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       # taz.de -- Trump trifft Putin: Ausgerechnet Alaska!
       
       > Eine Militärbasis außerhalb von Anchorage könnte Geschichte schreiben im
       > Ukraine-Krieg. Die Region galt als „amerikanische Perle der russischen
       > Krone“.
       
   IMG Bild: Sichtbare historische Verbindungen: eine russisch-orthodoxe Kirche in Ninilchik in Alaska
       
       Berlin taz | Die Zukunft der Ukraine soll ausgerechnet an dem Ort
       entschieden werden, der heute wohl vor allem für eine US-amerikanische
       Serie aus den neunziger Jahren bekannt ist: Alaska. Dieses arktische
       Goldgebiet ist [1][Austragungsort für das Treffen zwischen US-Präsident
       Donald Trump und Kremlchef Wladimir Putin] am 15. August. Fast in
       Vergessenheit ist geraten, dass Alaska, das seit 1959 einer der
       US-Bundesstaaten ist, bei vielen Russ*innen mehr als einen nostalgischen
       Reiz auslöst.
       
       Der russische Imperator Alexander II. verkaufte dieses Land vor über
       anderthalb Jahrhunderten an Washington. Aber eine beträchtliche Anzahl an
       Menschen glaubt tatsächlich, dass es eine gute Sache wäre, Alaska wieder
       Sibirien anzuschließen. Ungeachtet dessen, dass dieses Gebiet sowohl von
       der russischen als auch von der amerikanischen Hauptstadt aus immer schwer
       zu verwalten war. Warum gibt es trotzdem diese Begehrlichkeiten?
       
       Die Eroberung Alaskas durch Kosaken, Pelzhändler und Einheiten der
       regulären zaristischen Armee und Flotte im 18. und 19. Jahrhundert dauerte
       fast 100 Jahre lang. Von der Beringstraße aus zogen die Russen entlang der
       Westküste der USA nach Süden und erreichten die Besitztümer des spanischen
       Königs, wo sie nördlich von San Francisco in Kalifornien den befestigten
       Außenposten Fort Ross gründeten.
       
       Dieser diente der Versorgung von russischen Kolonisten in Alaska mit
       Lebensmitteln und war Stützpunkt für die Pelztierjagd und den Pelzhandel.
       Doch die Gewinne gingen von Jahrzehnt zu Jahrzehnt zurück. Jäger rotteten
       die meisten Robben, Biber und Seeotter aus. Die „amerikanische Perle der
       russischen Krone“ begann zu verblassen. In der Hauptstadt St. Petersburg
       wurde damals beschlossen, das unbequeme und ferne Land loszuwerden und sich
       auf die Entwicklung Nordostasiens und die Eroberung Zentralasiens zu
       konzentrieren. Es kam zu einem Deal, der im April 1867 rund 7,2 Millionen
       Dollar kostete.
       
       ## Kein Hass, dafür viel Romantik
       
       Trotz der unterschiedlichen Staatsstrukturen gab es weder in der
       Öffentlichkeit des Russischen Reiches noch in dessen Regierung vom 18. bis
       20. Jahrhundert Hass auf Amerika. Und obwohl während des russischen
       Bürgerkriegs 1917 bis 1922 unter einigen Offizieren der Weißen Armee der
       Trinkspruch beliebt war – „Auf ein vereintes und unteilbares Großrussland –
       mit Polen, Finnland und Alaska“ –, waren dies eher romantische denn
       realistische Bestrebungen.
       
       Die Bolschewiki hatten sich indes eine Weltrevolution auf die Fahne
       geschrieben, und Josef Stalin sah in Amerika während seiner drei Jahrzehnte
       währenden Herrschaft einen Hauptrivalen. Bereits während des Bürgerkriegs
       verkündete er die Teilung der Welt in zwei Lager: das sozialistische unter
       Führung Russlands und das kapitalistische unter Führung der USA. Obwohl die
       UdSSR Technologie und Maschinen aus der sogenannten Neuen Welt bekam und im
       Zweiten Weltkriegs auch sonst reichlich Hilfe erhielt, war für Stalin klar:
       Washington ist der Feind Nummer eins.
       
       Zwischen 1945 und 1953, als der sowjetische Despot bereits einen „Dritten
       Weltkrieg“ vorbereitete, spielte die Arktis in den Operationsplänen der
       sowjetischen Armee eine große Rolle. Der russische Journalist Felix
       Tschujew schreibt in seinem Buch mit dem Titel „140 Gespräche mit
       Wjatscheslaw Molotow“ von einem Treffen mit Stalins ehemaligem
       Außenminister 1981. So habe er Molotow erzählt, wie er mit Armeegeneral
       Iwan Pawlowski in Tschukot_ka – einer Halbinsel im Nordosten Sibiriens, an
       der amerikanischen Seegrenze – gewesen sei.
       
       Dort stünden noch immer Kasernen, wo 1946 die 14. Landearmee unter dem
       Kommando von General Nikolai Oleschew stationiert gewesen sei. Diese Armee
       habe eine strategische Aufgabe gehabt: in Alaska zu landen, entlang der
       Küste vorzurücken und eine Offensive gegen die USA zu starten. Stalin habe
       diesen Auftrag persönlich erteilt.
       
       Dann zitiert Tschujew einen kurzen Dialog mit Molotow: „Ja, es wäre schön,
       Alaska zurückzuholen“, sagt Molotow. Gab es derartige Überlegungen?
       Natürlich“, sagt Molotow. 1953 starb Stalin. Diesen Plan konnte er nicht
       mehr umsetzen.
       
       ## Jede Menge Mythen um Alaska
       
       Doch die Russ*innen verloren Alaska nie aus dem Blick. 1990 wurde ein
       Lied der russischen Band „Ljube“ schlagartig zu einem Hit. In dem Song
       „Stell dich nicht so dumm, Amerika!“ wird die Rückgabe gefordert. Per
       Dekret des damaligen Präsidenten Boris Jelzin vom 16. April 1997, also nach
       dem ersten Tschetschenienkrieg, wurde dem Solisten dieser Band, Nikolai
       Rastorguew, der Titel „verdienter Künstler der Russischen Föderation“
       verliehen.
       
       Im gleichen Zeitraum tauchte in Russland wie aus dem Nichts der Mythos auf,
       dass Alaska nicht verkauft, sondern nur für 100 Jahre an die USA verpachtet
       worden sei. Im Juli 2022 dann – [2][also wenige Wochen nach der russischen
       Vollinvasion in der Ukraine] – warnte der Sprecher der Duma, Wjatscheslaw
       Wolodin von Putins Partei „Einiges Russland“, dass die USA „daran denken
       sollten, dass wir auch etwas zurückholen könnten“ – wenn sie russische
       Vermögenswerte einfrieren würden. Gemeint war Alaska.
       
       Wolodin brachte gar ein Referendum unter den Einwohner*innen Alaskas
       über einen Anschluss an Russland ins Spiel. Ähnliche Fantasien hatte Sergei
       Mironow, enger Vertrauter des Kremlchefs, Ende 2023. Russland solle darüber
       nachdenken, Alaska von den USA zurückzufordern. Seit Jahren leistet auch
       ein guter Freund Putins, der TV-Moderator Wladimir Solowjow, seinen Beitrag
       zum Thema. In einer TV-Sendung forderte er, Finnland, Polen sowie die drei
       baltischen Staaten müssten wieder in das russische Reich eingegliedert
       werden. Und welches Gebiet noch? Natürlich Alaska.
       
       Aus dem Russischen übersetzt von Barbara Oertel.
       
       15 Aug 2025
       
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