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       # taz.de -- Heftige Kritik an Castor-Transporten: Atommüll-Tourismus in NRW
       
       > Nordrhein-Westfalen drohen die größten Atommülltransporte in der
       > Geschichte. Nicht nur Atomkraftgegner:innen sind entsetzt.
       
   IMG Bild: Nachschub soll kommen ins Zwischenlager Ahaus
       
       Bochum taz | Mit heftiger Kritik und Empörung haben
       Atomkraftgegner:innen und die Partei Die Linke, aber auch die
       Gewerkschaft der Polizei (GdP) auf die Castor-Transportwelle aus dem
       rheinischen Jülich ins münsterländische Ahaus reagiert, die
       Nordrhein-Westfalen ab diesem Herbst [1][droht].
       
       Die „größte Transportserie mit hochradioaktivem Atommüll in der Geschichte
       der Bundesrepublik“ sei eine „politische Bankrotterklärung“ sowohl für die
       schwarz-grüne NRW-Landesregierung als auch für die schwarz-rote
       Bundesregierung, erklärte Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland
       gegen Atomanlagen.
       
       Hubertus Zdebel, atompolitischer Sprecher der Linkspartei in NRW, sprach
       von einer „Missachtung des Parlaments“ – schließlich habe die
       Bundestagsfraktion der Linken noch im Juli einen Antrag gegen die
       Transporte der 152 Atommüll-Castoren gestellt, über den der Bundestag erst
       nach der Sommerpause entscheiden könne.
       
       Und Nordrhein-Westfalens GdP-Chef Patrick Schlüter hält die Pläne schlicht
       für „Wahnsinn“ mit „Folgen für die Sicherheit im Land“ – denn zum Schutz
       des gefährlichen Atommülls, der per Lkw-Schwertransport über Autobahnen
       mitten durch die Landeshauptstadt Düsseldorf und das dicht besiedelte
       Ruhrgebiet gefahren werden soll, müsse auf Polizeibeamte zurückgegriffen
       werden, die dann „vor Ort in den Wachen fehlen“.
       
       ## Transportgenehmigung bis Mitte August
       
       Auslöser der Kritik sind Einschätzungen des Vize-Fraktionschefs der SPD im
       nordrhein-westfälischen Landtag, Alexander Vogt. Dessen Partei stellt in
       Berlin mit Carsten Schneider den Bundesumweltminister. Vogt hatte am
       Donnerstag in Düsseldorf erklärt, die SPD gehe davon aus, dass das
       Schneider unterstellte Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen
       Entsorgung (BASE) eine Transportgenehmigung bis Mitte August erteilen
       werde. Beginnen könnten die Castor-Transporte dann „acht Wochen später“.
       
       Das sei die „zwingend benötigte Vorbereitungszeit“, hatte der für den
       Polizeieinsatz zuständige CDU-Landesinnenminister Herbert Reul in einem der
       taz vorliegenden Schreiben an verschiedene Umweltverbände und
       Anti-Atom-Initiativen schon Mitte März erklärt. Eine taz-Anfrage zu den
       Kosten der bevorstehenden Polizeieinsätze beantwortete Reuls
       Innenministerium nicht.
       
       Die Initiativen [2][kritisieren den jetzt unmittelbar drohenden
       Atommüll-Tourismus] schon seit Jahren als „unsinnig“ und „gefährlich“. Denn
       angeordnet worden war die Räumung des Jülicher Atommülllagers, in dem
       Hunderttausende Brennelementkugeln des ehemaligen Hochtemperaturreaktors
       (HTR) des ehemaligen Kernforschungszentrums Jülich lagern, wegen
       angeblicher Erdbebengefahr bereits 2014. [3][Doch spätestens seit 2022 ist
       klar: Diese Gefahr existiert gar nicht].
       
       ## Kritik an Ahaus als Zwischenlager
       
       Zusätzlich gilt Ahaus als vorläufiges Ziel des hochradioaktiven Atommülls
       als ungeeignet. Das dortige Zwischenlager sei „eines der bundesweit
       ältesten mit den dünnsten Wänden“, warnen Anti-Atom-Initiativen. Eine
       „heiße Zelle“, in der das hochradioaktive Material vor einer möglichen
       Endlagerung „konditioniert“, als für Jahrtausende sicher verpackt werden
       könnte, existiert in Ahaus ebenfalls nicht.
       
       Außerdem läuft die Betriebsgenehmigung schon 2036 aus. Und da nicht nur
       SPD-Landtagsfraktionsvize Vogt befürchtet, dass die Atommülltransporte in
       bis zu 152 Einzelfahrten wegen der massiven Belastung der Polizei „vier bis
       acht Jahre“ dauern könnten, bedeutet das nach heutigem Stand: Wenn der
       letzte Castor in Ahaus angekommen ist, muss der erste bald schon wieder
       weg.
       
       Die grüne NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur, die für die Atomaufsicht
       zuständig ist, sei „offensichtlich ihrer Aufgabe nicht gewachsen“, findet
       Atomkraftgegner Eickhoff. Eine Sprecherin Neubaurs erklärte dagegen, über
       die Erteilung der Beförderungsgenehmigung entscheide „allein das Bundesamt
       für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) im Geschäftsbereich des
       Bundesministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare
       Sicherheit“. Die politische Verantwortung trage also der Sozialdemokrat
       Schneider in Berlin.
       
       In der Kritik steht aber auch CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst, der laut
       der Kritik den eigenen Koalitionsvertrag ignoriert. Denn in dem hatten
       Christdemokrat:innen und Grüne mit Blick auf die strahlenden Überreste
       des ehemaligen Kernforschungszentrums vollmundig versprochen, sich „für
       eine Minimierung von Atomtransporten“ einsetzen zu wollen: „Im Fall der in
       Jülich lagernden Brennelemente bedeutet dies, dass wir die Option eines
       Neubaus eines Zwischenlagers in Jülich vorantreiben“, heißt es in dem 2022
       unterzeichneten Dokument. „Doppelzüngig“ agiere aber auch die SPD,
       kritisieren die Anti-Atom-Initiativen. Schließlich könne deren
       Bundesumweltminister Schneider das BASE jederzeit anweisen, auf den
       „Sofortvollzug“ der Castortransporte zu verzichten.
       
       „Alle drei Parteien haben politisch komplett versagt“, so Eickhoffs Fazit.
       Für den Tag der Bekanntgabe der Transportgenehmigung durch das BASE sind
       bereits Mahnwachen vor den Zwischenlagern in Jülich und Ahaus angekündigt.
       Für den 31. August rufen die Initiativen zu einem großen
       Anti-Atom-Spaziergang am Atommülllager Ahaus auf.
       
       10 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Wyputta
       
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