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       # taz.de -- Antikorruptionsbehörden und Selenskyj: Kehrtwende dank der EU und der ukrainischen Zivilbevölkerung
       
       > Das missliche Hin und Her um die Antikorruptionsbehörden schadet der
       > Ukraine. Dabei hat die das Land eigentlich ganz andere Probleme.
       
   IMG Bild: Demonstrationen mit Wirkung: Anti-Korruptions-Protest in Kyjiw im Juli 2025
       
       Immerhin: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist doch noch zur
       Besinnung und zu Bewusstsein gekommen. Zu dem Bewusstsein, dass es
       heutzutage in der Ukraine ganz offensichtlich nicht mehr möglich ist, mal
       eben im Schnelldurchgang zwei wichtige Antikorruptionsbehörden abzuwickeln
       und an die Kandare zu nehmen – frei nach dem Motto: Merkt doch keiner. Von
       wegen.
       
       Dass der Westen, allem voran die Europäische Union, deutliche kritische
       Worte fand und unter Androhung eines Stopps aller Finanzhilfen massiven
       Druck ausübte, ist eine Sache. Übrigens: Ein Blick nach Georgien hätte
       nützlich sein können. In der Südkaukasusrepublik ist zu beobachten, wohin
       es führen kann, demokratische Werte mit Füßen zu treten: [1][geradewegs in
       Richtung Moskau] – der Regierungspartei Georgischer Traum sei „Dank“.
       
       Mindestens genauso wichtig für Selenskyjs Sinneswandel ist jedoch [2][die
       ukrainische Zivilgesellschaft]. Sie ist wachsam, fordernd, resilient und
       ungebrochen widerständig. Nicht zuletzt das ist, wie auch die beiden
       Antikorruptionsbehörden, ein Erbe der „[3][Revolution der Würde]“ auf dem
       Maidan 2013/14. Warum sollten sich die Ukrainer*innen diese
       Errungenschaften, für die über 100 Menschen ihr Leben gelassen haben, ein
       zweites Mal nehmen lassen?
       
       Umso bemerkenswerter ist es, dass auch [4][dreieinhalb Jahre Krieg], der
       noch lange dauern könnte, diese Entschlossenheit nicht erschüttern können.
       Militärisch läuft es für Kyjiw vor allem an der Front im Osten mäßig bis
       schlecht. Die Gründe dafür sind bekannt und auch bei den westlichen
       Verbündeten zu suchen. Doch wo stünde das Land, gäbe es sie nicht, die
       zahllosen Ukrainer*innen, die, wohlgemerkt ohne Waffen, ihren Beitrag zum
       Kampf gegen den russischen Aggressor leisten und dafür sorgen, dass ein
       Leben unter ständigem Beschuss überhaupt noch möglich ist.
       
       ## An Glaubwürdigkeit verloren
       
       Wenn jetzt Selenskyj schwadroniert, wie wichtig es sei, auf die öffentliche
       Meinung zu hören, so hätte er besser geschwiegen. Das kaufen ihm seine
       Landsleute ohnehin nicht länger ab. Nun geht es, nach einer erneuten
       Abstimmung im Parlament über das [5][Antikorruptionsgesetz] am Donnerstag,
       also wieder zurück auf Los. Zwar ist in der Ukraine beim Kampf gegen
       Korruption noch reichlich Luft nach oben, dennoch haben die zuständigen
       Behörden bereits einiges auf der Habenseite.
       
       Jüngstes Beispiel dafür ist der Urteilsspruch eines Londoner Gerichts gegen
       [6][Ihor Kolomojskyj]. Der milliardenschwere ukrainische Oligarch, der
       seinerzeit als Hauptaktionär der Privatbank zwei Milliarden Dollar
       veruntreut hatte, muss für die Summe haften. Daran hat auch Wolodymyr
       Selenskyj seinen Anteil. Dass er gegen seinen ehemaligen Förderer und
       Gönner vorgehen würde, war nicht unbedingt zu erwarten.
       
       Dennoch bleibt unterm Strich, dass der Präsident nachhaltig beschädigt ist
       – allen anderen Verdiensten zum Trotz. Das hätte er wahrlich nicht
       gebraucht und die Ukraine schon gar nicht.
       
       1 Aug 2025
       
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