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       # taz.de -- Rechtsruck in Sachsen​: Linker Verein raus, Neonazis rein
       
       > Der Verein Colorido sollte in Plauen den Bahnhof beleben. Das klappte,
       > trotzdem schmeißt die Bahn ihn raus. Jetzt treffen sich Rechte dort.
       
   IMG Bild: Das Bahnhofsgebäude in Plauen, wo der Verein Colorido ansässig ist: Die Deutsche Bahn verweist auf das Ende des Projekts
       
       Leipzig taz | Ein letztes Mal Tango im Bahnhof Plauen hieß es am Mittwoch.
       Nun ist Schluss. Seit Anfang 2024 belebte der Verein Colorido zusammen mit
       anderen Organisationen eine Multifunktionsfläche im Oberen Bahnhof:
       Theaterstücke, Leseabende, Demokratiekonferenzen, Plenen und eben Tango.
       Dass der Verein die Fläche nutzen durfte, war Teil eines Projekts der
       Deutschen Bahn. Das sollte im alten Gebäude im Süden Sachsen für etwas
       Trubel sorgen. Doch diese Woche wurde es ihr offenbar zu bunt: Am Freitag
       musste Colorido raus.
       
       Das große Empfangsgebäude vor dem Oberen Bahnhof in Plauen wurde vor mehr
       als 50 Jahren eingeweiht. Es gibt einen Bäcker, einen Buch- und
       Presse-Laden, eine Spielhalle. Mehrere Flächen sind ungenutzt. Seit 2023
       ist die Bahnhofstoilette regelmäßig dicht; erst wegen Vandalismus, dann
       wegen Bauarbeiten. Ein im Mai installiertes Drehkreuz am Toiletteneingang
       soll Vandalismus verhindern. Doch jetzt ist das ständig kaputt, [1][wie die
       Freie Presse detailliert berichtet]. Das WC ist weiter unbenutzbar.
       
       Klingt nicht besonders einladend? Trotzdem seien die Veranstaltungen von
       Colorido gut besucht gewesen, berichtet Doritta Kolb-Unglaub vom Vorstand
       des Vereins. Immerhin, die Freifläche hatte eine eigene Toilette, die jeder
       benutzen durfte.
       
       Vor mehr als zehn Jahren beschloss Kolb-Unglaub, sich in Plauen für eine
       tolerante, demokratische Gesellschaft und gegen Neonazis zu engagieren. Am
       Mittwoch klingt sie im Gespräch mit der taz etwas frustriert und
       beschäftigt. Gerade gehe sie die Unterlagen und den Mailverkehr zum Projekt
       im Bahnhof durch, erzählt sie am Telefon. Sie sei dankbar dafür, dass die
       DB die Fläche seit Anfang 2024 bereitgestellt habe. Aber warum das am
       Freitag zu Ende gehe, wisse sie nicht.
       
       Für die Nutzung der Fläche wollte die Bahn zunächst kein Geld von Colorido.
       Erst als es diesen Februar darum ging, das Projekt zu verlängern, äußerte
       die DB, sie wolle zukünftig eine Monatsmiete von 800 Euro, so erzählt es
       Kolb-Unglaub. Viel Geld für Colorido, der Verein finanziert sich über
       Spenden und hat in der Stadt noch andere Räumlichkeiten. Bis Ende März habe
       die Bahn eine Zusage gewollt, Colorido wiederum habe um Verständnis
       gebeten, dass es länger dauere, die Finanzierung zu organisieren.
       
       ## Das Geld wäre da
       
       Ende Juni klappte es; Colorido teilte der Bahn mit, der Verein könne die
       800 Euro bezahlen. Doch die DB habe abgeblockt, berichtet Kolb-Unglaub, und
       plötzlich hätten einige Vorwürfe im Raum gestanden: Der Verein habe sich
       nicht an Vorgaben gehalten. Kolb-Unglaub widerspricht: Mit Blick in die
       Mails und Unterlagen erzählt sie der taz, jede Veranstaltung sei der Bahn
       angekündigt worden. Die Vorwürfe halte sie für vorgeschoben, sie habe eine
       andere Vermutung.
       
       Seit 2017 tritt Colorido Diskriminierung und Rechtsextremismus in Plauen
       entgegen. In einer Stadt, in der die neonazistische [2][Kleinstpartei
       Dritter Weg über Jahre mehrere Immobilien] betrieb und die AfD bei der
       Bundestagswahl im Februar 38 Prozent bekam, ist das durchaus unbequem. „Es
       wäre einfacher, wenn wir angepasster wären“, sagt Kolb-Unglaub. Ein
       „neutraler“ Verein hätte weniger Probleme.
       
       Die Deutsche Bahn äußert sich auf Anfrage der taz nicht zu dieser
       Darstellung. Das Projekt sei zeitlich begrenzt gewesen, erklärt ein
       Sprecher, jetzt sei der vereinbarte Zeitraum eben zu Ende.
       
       Wenn Colorido aus dem Bahnhof verschwindet, was bedeutet es für die weitere
       Entwicklung in der Stadt? Das habe „auf jeden Fall Auswirkungen“, sagt der
       Geschäftsführer des Kulturbüros Sachsen, Michael Nattke. Er betont, dass es
       gerade in Plauen wenige Kulturangebote gebe. Was das angehe, habe
       [3][Colorido in den vergangenen Jahren wichtige Arbeit geleistet] und
       demokratisches Verständnis gefördert. „Umso schlimmer, wenn dann so ein
       wichtiger Ort wegbricht“, findet Nattke.
       
       ## Ein linker Ort bricht weg
       
       Die Deutsche Bahn lasse mit ihrem Verhalten den Blick auf das Gemeinwesen
       vermissen, kritisiert Nattke. „Demokratie braucht die Zusammenarbeit von
       politisch Verantwortlichen, Vereinen und auch Unternehmen. Würde das
       ordentlich funktionieren, ginge es der Demokratie in Sachsen deutlich
       besser.“ Dass Colorido aus dem Bahnhof muss, sei ein Beispiel, dass es
       nicht funktioniert. Von der regionalen Politik bekomme der Verein kaum
       Rückendeckung, während überregional ausgezeichnet werde. 2024 bekam er etwa
       die Theodor-Heuss-Medaille, dieses Jahr war er für [4][den taz-Panterpreis
       nominiert].
       
       Doritta Kolb-Unglaub macht noch auf eine andere Entwicklung im Bahnhof
       aufmerksam: „Im Moment sehen wir, dass sich in der Bahnhofshalle regelmäßig
       die ‚Vogtland Revolte‘ trifft.“ So nennt sich eine Gruppe junger Neonazis,
       die als Jugendorganisation der Partei Heimat (früher NPD) auftritt. Online
       posten sie vor allem Gruppenfotos von Jugendlichen mit rechtsextremen
       Szene-Codes. Im Bahnhof und bei Demonstrationen träten die bedrohlich und
       gewaltbereit auf, erzählt Kolb-Unglaub. Sie bezögen sich positiv auf die
       NSDAP und kündigten an, queere Symbole zu verbrennen.
       
       Wer ab nächster Woche im Bahnhof Plauen ankommt, wird dann von kaputten
       Toiletten und Neonazis begrüßt, statt vom rhythmischen Tango beim Verein
       Colorido. Von der Bahn heißt es, es gebe bereits eine neue Idee, um die
       Fläche zu nutzen. Welche genau? Da sei noch nichts „spruchreif“, erklärt
       ein Sprecher. Heißt: Der Raum bleibt erstmal leer.
       
       2 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.freiepresse.de/vogtland/plauen/posse-um-plauener-bahnhofs-wc-die-unendliche-geschichte-eines-stillen-oertchens-artikel13837679
   DIR [2] /Neonazi-Partei-III-Weg/!5850506
   DIR [3] /Demokratiearbeit-in-Sachsen/!5762773
   DIR [4] /taz-Panter-Preis-2025/!vn6082823/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR David Muschenich
       
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