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       # taz.de -- Indiepop-Album von Frankie Cosmos: Anders reden als die Rechten
       
       > Die New Yorker Künstlerin Frankie Cosmos zeigt mit ihrem neuen Album
       > „Different Talking“, dass es neben Trump und Tradwives auch eine smarte
       > USA gibt.
       
   IMG Bild: Greta Kline, vorne, im Kreise ihrer Band Frankie Cosmos
       
       Wir erinnern uns gern: Greta Kline, Anfang 20, in einen lustigen, bunten
       Wollpullover gehüllt und mit irgendeinem Cap vom Flohmarkt angetan, besingt
       Flausen im Kopf: „Art school makes you wild / Real school makes you wanna
       get high / High school makes you crazy / High school made me cry.“
       
       Der Song heißt „Art School“, und die US-Künstlerin hauchte ihn eher, als zu
       singen, und schoss enttäuscht hinterher: „All your friends are drunk and
       wild / All my friends are depressed.“ Es ist das Jahr 2014, die
       Hipster-Welle ist auf ihrem Höhepunkt, das Internet gerade noch so
       erträglich, und die USA werden von Obama regiert.
       
       New York ist damals, nach dem [1][Anti-Folk-Hype] der Nullerjahre, Hort
       einer lebendigen Indie-Pop-Szene. Mittendrin Greta Kline mit ihrem Projekt
       Frankie Cosmos. Alles in ihrer Musik sagt: selbstgemacht. Kline gelingen
       niedliche und lässig dahin gesungene Aphorismen über die unerträgliche
       Daseins-Schwere im eigentlich unbeschwerten Leben. Auf dem Cover des
       Debütalbums „Zentropy“ trägt ein Hund eine Strickmütze, alles scheint gut.
       
       ## Antithese zur rechten Dimes-Sqare-Szene
       
       Frankie Cosmos’ Schlafzimmer-Indie war schon immer gemütlich, ein bisschen
       kindlich und trotz aller Melancholie optimistisch. Doch wie ist eine solche
       Einstellung aufrechtzuerhalten, wenn man plötzlich 30 ist, Trump regiert
       und junge New Yorker sich eher zur neokonservativen Dimes-Square-Szene,
       problematischen Memes auf X und Hyperpop-Mash-ups hingezogen fühlen – statt
       zu lustigen bunten Shirts und schönen Melodien?
       
       Wie also lässt sich positive Indie-Gemächlichkeit in einer Zeit
       aufrechterhalten, in der man sich Gemächlichkeit nicht mehr leisten kann?
       „Different Talking“, das sechste Frankie-Cosmos-Album, liefert trotzige
       Antworten. Indem es trotz neuer Bandkonstellation, die abgesehen von Kline
       selbst immer wieder wechseln, stur weitermacht.
       
       Im besten Sinne schluffige Gitarren schleppen sich langsam durch die Songs
       und tragen Klines Stimme. Die musikalische Gleichförmigkeit, die auf
       „Against the Grain“ durch psychedelische Rückkopplungen gebrochen wird oder
       wenn die Gitarren mal etwas mehr scheppern, ist genau richtig. Die Musik
       von Greta Kline simuliert die angesprochene Gemächlichkeit. Wichtig ist
       dabei ohnehin, den Mikrobeobachtungen und Selbstbefragungen in den
       Songtexten zu folgen.
       
       ## Existenzielle Fragen schwingen mit
       
       Kline studiert sich und ihre Umgebung von unten nach oben, von außen nach
       innen, und sie spricht aus, was viele denken, aber womöglich als zu banal
       abtun. Zum Beispiel: Oh, ein graues Haar! Die Erkenntnis auf „One! Grey!
       Hair!“ ist bei Kline nie nur eine bloße Beobachtung, sondern es schwingen
       die großen existenziellen Fragen mit: Sind graue Haare Symbole für die
       eigene Endlichkeit, die eigene Reife oder beides?
       
       „Different Talking“ ist ein Album übers Älterwerden aus der Perspektive
       eines sympathischen Millennials aus New York, das vieles verhandelt, was
       diese Generation betrifft. Liebe und Endlichkeit. Aber auch die Dominanz
       vom Internet. Für Kline und ihre Altersgenoss:innen waren
       Doomscrolling und der unendliche Feed keine Selbstverständlichkeit. Sie
       sind hineingewachsen, kennen auch noch die analoge Vorzeit.
       
       Wenn Kline sich auf „Bitch Heart“ nach ihrem Schreibtisch mit all seinem
       wild verstreuten Krimskrams darauf sehnt, wenn sie singt: „I miss who I
       was“ und hinzufügt: „Only because I can’t go a day / Without touching my
       fucking telephone“, dann klingt das einerseits wütend. Andererseits klingt
       es ultranostalgisch. Auch das ist eine große Stärke von Kline: Nostalgie
       klingt in ihrer Musik nie verbittert. Es ist ein Seelenzustand, in dem es
       sich kurz einnisten lässt, bevor die Gegenwart einen einholt, eine Auszeit
       im besten Sinne.
       
       22 Aug 2025
       
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