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       # taz.de -- Kürzungsdebatte im Sozialbereich: Und eure Lösung, liebe Linke?
       
       > Es geht wieder um Sozialkürzungen. Aber als Linke immer nur Nein zu
       > sagen, bringt wenig. Nötig sind eigene Ideen, um die Sozialsysteme zu
       > retten.
       
   IMG Bild: Alte Debatte ohne neue Lösungen, die immer wieder hochkommt: Angst vor dem sozialen Abstieg, ein Protest 1984
       
       Verschärfte Debatten um Sozialkürzungen kommen in Deutschland offenbar im
       Zyklus von 20 Jahren um die Ecke: Die frühen 1980er Jahre waren so eine
       Zeit, 20 Jahre später folgte die berüchtigte
       „Gürtel-enger-schnallen“-Debatte, die in die Agenda 2010 und in [1][Hartz
       IV] mündete. Jetzt baut sich wieder eine Diskursverschiebung in Richtung
       Kürzungen auf; die jüngsten Äußerungen der Wirtschaftsweisen Veronika
       Grimm, [2][notfalls an die Sozialleistungen heranzugehen], sind nur das
       aktuellste Beispiel.
       
       Die gesellschaftliche Linke inklusive des linken Flügels der SPD macht es
       sich zu einfach, solche Forderungen empört-routiniert zurückzuweisen.
       Besser wäre es, mit eigenen Ideen zu kommen, statt in die Rolle des
       passiven Opfers zu verfallen – so wie es zu Agenda-Zeiten geschah. Beispiel
       Rente: Immer weniger BeitragszahlerInnen müssen für immer mehr RentnerInnen
       aufkommen. Das ganze System kann derzeit – mit halbwegs moderaten
       Beitragssätzen – nur funktionieren, indem der Bund jährlich sage und
       schreibe knapp 20 Prozent des Bundeshaushalts zuschießt. Das kann nicht
       lange gut gehen.
       
       Es wäre, nur zum Beispiel, eine linke Antwort, relativ gute Renten zu
       deckeln zugunsten kleinerer Renten. Bis heute gilt aber die heilige Formel
       namens Äquivalenzprinzip: Wer mehr Rentenbeiträge einzahlt, bekommt auch
       eine höhere Rente. Selbst Länder wie die Schweiz, die nicht gerade unter
       Sozialismus-Verdacht stehen, verteilen innerhalb ihrer Grundrente von oben
       nach unten um.
       
       Beispiel [3][Bürgergeld]: Das kostet trotz Arbeitskräftemangels inzwischen
       50 Milliarden Euro jährlich. Es ist leicht hochzurechnen, wie die Kosten
       weiter steigen werden, wenn sich die maue Wirtschaftslage verfestigen
       sollte – die Vehemenz einer Kürzungsdebatte kann man sich jetzt schon
       ausmalen.
       
       Das Argument, aktuell von SPD-Arbeitsministerin Bärbel Bas geäußert, es
       fehle an Qualifizierungsprogrammen und Sprachkursen, klingt wie eine
       bequeme Ausrede, nichts zu tun. Aber braucht man für einen Job im Backshop
       wirklich großartige Qualifizierungen und Sprachkurse? Im Gegenteil, bei der
       Arbeit lernen Menschen die Sprache. An einer bürokratischen Umständlichkeit
       festzuhalten, ist nicht links, sondern ziemlich deutsch.
       
       Was es braucht, ist eine gesellschaftliche Linke, die Probleme offen
       benennt und eigene Lösungen präsentiert. Sonst droht sie, wie zu
       Agenda-Zeiten, von einer neoliberalen Diskursdynamik überrollt zu werden.
       
       11 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Kommentar-Sozialer-Arbeitsmarkt/!5518276
   DIR [2] https://www.tagesschau.de/inland/sozialversicherung-wirtschaftsweise-100.html
   DIR [3] /Buergergeld/!t5868929
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gunnar Hinck
       
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