würde, wenn sie
       sich outet. In den Augen ihrer Eltern gilt ihre Existenz als Blasphemie.
       
       Dabei stammt ihre Familie aus einer Kultur, die ein Geschlechtsverständnis
       hat, das sich ursprünglich ziemlich stark vom westlichen unterscheidet.
       Ihre Großmutter hat einen indigenen (Inka-)Hintergrund. Die spanischen
       Konquistadoren haben die Inka-Kultur bereits im 16. Jahrhundert unterdrückt
       und zerstört, heute sei viel zu wenig von dieser überliefert, sagt Arta
       Brito. Das Aufsammeln des verstreuten Wissens bildet ein zentrales Thema in
       ihrer Kunst.
       
       Bei den Inkas hat man trans Personen, auch wenn sie damals sicher nicht so
       hießen, völlig anders angesehen als in westlichen Kulturen. In der
       Philosophie der Inka verkörperten die Quariwarmi, die als Schaman*innen
       in den Anden dienten, eine dritte kreative Kraft zwischen dem Männlichen
       und dem Weiblichen. Sie galten als Vermittler*innen zwischen
       Gegensätzlichkeiten wie Tag und Nacht, Mann und Frau, die eine zentrale
       Rolle im Weltbild der Inka spielten. In ihren Ritualen beschworen sie die
       zweigeschlechtliche Jaguar-Gottheit Chuqui Chinchay. Teil dieser Rituale
       waren gleichgeschlechtliche erotische Praktiken.
       
       Aus Sicht der katholischen, spanischen Kolonialisten galten sie als
       teuflisch. Sie riefen zur Vernichtung der Quariwarmi auf. „Aus diesem
       kolonialen Umfeld kommt meine Familie“, sagt Arta Brito. „Man lehrte sie
       das Christentum und den Katholizismus und zwang ihnen diese Religion auf.“
       
       ## Der lange Weg zur Transition
       
       Arta Britos Weg zur Transition ist lang und nicht linear. Auf die Frage,
       wann sie wusste, dass sie trans sei, antwortet sie: seit ihrem dritten
       Lebensjahr. Dem Zeitpunkt, an dem ihr Denken einsetzt, auch wenn sie damals
       für das, was sie ausmacht, noch keine Sprache hat. Ab diesem Zeitpunkt,
       irgendwann Mitte der Neunzigerjahre, beginnt für sie die Reise, die sie zu
       dem Menschen machen soll, der sie heute ist.
       
       In der Middle School in Dunellen hat sie ihr Coming-out als schwuler Junge,
       obwohl sie schon da spürt, dass das nicht stimmt. Sie erinnert sich an die
       Leute, die über die südamerikanischen Immigranten wettern, an die Leute in
       der Schule, die sie gemobbt und gehänselt haben. Als queere,
       südamerikanische Migrantin ist sie zur Schulzeit für die meisten ein
       leichtes Ziel. Wenn sie zu Hause weint, reagieren ihre Eltern mit
       Züchtigung und Härte. Sie hätten verhindern wollen, dass sie
       „verweichlicht“, erzählt sie.
       
       Erst 2021 hat Arta Brito ihr Coming-out als trans Person. Ihre familiäre
       und ihre Lebenssituation hat sich inzwischen geändert: Ihre Eltern leben
       getrennt, ihre Mutter ist fern von ihr in Ecuador, der Vater und die beiden
       Schwestern sind in Pennsylvania. Sie lebt bei ihrem Vater, um finanziell
       besser über die Runden zu kommen. Der Vater und die Schwestern reagieren
       auf ihr Coming-out mit Ablehnung. Das Schwulsein hätten sie noch ertragen
       können, das Transsein nicht.
       
       Arta Brito trennt sich daraufhin von ihrer Herkunftsfamilie. Sie findet
       Zuflucht bei dem Ehepaar Andy Laties und Rebecca Migdal, die beide Anfang
       60 sind. Sie stellen ihr ein Zimmer zur Verfügung, in dem sie mietfrei
       leben kann. Dort wohnt sie bis heute.
       
       ## Beeindruckt von der neuen Mitbewohnerin
       
       Andy Laties ist Schriftsteller und Buchhändler, er ermöglicht es Arta
       Brito, bei ihm im Laden Ausstellungen zu organisieren. Rebecca Migdal hat
       in Jung’scher Psychologie promoviert und nimmt für Arta Brito eine
       Mentor:innenrolle ein. Migdal gibt sich selbst den Künstlernamen Gaia,
       definiert sich als nicht binär und ist beeindruckt von ihrer neuen
       Mitbewohnerin. Sie sieht in ihr „eine Kämpferin, die leidenschaftlich für
       ihre Wahrheit eintritt“, sagt sie. „Es bedeutet mir sehr viel, dies zu
       fördern und zu unterstützen!“
       
       Am Haus des Ehepaares befindet sich eine regenbogenfarbene Pride-Flagge und
       die Transflagge mit hellblauen, hellrosa und weißen Streifen. Wie
       Pfeilspitzen zeigen sie direkt in den Nachbargarten, in dem ebenfalls eine
       Flagge weht – allerdings ist das die US-amerikanische und sie befindet sich
       an einem gut drei Meter hohen Mast, der von zwei Donald-Trump-Skulpturen
       mit roten Make-America-Great-Again-Caps bewacht wird.
       
       Um Gender Affirming Care in Anspruch zu nehmen und eine Hormontherapie
       machen, sucht Arta Brito 2021 einen Arzt auf. Der führt mit ihr ein
       Aufklärungsgespräch [5][und stellt nach psychologisch festgeschriebenen
       Maßstäben Geschlechtsdysphorie] fest, eine psychische Belastung, bei der
       eine Person eine tiefe und anhaltende Unzufriedenheit mit ihrem bei der
       Geburt zugewiesenen Geschlecht empfindet. Der Arzt führt mit Arta Brito ein
       Einwilligungsgespräch durch, das speziell auf Bedürfnisse von trans
       Personen ausgerichtet ist.
       
       Die Hürden für trans Personen, die Hormone bekommen wollen, sind in den USA
       deutlich niedriger als noch vor gut 20 Jahren. Damals war es üblich, durch
       eine Art Gatekeeping mit monatelangen Wartezeiten und psychologischen Tests
       die trans Identität von Menschen auf die Probe zu stellen. Die
       Erleichterungen der jüngeren Vergangenheit will Donald Trump nun möglichst
       schnell zurückdrehen.
       
       ## Auch das Umfeld ändert sich
       
       Arta Brito nimmt nach ihrem Coming-out als trans Person auch das
       Beratungsangebot des Eastern PA Trans Equity Projects in Anspruch, einer
       NGO, die trans Personen im Osten Pennsylvanias unterstützt. Gründerin
       Corinne Goodwin erzählt im Videochat, wie sie das komplett
       spendenfinanzierte Projekt vor sechs Jahren ins Leben gerufen hat. Heute
       arbeitet sie in 42 Kreisen, in einer Gegend, in der insgesamt acht
       Millionen Menschen leben, von denen sich gut 64.000 als trans
       identifizieren.
       
       Goodwin gehört dazu. Wie fast jede dritte trans Person in den USA hat sie
       selbst erlebt, wie ein Arzt ihr die medizinische Versorgung verweigert
       hat. Dazu kennt sie die starrenden Blicke in Toilettenräumen und Personen
       im Alltagsumfeld, die sie absichtlich mit dem falschen Geschlecht
       ansprechen.
       
       Goodwin und ihre Organisation helfen neben trans Personen auch dem Umfeld
       dieser Menschen. „Als ich mein Geschlecht angleichen ließ, hat sich auch
       mein ganzes Umfeld umgestellt!“, sagt sie. Es gehe bei ihrer Arbeit um
       pragmatische Unterstützung. Viele trans Personen haben Geldprobleme. Grund
       dafür sind unter anderem Schwierigkeiten, ihren Namen ändern zu lassen –
       auch Arta Brito hatte diese zunächst.
       
       Die Namensänderung ist kompliziert und nicht günstig. Sie koste je nach
       Bezirk 150 bis 300 Dollar, für neue Dokumente und den Verwaltungsaufwand.
       So basiert die Regelung zur Namensänderung in Arta Britos Bezirk
       Northampton auf einem Gesetz aus den 1920er-Jahren, das 1982 zum letzten
       Mal überarbeitet wurde.
       
       Unter anderem muss eine Annonce in einer Zeitung und einem Amtsblatt
       erscheinen, bei der das Anliegen offengelegt wird, damit jede*r
       Bürger*in bei der Gerichtsverhandlung zur Namensänderung erscheinen und
       theoretisch Einspruch einlegen kann. Trans Personen müssen erst eine
       Ausnahmeregelung erwirken, wenn sie dies nicht wollen – auf diesem Weg
       musste auch Arta Brito die Änderung nicht öffentlich machen. Das Eastern PA
       Trans Equity Project hat vergangenes Jahr 200 dieser Namensänderungen
       bezahlt. Die Hilfe in finanziellen Notlagen bildet eine Säule der
       Organisationsarbeit.
       
       ## „Wir erleben gerade einen großen Rückschritt“
       
       Dazu kommt die Unterstützung in Einzelfällen. So hat die NGO vor Kurzem
       erreicht, dass eine trans Frau in einem Bezirksgefängnis nicht mit Männern
       untergebracht werden muss. Außerdem bieten Corinne Goodwin und ihre
       Kolleg:innen ein Infotelefon an, bei dem 2024 über 2.000 Anrufe
       eingingen. Seit Trump wieder im Amt ist, sind es deutlich mehr geworden.
       Allein am Tag seiner Amtseinführung gab es 78 Anrufe, in der Regel sind es
       seither 10 bis 20 Beratungsgespräche täglich. Zwischen 2010 und 2020 habe
       sich die Situation von trans Personen eigentlich verbessert, erklärt
       Goodwin, „aber in den letzten paar Jahren gab es viel Gegenwind. Wir
       erleben gerade einen großen Rückschritt.“
       
       Goodwin räumt im Gespräch auch mit weit verbreiteten Missverständnissen und
       Fake News auf. „Es ist nicht so, dass du da jetzt einfach zum Arzt gehst
       und deine Hormone bekommst“, sagt sie aufgebracht. „Das Ganze ist mit
       psychologischen Gutachten verbunden und einem monatelangen Aufbau einer
       Beziehung zum Arzt, der die Medikamente verschreibt.“
       
       Dass medizinische Institutionen in Pennsylvania schon jetzt vor Donald
       Trump einknicken, hält sie für fatal. Es sei gefährlich für die physische
       und vor allem mentale Gesundheit von Menschen, die sich in einer
       Geschlechtsangleichung befinden und dafür Hormone einnehmen. In der Folge
       komme es vermehrt zu psychischen Erkrankungen. Erst kürzlich hätte sich ein
       junger Mann das Leben genommen, weil ihm der Zugang zu Gender Affirming
       Care nicht ermöglicht worden sei, sagt Goodwin.
       
       ## Der Kampf um die Deutungshoheit
       
       Im Mai 2025 wurde [6][eine offizielle Studie des
       US-Gesundheitsministeriums] zur Geschlechtsdysphorie bei Jugendlichen
       veröffentlicht, die von anonymen Autor:innen verfasst wurde. Sie sollte
       belegen, dass sich die mentale Gesundheit nach einer Hormonbehandlung bei
       Kindern und Jugendlichen nicht verbessere, dass sie gar zur Unfruchtbarkeit
       führe und unerwünschte psychische Nebenwirkungen habe. Überdies sollte sie
       zeigen, dass geschlechtsangleichende Maßnahmen Experimente seien, deren
       Nutzen nicht nachgewiesen werden könne.
       
       Die Amerikanische Akademie für Pädiatrie (AAP) [7][kritisierte die Studie
       scharf]. Sie sei nicht glaubwürdig, zudem stütze sie sich nur auf
       ausgewählte Perspektiven und eine begrenzte Auswahl an Daten. Die
       offizielle Empfehlung der AAP besagt unter anderem, dass trans Jugendliche
       „Zugang zu einer umfassenden, geschlechtsspezifischen und
       entwicklungsgerechten Gesundheitsversorgung haben sollten, die in einem
       sicheren und integrativen klinischen Umfeld angeboten wird“.
       
       Ebenfalls im Mai [8][wurde eine Studie veröffentlicht], die die
       republikanische Regierung des Bundesstaates Utah 2023 in Auftrag gegeben
       hatte und in der auch die Auswirkungen geschlechtsangleichender Maßnahmen
       bei Minderjährigen überprüft wurden. Sie ist über 1.000 Seiten stark und
       enthält die Daten von Tausenden trans Personen.
       
       Das Ergebnis steht in deutlichem Widerspruch zu der Studie des
       Gesundheitsministeriums. Sie zeigt, dass sich die psychische Gesundheit von
       Jugendlichen in fast allen Fällen geschlechtsangleichender Maßnahmen
       bessert und das Suizidrisiko sinkt. Das Ergebnis haben die republikanischen
       Abgeordneten in Utah daraufhin kleingeredet.
       
       „Es ist doch ganz einfach: Die trans Jugendlichen sind glücklicher“, sagt
       Corinne Goodwin und lächelt sanft. Schließlich sei es das, worum sie die
       ganze Zeit bitten würden: So zu leben, wie sie leben wollen.
       
       ## Alltägliche Anfeindungen
       
       Ein typisches Problem, gegen das Goodwin in ihrer Arbeit immer wieder
       ankämpft, ist die Obdachlosigkeit, von der besonders trans Personen
       betroffen sind. Sie können, wollen und dürfen oft nicht mehr bei ihren
       Herkunftsfamilien leben, werden verstoßen oder müssen sich ihnen entziehen,
       um ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Wie auch Arta Brito.
       
       Die Verletzungen, die sie ertragen hat, schwingen bei ihr mit. In ihrem
       Leben, in ihrer Kunst. Wenn sie im Atelier von alltäglichen Anfeindungen
       spricht, wird ihre Stimme immer ernster, heftiger. Sie erinnert sich an
       eine Situation in der Apotheke: Ein Typ durchbohrte sie an der Kasse mit
       abschätzigen Blicken, fragte sie zunächst, wo die Schlange ist, um sie kurz
       darauf anzuschreien. „Die Schlange beginnt hier drüben, you piece of
       shit!“, habe sie innerlich gedacht, und dann: „Weil meine Stimme weicher
       ist und ich größer bin und heißer aussehe als er es je sein kann, weil ich
       zweideutig attraktiv bin, schämt dieser Typ sich. Was soll ich machen? Den
       Scheiß einfach so hinnehmen?“
       
       Sie ist müde von den Schikanen, müde von der Arbeit, die es braucht, um für
       das Leben zu kämpfen, das sie führen will. „Was soll das?“, fährt sie noch
       immer den imaginierten Kunden an, der Arta Brito belästigt. „Warum tust du
       das? Weil du dich mit mir unwohl fühlst. Du willst mich vor allen Leuten
       tyrannisieren, damit du das Gefühl hast, du hättest einen Hauch von
       Kontrolle in dieser Welt, in der du selbst denkst, keine Rechte zu haben.
       Also fängst du Streit mit mir an. Ich habe es so satt!“
       
       In einer Ecke in Arta Britos Atelier steht ein Gemälde, das eine Tarotkarte
       zeigt. Die Karte des Mondes, die unter anderem für das Irrationale, die
       unentdeckten Ängste und das Träumerische steht. Nur ist die Figur, die sich
       auf dieser Karte befindet, Arta Brito selbst – mit offenen wehenden Haaren,
       in Ritterrüstung, mit einem Helm in der Hand.
       
       Es soll die französische Freiheitskämpferin Jeanne d’Arc verkörpern, die im
       Mai 1431 auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. „Ich bin damit ein Ritter
       und ziehe meinen Hut vor Jeanne d’Arc“, sagt sie. Für Arta Brito ist sie
       eine nicht binäre Figur, weil sie in Rüstung in die Schlacht ritt, das
       französische Heer anführte, das aus Männern bestand.
       
       Arta Brito lächelt, stellt sich neben das Werk. Blickt auf die Zeichnung,
       schließt kurz die Augen. Und spricht dann so, als wolle sie sichergehen,
       dass jedes ihrer Worte Platz im Raum findet: „Ich beschwöre sie als Heldin,
       um mir auf die Brust zu klopfen und zu sagen: Ich bin eine trans Frau, weil
       ich eine trans Frau bin. Ich bin mein eigener Ritter. Ich muss mich selbst
       retten, unabhängig davon, ob ein Mann mich liebt oder nicht. Ich muss mich
       selbst lieben, unabhängig von der Gesellschaft, die mich liebt oder nicht.
       Ich muss mich selbst lieben, unabhängig davon, ob meine Familie mich liebt
       oder nicht. Ich muss mich selbst lieben, so wie es jeder Mensch tun muss.“
       
       2 Aug 2025
       
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