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       # taz.de -- Merz erntet Kritik aus eigenen Reihen: Hat die CDU doch ein soziales Gewissen?
       
       > Der CDU-Politiker Dennis Radtke äußert sich zum Vorstoß seines
       > Parteichefs, Mietzahlungen für Arme zu kappen. Für ihn liegt das Problem
       > woanders.
       
   IMG Bild: Nimmt chauvinistische Hetze nicht so hin: Dennis Radtke aus der parteiinternen Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA)
       
       Berlin taz | Gegen den [1][Vorschlag von Bundeskanzler Friedrich Merz
       (CDU), die Mieten von Bürgergeldberechtigten] nicht mehr sozialstaatlich
       zu finanzieren, wenden sich nun auch Stimmen aus den eigenen Reihen.
       
       Der CDU-Europaparlamentarier und Bundesvorsitzende der
       Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) Dennis Radtke findet
       deutliche Worte: „Vielerorts zahlen die Jobcenter horrende Mieten“, wie er
       der taz am Montagvormittag sagt. Er findet: „Diese Praxis ist nichts
       anderes als staatlich finanzierter Missbrauch. Nicht durch die Schwächsten
       der Gesellschaft, sondern durch Vermieter, die auf Kosten des Sozialstaats
       Geld machen.“ Dabei seien die Wohnungen, für die oft 20 Euro pro
       Quadratmeter verlangt werden, oft „heruntergewirtschaftet“, betont Radtke.
       
       Den Anstieg der Wohnkosten sieht er durchaus. „Die jährlichen Ausgaben für
       Unterkunft und Heizung von Bürgergeld-Empfängern lagen 2023 erstmals über
       20 Milliarden Euro. Wer glaubt, hier handle es sich um eine Luxussituation
       für Bürgergeldbeziehende, verkennt die Realität“, sagt er. Vielmehr sei die
       „Mietpreisexplosion, die von der Politik nicht eingedämmt wurde“, der Grund
       für steigende Kosten.
       
       Dies habe mit politischen Versäumnissen zu tun. So sei in den vergangenen
       Jahren zu wenig in den sozialen Wohnungsbau investiert worden. „Die
       Quittung dafür zahlen nun Menschen mit kleinem Einkommen – und zwar
       doppelt: durch einen überhitzten Wohnungsmarkt und die Stigmatisierung als
       Kostenfaktor“, analysiert der CDU-Politiker. Er warnt davor, diese Menschen
       weiter an die Ränder der Städte zu verdrängen und so Verhältnisse wie in
       der Pariser Banlieue zu schaffen. „Die Grundsicherung ist ein Versprechen
       auf Teilhabe – nicht auf Verdrängung.“
       
       Um die vom Staat zu zahlenden Wohnkosten zu senken, schlägt Radtke
       stattdessen vor, dass die Jobcenter „überhöhte Mietforderungen rechtssicher
       ablehnen – orientiert am geltenden Rechtsrahmen und den Instrumenten der
       Mietpreisbremse“. Eine Maßnahme, von der SPD und CDU sich eine Begrenzung
       steigender Mieten erhoffen, [2][die allerdings nicht funktioniert]: Seit
       Einführung der Mietpreisbremse im Jahr 2015 sind die Angebotsmieten in den
       14 größten Städten trotzdem um 50 Prozent gestiegen.
       
       ## Radtke spricht sich gegen chauvinistische Hetze aus
       
       „Wir müssen aufhören, über die Bezieher der Grundsicherung herzuziehen, und
       stattdessen jene in den Blick nehmen, die durch das Bürgergeld einen
       Reibach machen. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit – und des Anstands“,
       sagt er mit Blick auf Merz' Äußerungen im ARD-Sommerinterview.
       
       Darin hatte der Kanzler den Plan geäußert, Anspruch auf Wohnkosten, den
       Bürgergeldberechtigte haben, zu reduzieren. Stattdessen solle es
       Wohnkostenpauschalen geben oder die Wohnungsgröße überprüft werden. Ob
       Pauschalen das richtige Instrument sind, müsse sich laut Radtke noch
       zeigen.
       
       Laut der Bundesagentur für Arbeit wurden im März dieses Jahres Wohnkosten
       in Höhe von 1,75 Milliarden Euro für Bürgergeldberechtigte übernommen – 24
       Prozent mehr als vor fünf Jahren. [3][Wie die taz berichtete], liegt der
       Anstieg allein an den explodierenden Mieten: Weder die Zahl der
       Bürgergeldbeziehenden noch die von ihnen genutzte Wohnfläche sind
       gestiegen.
       
       Schon jetzt erhält ohnehin [4][jeder achte Haushalt im Bürgergeldbezug
       nicht die tatsächlichen Wohnkosten vom Amt], wie eine Antwort der
       Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion im August vergangenen
       Jahres ergab. Im Schnitt mussten Bürgergeld-Empfänger 103 Euro aus ihrem
       Regelsatz, der eigentlich für den Lebensunterhalt gedacht ist, an Vermieter
       überweisen.
       
       21 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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