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       # taz.de -- Rechte Kampagne nach prominentem Vorbild: AfD hetzt gegen Göttinger Schule
       
       > Die AfD skandalisiert den Kurzauftritt eines Imams bei einer Göttinger
       > Schulfeier. Die Munition für die Kampagne lieferte Reichelts Portal
       > „Nius“.
       
   IMG Bild: Prominentes Opfer einer konzertierten Kampagne von Reichelts „Nius“ und anderen rechten Portalen: Juristin Frauke Brosius-Gersdorf
       
       Göttingen taz | Das Zusammenspiel des vom früheren Bild-Chefredakteur
       Julian Reichelt aufgebauten rechten Nachrichtenportals „Nius“ mit der AfD
       funktioniert nicht nur auf Bundesebene, zuletzt gesehen bei der
       [1][Verfassungsrichterinnenwahl]. Auch in der Provinz fungiert „Nius“
       mittlerweile als Stichwortgeber für eine politische Kampagne [2][der
       Rechtsaußenpartei] – zum Beispiel in Hildesheim.
       
       Zunächst berichtete das Portal über den Auftritt des Hildesheimer Imams
       Sinan Öztürk bei der Jahresabschlussfeier der katholischen Bonifatiusschule
       II in Göttingen. „Der Imam aus Hildesheim, der sich in der Öffentlichkeit
       gerne als interreligiöser Experte inszeniert, hat engen Kontakt zur
       Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs“, schrieb die „Nius“-Reporterin. Diese
       werde vom Verfassungsschutz als islamistische Bewegung eingestuft.
       Tatsächlich wird Milli Görüs in Niedersachsen schon seit zehn Jahren nicht
       mehr vom Verfassungsschutz beobachtet.
       
       Im Übrigen sei das Auftreten Öztürks nicht das erste Mal, dass die
       Bonifatiusschule II „Kontakt zu Akteuren aus dem islamistischen Umfeld
       hatte“, hieß es bei „Nius“ weiter. Bereits im September 2022 habe die
       Schule dazu aufgerufen, den „Tag der offenen Moschee“ zu besuchen.
       
       ## AfD kündigt Beschwerde gegen Iman-Auftritt an
       
       Kaum war der Text online, zeigte sich der Göttinger AfD-Kreisverband mit
       Blick auf die Schulfeier „erschüttert über so viel Nähe zu
       demokratiefeindlichen Extremisten“. „Wenn selbst auf einer katholischen
       Schule die Kinder nicht mehr sicher sind vor islamistischer Indoktrination,
       dann ist unsere Jugend wahrlich in großer Gefahr“, sagte der
       Kreisverbandsvorsitzende Justin Vogel laut einer Mitteilung. Es liege nun
       an den Eltern der Schüler, ein deutliches Zeichen gegen den islamischen
       Extremismus zu setzen und sich bei der Schule zu beschweren.
       
       Gleichzeitig kündigte Vogel an, bei der Stadt Göttingen Beschwerde nach dem
       Kommunalverfassungsgesetz einzulegen, „denn es ist ein schweres Versäumnis,
       eine solche Veranstaltung nicht unterbunden zu haben“. Dabei ist die Stadt
       für Schulen in kirchlicher Trägerschaft gar nicht zuständig.
       
       Das Bistum Hildesheim reagiert mit großem Unverständnis auf die Kampagne
       von Rechtsaußen. Das Bistum ist Träger der Schule, die einen Anteil an
       muslimischen Schülern von rund 17 Prozent aufweist und als einzige des
       Bistums auch islamischen Religionsunterricht als Fach anbietet. Insgesamt
       besuchen etwa 700 Mädchen und Jungen die Schule.
       
       Öztürk habe bei der dreistündigen Abschlussfeier in einer katholischen
       Kirche in Göttingen nur wenige Minuten gesprochen, sagte Bistumssprecher
       Thomas Pohlmann auf Anfrage. Er habe Verse aus dem Koran zitiert, zunächst
       auf Arabisch, dann in deutscher Übersetzung. Dann habe er sich kurz in
       deutscher Sprache an die Schülerinnen und Schüler gewandt und ihnen alles
       Gute für die Zukunft gewünscht.
       
       „Zu keinem Zeitpunkt äußerte er sich zu Themen, die dem Bildungsauftrag der
       Schule, dem Leitbild der Schulen in Trägerschaft des Bistums Hildesheim
       oder dem Leitfaden für Antidiskriminierung widersprechen“, so Pohlmann. Der
       Schule lägen auch keine Beschwerden von Eltern an dem rund vierminütigen
       Beitrag des Imams während der Andacht vor. Die Stellungnahme des Bistums
       ist den Angaben zufolge mit der Schulleitung abgestimmt, die wegen der
       Ferien nicht zu erreichen war.
       
       ## Mit dem Friedenspreis der Stadt Hildesheim ausgezeichnet
       
       „Herr Öztürk ist im interreligiösen Dialog, unter anderem bei ‚Abrahams
       runder Tisch‘ in Hildesheim', engagiert“, berichtete Pohlmann weiter.
       Zuletzt wirkte Öztürk im Rahmen dieser Initiative im Mai bei einem
       Friedensgebet mit. „Abrahams runder Tisch“ wurde 2024 mit dem Friedenspreis
       der Stadt Hildesheim ausgezeichnet. Der Kontakt zu Öztürk sei privat durch
       die islamische Religionslehrerin der Schule hergestellt worden, die in
       einem verwandtschaftlichen Verhältnis zu Herrn Öztürk stehe.
       
       Die muslimische Hildesheimer Ayasofya-Gemeinde von Imam Sinan Öztürk gehört
       nach eigenen Angaben zwar formal schon zu Milli Görüs. Die Gemeinde sei in
       Hildesheim aber aktiv in das Stadtleben eingebunden und kooperiere mit
       kirchlichen Einrichtungen sowie mit der [3][Beratungsstelle „Radius“ gegen
       Radikalisierung].
       
       Öztürk selbst sagte dem Göttinger Tageblatt, er setze sich für den
       „interreligiösen Dialog, für Verständigung und die Stärkung junger Menschen
       in unserer vielfältigen Gesellschaft“ ein. Es betrübe ihn, dass seine
       Teilnahme „verzerrt und in einen extremistischen Kontext gestellt wird“.
       Gleichzeitig bestärke ihn dies, „den Weg des Dialogs entschlossen
       weiterzugehen“.
       
       24 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Wahl-zur-Verfassungsrichterin/!6099841
   DIR [2] /Einstufung-als-rechtsextrem/!6102485
   DIR [3] https://www.caritas-hildesheim.de/radius
       
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