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       # taz.de -- Braunkohle in Deutschland: Transformation statt Revolution
       
       > Wirtschaftsministerin Reiche besucht das Brandenburger
       > Braunkohle-Kraftwerk. Dabei spricht sie sich für mehr fossiles Erdgas
       > statt grünen Wasserstoffs aus.
       
   IMG Bild: Protest mit Brille: Gewerkschaftsmitglieder empfangen die Wirtschaftsministerin Katherina Reiche in Spremberg am 4. August
       
       Spremberg taz | An die 100 Leute haben sich zu beiden Seiten der Straße
       aufgestellt, sie tragen Fahnen der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie.
       Laute Sprechchöre oder Parolen stimmen sie jedoch nicht an – nicht mal, als
       Wirtschaftsministerin Katherina Reiche vor dem Tor des Braunkohlekraftwerks
       Schwarze Pumpe eintrifft. Es ist ein mahnender, skeptischer, aber auch
       hoffnungsvoller Empfang für die CDU-Politikerin.
       
       Reiche besucht in diesen Tagen Unternehmen und Orte, die sich eignen,
       Botschaften zu senden. Unter besonderer Beobachtung steht die Nachfolgerin
       von Robert Habeck (Grüne) in Sachen Energiepolitik. Was will sie am Ausbau
       der erneuerbaren Energien ändern? Geht es ihr darum, die Energiewende zu
       verlangsamen, wie Umweltverbände und Grüne meinen?
       
       Das Kraftwerk [1][im brandenburgischen Spremberg] ist nicht schwarz,
       sondern ein 160 Meter hoher silbrig schimmernder Koloss. Spätestens in 13
       Jahren, 2038, soll hier Schluss sein mit der Verbrennung von Braunkohle zur
       Stromproduktion. So hat es die Kohle-Kommission der Bundesregierung vor
       Jahren beschlossen. Aber was passiert dann? Welche Zukunft gibt es hier für
       die Arbeitsplätze, die Privathaushalte, das Unternehmen Leag? Dass die AfD
       in Spremberg bei der Bundestagswahl 45,5 Prozent der Stimmen bekam, erklärt
       Betriebsrat Toralf Smith auch mit der Angst der Beschäftigten vor dem, was
       kommen könnte.
       
       Auf einem Transparent fordern die Leute jetzt: „Transformationsbonus statt
       Südbonus“. Die Demonstrierenden reagieren damit auf die Ansage Reiches,
       neue Erdgaskraftwerke vor allem im Süden anzusiedeln – in Bayern und
       Baden-Württemberg, wo Deutschlands Weltmarktindustrie steht. Doch auch hier
       wollen sie ein Gaskraftwerk als Ersatz für ihre Braunkohlekessel. Selbst
       wenn jenes viel weniger Arbeitsplätze bietet. Hauptsache, es geht weiter
       mit der Stromproduktion in der Lausitz, dieser alten DDR-Energielandschaft.
       
       ## Erdgas weiter nötig
       
       Wie der Übergang von den fossilen Energien zur künftigen, klimaneutralen
       Stromproduktion funktionieren soll, ist eine heikle Frage. Mit ihrem grünen
       Amtsvorgänger Habeck ist sich Reiche einig, dass einige Erdgaskraftwerke
       auch später noch nötig sein werden. Ein Grund: Wenn wenig Wind weht und der
       Himmel bewölkt ist, liefern Wind- und Solarkraftwerke einfach nicht genug
       Strom. Aber wie viele Gaskraftwerke erfordert das? Und wann wird das
       fossile, ebenfalls klimaschädliche Erdgas durch Wasserstoff ersetzt, den
       man mit Ökostrom herstellt? An diesen Punkten unterscheiden sich Habeck und
       Reiche durchaus.
       
       „Ich fühle mich der Lausitz verpflichtet“, betont die Ministerin im
       Infozentrum des Kraftwerks. „Die Angst ist unbegründet“, dass in Spremberg
       ein Kahlschlag drohe. Bei den Verhandlungen mit der Europäischen Union sei
       sie schon „sehr, sehr weit“ gekommen. Die Bundesregierung braucht die
       Genehmigung der EU-Kommission, wenn sie neuen Gaskraftwerken Subventionen
       zahlen will, ohne die diese wohl nicht arbeiten können.
       
       Reiche verspricht, die Ausschreibungen für die Erdgasanlagen würden so
       gestaltet, dass sie auch für Schwarze Pumpe „funktionieren“. Das Verfahren
       soll Ende 2025 starten. Außerdem erklärt sie, die neuen Kraftwerke sollten
       „mit Wasserstoff beschickt werden“, allerdings „nicht heute oder morgen“,
       eher „übermorgen“. Zur Begründung argumentiert die Wirtschaftsministerin,
       dass sich die Entwicklung hin zu Wasserstoff insgesamt verlangsame. Die
       Kosten seien zu hoch, und grüner Wasserstoff werde bisher kaum angeboten.
       
       An solchen Äußerungen lässt sich ablesen, was die Strategie Reiches von der
       ihres Amtsvorgängers Habeck unterscheidet. Für den Grünen war erstens klar,
       dass einige der neuen Gaskraftwerke innerhalb weniger Jahre auf Wasserstoff
       umzurüsten seien. Bei Reiche mag sich dieser Zeitraum deutlich nach hinten
       verschieben, wobei sie schriftliche Festlegungen noch vermeidet. Zweitens
       plant das Wirtschaftsministerium unter ihrer Leitung nun Gaskraftwerke mit
       einer Leistung „bis zu 20 Gigawatt“ (Milliarden Watt). Bei Habeck ging es
       um 12,5 Gigawatt. Mit der CDU-Politikerin könnte die fossile Stromerzeugung
       also länger von größerer Bedeutung bleiben.
       
       Und manchmal wird die neue Wirtschaftsministerin sehr deutlich. Es gehe um
       eine „Transformation“ des Energiesystems, nicht um eine „Revolution“. In
       den vergangenen Jahren habe der Klimaschutz im Vordergrund gestanden, nicht
       „Energiesicherheit und Preisstabilität“. „Das drehen wir jetzt um“, betonte
       Reiche in Spremberg. Betriebsrat Smith findet das gut. Reiche äußere sich
       „klarer“ als Habeck – in seinen Augen eine hoffnungsvolle Botschaft für
       Schwarze Pumpe, die Beschäftigten und die Region.
       
       5 Aug 2025
       
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