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       # taz.de -- Wahl zur Verfassungsrichterin: Frauke Brosius-Gersdorf kandidiert nicht mehr
       
       > Die Rechtsprofessorin erklärt, sie wolle „Schaden von der Demokratie
       > abwenden“. Die SPD will nun eine neue Kandidatin vorschlagen.
       
   IMG Bild: Eine Robe des Bundesverfassungsgerichts will Frauke Brosius-Gersdorf nicht tragen
       
       Freiburg taz | Frauke Brosius-Gersdorf verzichtet auf eine Wahl als
       Richterin des Bundesverfassungsgerichts. „Nach reiflicher Überlegung“ ziehe
       sie ihre Kandidatur zurück, heißt es in einer persönlichen Erklärung, die
       der taz vorliegt. Die SPD will nun „einen neuen Vorschlag“ machen.
       
       Die Potsdamer Rechtsprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf war von der SPD im
       Frühjahr als Nachfolgerin der bisherigen Karlsruher Vizepräsidentin Doris
       König vorgeschlagen worden. Die Union hatte dem Vorschlag zunächst auch
       zugestimmt, ebenso Grüne und Linke, sodass die erforderliche
       Zweidrittelmehrheit im Bundestag gesichert schien.
       
       Dann machten aber [1][Abtreibungsgegner:innen in rechten Medien
       Front] [2][gegen Brosius-Gersdorf], die eine Legalisierung des
       Schwangerschaftsabbruchs in den ersten zwölf Wochen für
       verfassungsrechtlich möglich hält und damit der bisherigen Rechtsprechung
       des Bundesverfassungsgerichts widersprach. Die Kampagne zeigte bei den
       Unions-Abgeordneten Wirkung. Am Morgen der geplanten Abstimmung im
       Bundestag signalisierten 50 bis 60 Abgeordnete, dass sie Brosius-Gersdorf
       nicht wählen werden. Die Wahl wurde daher abgesetzt, hätte aber jederzeit
       nachgeholt werden können.
       
       Brosius-Gersdorf blieb zunächst im Rennen. In einem bisher einmaligen
       Vorgang erläuterte sie ihre Positionen sogar in der Talkshow von Markus
       Lanz und hinterließ dort einen souveränen und seriösen Eindruck. Der
       Kampagne, dass sie eine „ultralinke“ Aktivistin sei, hatte sie so den Wind
       aus den Segeln genommen.
       
       ## Brosius-Gersdorf kritisiert Unionsfraktion
       
       Dennoch zog sie nun, rund zwei Wochen später, ihre Bereitschaft anzutreten
       zurück. „Durchhalten macht nur Sinn, wenn es eine reelle Wahlchance gibt,
       die leider nicht mehr existiert“, heißt es in ihrer Erklärung. Aus der
       CDU/CSU-Fraktion sei ihr sehr deutlich signalisiert worden, dass ihre Wahl
       im Bundestag „ausgeschlossen sei“, da sie von Teilen der Fraktion
       kategorisch abgelehnt werde.
       
       Neben der Aussichtslosigkeit der Kandidatur nannte Brosius-Gersdorf zwei
       weitere Gründe für ihren Rückzug. Zum einen wolle sie vermeiden, dass nun
       auch die Kandidatur der beiden anderen Kandidat:innen gefährdet wird,
       deren Wahl Anfang Juli ebenfalls abgesetzt worden war. Gemeint sind der von
       der Union vorgeschlagene Günter Spinner, Richter am Bundesarbeitsgericht,
       und die Münchener Rechtsprofessorin [3][Ann-Katrin Kaufhold], von der SPD
       nominiert. Der CSU-Landesgruppenvorsitzende Alexander Hoffmann hatte jüngst
       vorgeschlagen, drei völlig neue Jurist:innen zu nominieren.
       
       Außerdem will Brosius-Gersdorf Schaden von der Demokratie abwenden. Sie
       geht wohl davon aus, dass eine Regierungskrise, die sich an ihrer Person
       festmacht, zu einem Scheitern der Koalition und einer Neuwahl mit einer
       noch stärkeren AfD führen könnte. Die Professorin nutzte die Erklärung, um
       die Unionsfraktion zu kritisieren. Es sei der Union nicht gelungen, sich
       inhaltlich mit ihrer wissenschaftlichen Position auseinanderzusetzen.
       
       Brosius-Gersdorf verteidigte ihre These, dass es gute Gründe gebe, die
       Menschenwürde erst mit der Geburt beginnen zu lassen. Wenn eine Abtreibung
       aus medizinischen Gründen legal ist, so die Professorin, könne die Lösung
       „denklogisch nur sein, dass entweder die Menschenwürde abwägungsfähig ist
       oder für das ungeborene Leben nicht gilt“. Brosius-Gersdorf kritisiert
       zudem die FAZ, im Politikteil hätten einige männliche Journalisten als
       „Speerspitze eines ehrabschneidenden Journalismus“ agiert und ein
       „wirklichkeitsfremdes Zerrbild“ entworfen.
       
       ## SPD-Fraktionschef Matthias Miersch bedauert Rückzug Brosius-Gersdorfs
       
       Mit keinem Wort erwähnte [4][Brosius-Gersdorf die jüngst verschärften
       Vorwürfe des selbsternannten Plagiatsjägers Stefan Weber], der Anfang der
       Woche den Verdacht äußerte, der Ehemann Hubertus Gersdorf habe ihre
       Doktorarbeit als „Ghostwriter“ teilweise mitgeschrieben. Brosius-Gersdorf
       verlangte inzwischen von Weber die Abgabe einer Unterlassungserklärung. Da
       aber die Universität Hamburg eine Vorprüfung eingeleitet hatte, wäre ihre
       Kandidatur als Verfassungsrichterin weiterhin belastet gewesen.
       
       SPD-Fraktionschef Matthias Miersch bedauerte den Rückzug Brosius-Gersdorfs
       und kritisierte seinen Koalitionspartner. Die CDU/CSU sei nicht einmal zu
       einem Gespräch mit Brosius-Gersdorf bereit gewesen. „Wir erwarten von
       unserem Koalitionspartner, dass Absprachen künftig Bestand haben. Ein
       solcher Vorgang darf sich nicht wiederholen“, so Miersch.
       
       Für die Grünen erklärten Katharina Dröge und Britta Haßelmann: „Dass die
       CDU-Fraktion nicht die Haltung und Kraft besessen hat, dieser Kampagne zu
       widersprechen und sich schützend vor Frauke Brosius-Gersdorf zu stellen,
       ist menschlich enttäuschend und extrem schwach.“
       
       7 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
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   DIR Christian Rath
       
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