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       # taz.de -- Panik statt Polizeilogik: Der kontraintuitive Krimi zur Sommerpause
       
       > „Sörensen fängt Feuer“ mit Bjarne Mädel macht alles anders: Mordfälle
       > werden nüchtern abgehakt, das wahre Unbehagen steckt zwischen den
       > Dialogzeilen.
       
   IMG Bild: Kommissar Sörensen Sörensen (Bjarne Mädel) und Cord
       
       In den Sommermonaten müssen Krimigourmets die Krümel auflesen. Klar, es
       gibt genug Wiederholungen auf allen Kanälen, dass man Leichen angucken
       kann, solange man will. Ist nur die Frage, ob die ganze blutige
       Fließbandware à la „Law and Order“ auf Dauer noch das genussvolle Kribbeln
       auslösen kann, das Krimifans suchen: am Sweet Spot zwischen Grusel, Ekel
       und Neugier.
       
       Warum also nicht mal in den Mediatheken wühlen nach den etwas anderen
       Krimis. Gedreht wird ja genug, und vieles, gerade wenn
       öffentlich-rechtlich, liegt jahrelang im Internet herum, bereit zum
       Genießen. Ein Beispiel: „Sörensen fängt Feuer“.
       
       Die „Sörensen“-Reihe mit Bjarne Mädel ist 2021 gestartet. Der
       „Tatortreiniger“-Darsteller führt hier selbst Regie, und mehr noch, die
       Figur Sörensen wurde von Autor Sven Stricker für Mädel geschrieben. Das
       Grundfeeling der Filme lässt sich vielleicht beschreiben mit: „Panik und
       Pointen“.
       
       Im ersten Fall, „Sörensen hat Angst“, hatte sich Sörensen wegen
       Angststörung [1][nach Friesland versetzen lassen]. Als neuer Leiter der
       Polizeidienststelle Katenbüll bekam er statt der Ruhe, die er sich
       erhoffte, ein paar Leichen.
       
       ## Erstaunlich hoher Anteil an Soziopath*innen
       
       Damit geht es weiter im zweiten Teil, „Sörensen fängt Feuer“: Ein Grüppchen
       Bibeltreue wird nach und nach ermordet und bei Sörensen zieht ein Mädchen
       ein, das ihr ganzes Leben im Keller eingesperrt war. Katenbüll ist nicht
       etwa langweilige Provinz, sondern hat einen erstaunlich hohen Anteil an
       Soziopath*innen.
       
       Das hilft alles wenig bei Sörensens Panikattacken. Diese filmisch
       überzeugend darzustellen, ist eine besondere Leistung der Reihe. Regisseur
       Mädel selbst kennt Panikattacken, hat er in Interviews verraten. In dieses
       Gefühl nimmt er die Zuschauenden mit.
       
       Es ist eine Welt, die ständig aus dem Fokus gerät. In der die
       Kameraeinstellung stellenweise grotesk verrutscht scheint oder sich
       selbstständig macht; wo leise Geräusche plötzlich lauter sind als laute; wo
       Nichtigkeiten zu Wutanfällen führen; und in der keine Unterhaltung je zu
       einem befriedigenden Abschluss kommt.
       
       Das eigentlich Besondere an „Sörensen“ ist aber, dass der [2][gewohnte
       emotionale Rhythmus des Genres] ins Gegenteil verkehrt wird. Es ist der
       kontraintuitive Krimi.
       
       ## Die Grausamkeit nicht faszinierender als nötig
       
       Üblicherweise lenken Krimis den Fokus aufs Außergewöhnliche: Verbrechen,
       Gewalt, Blut. Mittels Musik, Schnitt und Dialog verstärken sie unseren
       Schock und unser Unbehagen darüber. Im Kontrast erleben wir das Gewöhnliche
       als wohltuend: das formale Prozedere der Ermittlung, den Plausch der
       Kommissar*innen beim Mittagstisch und im Auto. Da können wir mal
       durchatmen.
       
       Bei Sörensen [3][ist es andersrum]. Der Fall, obgleich schauerlich, wird
       stoisch, beinahe lieblos aberzählt. Es ist, als wären Autor und Regisseur
       null motiviert, Grausamkeit faszinierender als nötig zu machen.
       
       Unbehagen wecken stattdessen die Szenen zwischen Sörensen und
       Kolleg*innen (Katrin Wichmann, Leo Meier). Während Sörensen bei Fremden
       souverän ist, geraten seine Unterhaltungen mit Menschen, die ihm
       näherstehen, irgendwie immer aus dem Takt.
       
       „Sörensen“ verzichtet darauf, eine Welt zu zeichnen, in die Ruhe einkehrt,
       sobald das Verbrechen aufgeklärt ist. Im Gegenteil, es ist fast, als wären
       Morde eine wohltuende Ablenkung für die erregbare Psyche.
       
       Unbehagen dagegen bleibt, wenn die Schockreize vorbei sind – als
       Grundrhythmus des menschlichen Gemüts. Und was echte Krimigourmets sind,
       die wissen: Da könnte was dran sein.
       
       17 Aug 2025
       
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