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       # taz.de -- Israelische Regierungspolitik: Die Gaza-Besetzung wäre ein historischer Fehler
       
       > Die Besetzung des Gaza-Streifens ist die konsequente Folge israelischer
       > Regierungspolitik. Sie ist ein Schritt auf dem Weg zur israelischen
       > Dominanz.
       
   IMG Bild: Protest für einen Waffenstillstand in Gaza und die Rückkehr israelischer Geiseln in Tel Aviv, am 2.8.2025
       
       [1][Israel wird den Gazastreifen besetzen] – das hat das Kabinett am
       Freitagmorgen entschieden. Auch wenn die Minister der Forderung von
       Regierungschef Benjamin Netanjahu nach einer vollständigen Besetzung nicht
       ganz nachkommen, sondern sich mit der Einnahme von Gaza-Stadt für ein
       Vorgehen in Etappen entscheiden: Die Richtung ist klar. Doch die
       Entscheidung ist ein historischer Fehler. Sie wirft Israel mit der
       Übernahme der Kontrolle über die zwei Millionen Palästinenser in Gaza in
       eine Zeit vor dem Oslo-Friedensprozess zurück und basiert weniger auf
       militärischer Notwendigkeit als auf politischem Kalkül und ideologischem
       Starrsinn.
       
       Militärisch sind die Erfolgsaussichten mau. Das sagen nicht nur Israels
       Sicherheitsbehörden, es zeigt sich auch an der Bilanz von eindreiviertel
       Jahren Krieg. Nur eine Handvoll Geiseln konnte lebend durch Armeeeinsätze
       befreit werden, die Mehrheit kam durch Verhandlungen frei. Die Hamas,
       obgleich geschwächt, ist nicht besiegt.
       
       Die Liste der Gefahren ist hingegen ellenlang. Zuallererst wird die
       Eskalation das Leid der zwei Millionen Menschen in Gaza noch verschärfen.
       Sie wird die ohnehin an einem Kipppunkt angelangten internationalen
       Beziehungen Israels zu seinen Verbündeten weiterhin belasten. Sie gefährdet
       das Leben der rund 20 noch lebenden Geiseln und spaltet die israelische
       Gesellschaft, in der viele den Sinn des Krieges nicht mehr sehen.
       
       Nicht zuletzt ist fraglich, ob Israel eine Besetzung in Gaza überhaupt
       umsetzen kann: Die Armee wird schon jetzt an zu vielen Fronten eingesetzt,
       neben Gaza auch in Syrien, im Libanon, [2][im Westjordanland]. Die Zahl der
       Rückmeldungen unter Reservisten sinkt. In letzter Zeit gab es vermehrt
       Berichte über Suizide von Soldaten nach Einsätzen in Gaza.
       
       Es ist kein Geheimnis, warum messianische Siedler wie Finanzminister
       Bezalel Smotrich für eine Besatzung sind: Für sie ist das ein Schritt auf
       dem Weg zur jüdischen Besiedlung von Gaza. Der Widerstand der
       Palästinenser, die Gewalt, der Konflikt sind für sie keine Probleme,
       sondern der Treibstoff für ihr Projekt, die Grenzen Israels zu verschieben
       und das Land in eine religiöse Autokratie umzubauen.
       
       Doch auch Netanjahu ist nicht nur ein von seinen Koalitionskollegen
       getriebener Opportunist. Ja, der endlose Krieg ist für ihn auch eine
       Überlebensstrategie. Doch die Ablehnung einer [3][Zweistaatenlösung] und
       die Schwächung der Palästinensischen Autonomiebehörde sind eine Konstante
       in seinen politischen Überzeugungen. Die Besatzung von Gaza und die spätere
       Übergabe an „arabische Kräfte“ machen für ihn politisch und ideologisch
       Sinn.
       
       Ein Weg aus der Gewalt zwischen Israelis und Palästinensern aber ist sie
       nicht, im Gegenteil. Sie ist ein planloses Unterfangen ohne Exitstrategie.
       Der Sicherheit Israels dürfte sie eher schaden, denn die kann langfristig
       nur durch politische Lösungen erreicht werden. Dafür braucht es
       Perspektiven und die Aussicht auf ein friedliches und selbstbestimmtes
       Leben für Palästinenser wie für Israelis.
       
       8 Aug 2025
       
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