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       # taz.de -- Rettung von US-Forschungsdaten: Wissenschaftler sichern von Trump bedrohte Statistiken
       
       > Die US-Regierung modifiziert offizielle Daten zu Klima, Diversität und
       > Gender und erschwert Kontrollen. Nun haben Forscher eigene Portale
       > etabliert.
       
   IMG Bild: Die Empörung über Donald Trumps Missachtung der Wissenschaft vom Frühjahr ist in entschlossene Rettungsaktivitäten umgeschlagen
       
       Washington ap | Sie haben erlebt, [1][wie Daten auf Webseiten der
       US-Regierung verschwanden oder verändert wurden], seit Donald Trump zum
       zweiten Mal ins höchste Staatsamt gewählt wurde. Nun haben sich
       Statistiker, Demografen und Computerwissenschaftler außerhalb des
       US-Regierungsapparats zusammengeschlossen, um Datensätze zu retten, sie zu
       erfassen, aufzubewahren und zu teilen – manchmal auch heimlich. Sie wollen
       sicherstellen, dass die Daten auch in Zukunft verfügbar sind.
       
       Geleitet werden sie von der Überzeugung, dass nationale Statistiken über
       parteipolitischen Interessen stehen sollten und die Demokratie leidet, wenn
       politische Entscheidungsträger nicht auf zuverlässige Daten zurückgreifen
       können.
       
       „Da sind so smarte, leidenschaftliche Leute, die sich nicht nur um das
       Census Bureau zutiefst sorgen, sondern um sämtliche Statistikbehörden, und
       darum, [2][die Integrität des statistischen Systems] zu sichern. Und das
       gibt mir Hoffnung, sogar in diesen herausfordernden Zeiten“, sagte Mary Jo
       Mitchell von der Forschungsorganisation Population Association of America
       kürzlich auf einer Online-Konferenz zur Nutzung öffentlicher Daten.
       
       Die Bedrohung für die US-Dateninfrastruktur seit Trumps Amtsantritt im
       Januar liegt nicht nur im Verschwinden oder der [3][Modifizierung von
       Daten, die sich – neben anderen Punkten – auf Geschlecht, sexuelle
       Orientierung, Gesundheit, Klimawandel und Diversität beziehen]. Hinzu
       kommen laut Datenexperten die von der Regierung veranlassten
       Personalkürzungen unter Wächtern für Daten mit eingeschränkten
       Zugriffsrechten bei Statistikbehörden.
       
       ## Ausgesperrte Datenkontrolleure
       
       „Es gibt Billionen Bytes an Dateien, und ich kann mir nicht einmal
       vorstellen, wie viele Dollar ausgegeben wurden, um diese Daten zu sammeln
       (…). Aber jetzt sitzen sie irgendwo, ohne Zugang, denn es gibt kein
       Personal, um diese Daten angemessen zu handhaben“, klagte Jennifer Park vom
       Committee on National Statistics der National Academies of Sciences,
       Engineering and Medicine bei der Online-Konferenz.
       
       Im Februar war das [4][offizielle öffentliche Portal für Gesundheitsdaten
       der Seuchenkontrollbehörde CDC – data.cdc.gov – gänzlich abgeschaltet
       worden], stand dann später aber wieder zur Verfügung. Etwa zur selben Zeit
       erhielten Nutzer, die Daten aus der umfassendsten Erhebung der nationalen
       Statistikbehörde über Aspekte des amerikanischen Lebens abfragen wollten,
       mehrere Tage lang die Antwort, das sei „wegen Wartungsarbeiten“ derzeit
       nicht möglich. Später wurde der Zugang wiederhergestellt.
       
       Die Forscher Janet Freilich und Aaron Kesselheim haben 232 im ersten
       Viertel dieses Jahres modifizierte Datensätze zur öffentlichen Gesundheit
       untersucht. Sie stellten fest, dass fast die Hälfte „substanziell
       verändert“ worden war. Bei den meisten wurde bei der Geschlechtsbezeichnung
       das Wort „Gender“ durch „Sex“ ersetzt, wie sie in der Juli-Ausgabe des
       medizinischen Journals [5][The Lancet] schrieben.
       
       ## Sex und Gender
       
       „Sex“ bezieht sich auf die biologischen und physiologischen Merkmale bei
       der Geburt, also auf das [6][„zugewiesene“ oder „biologische“ Geschlecht],
       während „Gender“ das „soziale“ Geschlecht beschreibt. Das heißt, es bezieht
       sich auf die sozialen und kulturellen Rollen und Verhaltensweisen, die mit
       den Begriffen „Mann“ und „Frau“ verbunden sind und die Geschlechtsidentität
       einer Person, die sich von dem „zugewiesenen“ Geschlecht unterscheiden
       kann.
       
       Eine der schwierigsten Aufgaben ist es, herauszufinden, was genau geändert
       wurde, da das in vielen Fällen nicht eigens vermerkt worden ist. Beth
       Jarosz, eine Programmdirektorin beim Population Reference Bureau, hatte
       sich frühzeitig mit bestimmten Daten aus der letzten jährlichen nationalen
       Umfrage zur Gesundheit von Kindern in den USA versorgt, die sie für eine
       Rede auf einer Konferenz im Februar benötigte. Sie dachte, dass alles in
       Ordnung sei, auch wenn die Daten mittlerweile nicht mehr verfügbar waren.
       
       Aber dann erkannte sie, dass sie versäumt hatte, sich den Fragebogen
       herunterzuladen. Später fand sie heraus, dass eine Frage zur
       Diskriminierung aufgrund von biologischem Geschlecht oder der
       Geschlechtsidentität nachträglich daraus entfernt worden war.
       
       ## Die neuen Datenretter
       
       Gleich mehrere Organisationen haben sich in diesem Jahr eigens gebildet, um
       gemeinsam Bundesdaten zu erfassen und aufzubewahren. Dazu gehören die
       Gruppe [7][dataindex.us der Federation of American Scientists], die
       Änderungen an Datensätzen beobachtet, die [8][Webseite Data Mirror der
       Bibliothek der University of Chicago], die Sicherheitskopien von
       gefährdeten Datensätzen anfertigt und hostet, und das [9][Federal Data
       Forum], das darüber informiert, welche Bundesstatistiken verschwunden oder
       verändert worden sind.
       
       In aller Stille kontaktieren diese Datenschützer besonderer Art auch
       Mitarbeiter von Statistikbehörden und appellieren an sie, alle Daten zu
       kopieren, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. „Du kannst nicht
       darauf vertrauen, dass diese Daten morgen noch hier sind“, sagt Lena
       Bohman, [10][Mitgründerin des Data Rescue Project].
       
       Eine Gruppe von außenstehenden Experten hat zudem inoffiziell ein
       langjähriges Beraterkomitee des Census Bureau wiederbelebt, das die
       Trump-Regierung im März abgeschafft hatte. Offizielle Vertreter der Behörde
       werden zwar nicht an einer geplanten Sitzung im September teilnehmen, das
       Gremium wird ihr aber seine Ratschläge zuleiten. Und der Topdemografin
       Allison Plyer vom Data Center in New Orleans zufolge sind manche der
       Beamten froh über die Wiederauferstehung des Komitees – auch wenn es
       inoffiziell ist.
       
       27 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
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   DIR [3] /Forschung-und-Wissenschaft/!6080760
   DIR [4] https://www.cdc.gov/index.html
   DIR [5] https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(25)01249-8/fulltext
   DIR [6] /Versorgung-von-trans-Maennern/!6098212
   DIR [7] https://dataindex.us/
   DIR [8] https://datamirror.lib.uchicago.edu/
   DIR [9] https://federaldataforum.prb.org/home
   DIR [10] https://www.datarescueproject.org/federal-data-forum/
       
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