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       # taz.de -- Alte Gasleitung repariert: Syrien steht wieder unter Strom
       
       > Eine Gaspipeline zwischen Türkei und Syrien geht wieder in Betrieb. Das
       > soll den SyrerInnen helfen – aber auch Türkeis Präsident könnte
       > profitieren.
       
   IMG Bild: Wieder aufgedreht: Leitung an einer Gasübertragungsstation nahe der türkischen Grenze, am 2. August 2025
       
       Istanbul taz | Kilis ist eine türkische Kleinstadt an der syrischen Grenze,
       die in den letzten Jahren dadurch bekannt wurde, dass die Anzahl der
       syrischen Flüchtlinge die der türkischen BewohnerInnen weit überstieg. An
       diesem Wochenende kam Kilis mit einer Nachricht in die Schlagzeilen, die
       dazu führen könnte, dass die autochthone Bevölkerung bald wieder unter sich
       ist.
       
       Der türkische Energieminister Alparslan Bayraktar eröffnete im Beisein des
       syrischen Energieministers Mohammed al-Baschir, dem aserbaidschanischen
       Wirtschaftsminister und dem Chef des katarischen Entwicklungsfonds eine im
       Krieg zerstörte und nun wiederhergestellte Gaspipeline von der Türkei nach
       Aleppo.
       
       Durch diese Gaspipeline soll nun Gas aus Aserbaidschan über die Türkei nach
       Aleppo fließen, um dort reparierte Kraftwerke in Betrieb nehmen zu können.
       Die sollen insgesamt 1.200 Megawatt Strom erzeugen. Finanziert wird das
       gesamte Projekt von Katar.
       
       Laufen die Kraftwerke wieder, könnten damit rund 5 Millionen Haushalte plus
       kleinerer Industriebetriebe versorgt und damit die zweitgrößte Stadt
       Syriens wieder zum Leben erweckt werden. Außerdem soll Gas weiter nach Homs
       geleitet werden, um auch dort ein Kraftwerk wieder in Betrieb nehmen zu
       können.
       
       ## Syrische Infrastruktur im Krieg zerstört
       
       Die 1.200 Megawatt aus den reparierten Kraftwerken in Aleppo und Homs
       würden die derzeitig in Syrien erzeugte Strommenge fast verdoppeln. „Wir
       können zurzeit nur 1.700 Megawatt garantieren“, sagte al-Baschir kürzlich
       der Nachrichtenagentur AP, „das sind noch nicht einmal 20 Prozent der
       Strommenge, die Syrien benötigt“. Die durch den Krieg zerstörte
       Energieinfrastruktur des Landes ist eines der größten Probleme Syriens beim
       Wiederaufbau.
       
       2010, vor [1][Beginn des Bürgerkrieges], erzeugte Syrien hauptsächlich aus
       Öl und Gas rund 9.000 Megawatt Strom. Die im Krieg zerstörte Infrastruktur
       konnte, auch bedingt durch die Sanktionen gegen das Assad-Regime, kaum
       ersetzt werden. Es gab kein Geld und keine Ersatzteile.
       
       Die Wende kommt jetzt mit der Aufhebung der Sanktionen. Im Juli verkündete
       US-Präsident Trump während eines Besuchs in Saudi-Arabien das Ende der
       US-Sanktionen, kurz danach folgte die EU. Schon vorher hatten türkische
       Ingenieure die Gaspipeline nach Aleppo repariert. Mit der Zeremonie in
       Kilis am letzten Samstag wurde nun der Gashahn aufgedreht. Schon bald soll
       eine weitere Pipeline von Urfa nach Aleppo fertiggestellt sein, die Gas für
       weitere 400 Megawatt Stromerzeugung liefern soll.
       
       Für die Türkei ist ganz besonders der Wiederaufbau von Aleppo von größter
       Dringlichkeit. Mindestens 80 Prozent der fast vier Millionen syrischen
       Flüchtlinge in der Türkei kommen aus dem Großraum Aleppo, knapp 100
       Kilometer von der türkischen Grenze entfernt. Viele Geflüchtete haben in
       den sechs Monaten seit dem Sturz des Assad-Regimes ihre Heimatstadt Aleppo
       besucht, die meisten sind wieder zurückgekommen, andere pendeln nun. Doch
       je mehr der Wiederaufbau Aleppos vorangeht, umso mehr SyrerInnen werden
       nach Hause gehen. Passend dazu hat die staatliche Fluglinie Turkish
       Airlines vor wenigen Tagen wieder Direktflüge nach Aleppo ins Programm
       genommen.
       
       ## Erdoğan könnte Erfolg feiern
       
       Geht die Anzahl syrischer Flüchtlinge in der Türkei in relevantem Umfang
       zurück, wäre das ein großer Erfolg für die Regierung Erdoğan. Nicht zuletzt
       deshalb ist die Türkei auch über die jetzt fertiggestellten Gasleitungen
       hinaus stark im Wiederaufbau Syriens engagiert.
       
       Unmittelbar [2][nach Aufhebung der Sanktionen] hat ein Konsortium von
       Firmen aus der Türkei, den USA und Katar mit dem syrischen
       Energieministerium einen Vertrag über ein Volumen von 7 Milliarden Dollar
       zum Ausbau des syrischen Energiesystems unterschrieben, wie türkische
       Zeitungen verkündeten. Mit dem Geld wollen die Firmen vier neue
       Gaskraftwerke, die insgesamt 4.000 Megawatt liefern sollen, und einen
       großen Solarpark bauen, der 1.000 Megawatt Strom erzeugen soll.
       
       Außerdem sind türkische Firmen bei der Reparatur bestehender Kraftwerke,
       Transformatoren und Stromleitungen dabei. Für die Reparaturen hat die
       Weltbank erst einmal 124 Millionen Dollar bewilligt. Werden diese Pläne
       tatsächlich realisiert, könnte Syrien in vier bis fünf Jahren wieder bis zu
       10.000 Megawatt Strom produzieren.
       
       Bis auf einzelne Solarpanels, die sich Privatleute selbst aufs Dach gesetzt
       haben, gibt es in Syrien bislang keinen Strom aus Sonnenenergie, obwohl das
       Land bis auf die drei Wintermonate mehr Sonne als genug hat. Windenergie
       gibt es in Syrien bislang noch gar nicht. Nur die beiden Wasserkraftwerke
       am Euphrat liefern etwas erneuerbare Energie.
       
       Dabei wäre es sinnvoll, schon jetzt die Weichen für mehr erneuerbare
       Energie zu stellen. Doch der Hauptsponsor für den Wiederaufbau ist nun
       einmal Katar, und [3][Katar lebt vom Verkauf seiner ergiebigen Gasfelder].
       Da die syrische Regierung hofft, in absehbarer Zeit auch die eigenen
       Ölfelder, die jetzt noch von den Kurden kontrolliert werden, wieder nutzen
       zu können, werden erneuerbare Energien wohl weiter ein Randphänomen
       bleiben.
       
       4 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Landwirtschaft-in-Syrien-/!6101527
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   DIR [3] /UN-Versammlung-in-New-York/!6099594
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Gottschlich
       
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