URI: 
       # taz.de -- Amnesty-Chefin über Luftbrücke für Gaza: „Das ist reine Symbolpolitik“
       
       > Merz' Luftbrücke für Gaza könne die Hungersnot nicht stoppen. Julia
       > Duchrow von Amnesty Deutschland fordert Sanktionen gegen Israels
       > Regierung.
       
   IMG Bild: Lastwagen stehen am Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und dem Gazastreifen am 29. Juli
       
       taz: Frau Duchrow, Deutschland hat zusammen mit Jordanien eine Luftbrücke
       nach Gaza gestartet, um die katastrophale humanitäre Lage dort zu lindern.
       Was halten Sie davon? 
       
       Julia Duchrow: Das ist reine Symbolpolitik. Es ist ein sehr teures
       Unterfangen, das die Verteilung der Hilfsgüter nach den Prinzipien der
       humanitären Hilfe nicht gewährleistet. Ein Flugzeug kann nur etwa so viel
       transportieren wie ein Lastwagen. Die Bundesregierung muss unbedingt Druck
       auf die israelische Regierung ausüben, Lkw-Ladungen hereinzulassen und
       [1][die Blockade in Gaza] aufzuheben.
       
       taz: Was kann die deutsche Regierung konkret tun? 
       
       Duchrow: Die Bundesregierung könnte sich für die Aussetzung des
       Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Israel einsetzen. Das Abkommen
       hat die Einhaltung von Völkerrecht und Menschenrechten zur Grundlage. Wir
       haben erdrückende Belege dafür, dass die israelische Regierung und das
       [2][israelische Militär kontinuierlich Kriegsverbrechen im Gazastreifen]
       verüben.
       
       taz: Derzeit kommen immer mehr Berichte darüber auf, dass Gaza sich in der
       letzten Phase der Hungersnot befinde. Können Sie das einschätzen? 
       
       Duchrow: In [3][Gaza gibt es ein massives Hungerproblem]. In den letzten
       Monaten sind 101 Menschen an Unterernährung gestorben, darunter 80 Kinder.
       Im Winter sind Neugeborene erfroren. Die medizinische Versorgung ist völlig
       unzulänglich. Ab dem 7. Oktober 2023 wurde der Hunger in Gaza als
       Kriegstaktik und Kollektivbestrafung eingesetzt, weil eine Blockade
       verhängt wurde.
       
       taz: Amnesty spricht von einem Völkermord in Gaza. Warum? 
       
       Duchrow: Im Dezember hat Amnesty International einen 300-seitigen Bericht
       veröffentlicht, der nach Kriterien der UN-Genozidkonvention zeigt, dass die
       massiven Angriffe auf die [4][palästinensische Bevölkerung in Gaza einer
       genozidalen Absicht] folgen. Sie sollen diese Bevölkerungsgruppe zerstören.
       Untersucht wurden zum Beispiel Äußerungen von Regierungsmitgliedern, die
       zum Genozid aufrufen. Die Totalblockade, durch die [5][keine Nahrung, kein
       Wasser] in das Gebiet kommen und die Angriffe auf Krankenhäuser, Friedhöfe,
       Schulen sind Belege für die Absicht der Zerstörung.
       
       taz: Wenn es ein Völkermord ist, wie Sie sagen, wie kann es in der Region
       jemals Frieden geben? 
       
       Duchrow: Zunächst müssen die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen
       werden.
       
       taz: Wer sind die Verantwortlichen? 
       
       Duchrow: Es gibt internationale Haftbefehle gegen Netanjahu und den
       ehemaligen Verteidigungsminister Galant. Natürlich wurden auch gegen
       [6][Hamas-Führer Haftbefehle verhängt], die leben aber nicht mehr. Es
       müssen alle zur Rechenschaft gezogen werden, auch jene, die den
       schrecklichen Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 verübt haben.
       
       taz: Was muss für einen Frieden noch passieren? 
       
       Duchrow: Alle Verstöße gegen das Völkerrecht müssen sofort gestoppt werden.
       Weiter müssen die [7][Blockade Gazas] aufgehoben und die Angriffe des
       israelischen Militärs beendet werden. Ein nachhaltiger Waffenstillstand ist
       Voraussetzung für alles Weitere.
       
       taz: Was fordern Sie von der Bundesregierung? 
       
       Duchrow: Die [8][Bundesregierung muss den Druck auf die israelische
       Regierung] massiv erhöhen, damit es einen Waffenstillstand gibt. Und sie
       muss aufhören, sich parteiisch an die Seite Israels zu stellen, auch in den
       Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof. Und es braucht einen
       sofortigen Stopp von Rüstungslieferungen und Militärhilfe für Israel.
       
       taz: Deutschland hat ja die Waffenlieferungen offenbar stark reduziert. Hat
       die Regierung damit nicht schon Konsequenzen gezogen? 
       
       Duchrow: Nein. Es ist intransparent, [9][welche Rüstungsgüter noch
       geliefert werden]. Aber die Bundesregierung hat Israel auch immer wieder
       diplomatisch unterstützt, anstatt sich an die Seite der anderen EU-Staaten
       zu stellen und deutliche Worte zu finden. Zudem hat die Bundesregierung die
       Aussetzung des Assoziierungsabkommens blockiert. Damit hat die
       Bundesregierung Israels Regierung in ihrem Vorgehen in Gaza gestärkt.
       
       taz: In New York findet eine UN-Konferenz zur Zukunft der Palästinenser und
       der Zweistaatenlösung statt – allerdings ohne die USA und Israel. Was
       erwarten Sie davon? 
       
       Duchrow: Es ist ein weiterer Versuch, diesen Völkermord zu stoppen. Ich
       hoffe, dass es zu einer klaren Benennung der Kriegsverbrechen kommt und zu
       [10][maßgeblichem politischen Druck] führt.
       
       taz: In der fünften und letzten Stufe der Hungersnot droht Hunderttausenden
       Menschen in Gaza der Hungertod. Lässt sich diese Katastrophe noch
       verhindern? 
       
       Duchrow: Ja, indem die Blockade des Gazastreifens sofort aufgehoben wird
       und so viele Lastwagen wie möglich hineinkommen. [11][Die
       Hilfsorganisationen] – und kein Militär oder Sicherheitsfirmen – müssen die
       Güter nach humanitären Prinzipien, Neutralität und Unparteilichkeit
       verteilen können. So kann weiteres Leid noch verhindert werden.
       
       30 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /--Nachrichten-im-Nahost-Krieg-/!6103775
   DIR [2] /Israels-Kriegsverbrechen-in-Gaza/!6100427
   DIR [3] /Hunger-im-Gazastreifen/!6099382
   DIR [4] /Israels-Kampf-im-Gazastreifen/!6059946
   DIR [5] /Amnesty-Bericht-zum-Gazakrieg/!6050278
   DIR [6] /Haftbefehle-gegen-Hamas-und-Netanjahu/!6008858
   DIR [7] /Israels-Krieg-in-Gaza/!6099305
   DIR [8] /Linken-Chef-zur-deutschen-Nahost-Politik/!6103849
   DIR [9] /Macht-sich-Deutschland-in-Gaza-mitschuldig/!6090861
   DIR [10] /Sanktionen-gegen-israelische-Minister/!6093605
   DIR [11] /Krieg-im-Gazastreifen/!6099368
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marco Fründt
       
       ## TAGS
       
   DIR Friedrich Merz
   DIR Israel
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Amnesty International
   DIR GNS
   DIR Genozid
   DIR Völkermord
   DIR Gaza
   DIR Social-Auswahl
   DIR Hungersnot
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Hunger
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Vorwürfe
   DIR Palästina
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Nach Wadephuls Israel-Reise: Klare Worte, keine Schritte
       
       Das Sicherheitskabinett stellt erneut Forderungen an die israelische
       Regierung – konkrete Maßnahmen bleiben aus. In der SPD-Fraktion steigt der
       Unmut.
       
   DIR UN-Versammlung in New York: Neue Liga gegen die Hamas
       
       In einer bemerkenswerten Erklärung wird die Terrororganisation
       aufgefordert, die Waffen niederzulegen. Großbritannien erhöht den Druck auf
       Israel.
       
   DIR Funktionär über Zustand der Hamas: „Solange es Besatzung gibt, wird es Widerstand geben“
       
       Die arabische Liga wendet sich in einer Erklärung gegen die Hamas. Ein
       Sprecher der Terrororganisation sieht keinen Grund, darauf einzugehen.
       
   DIR UN-Welthungerbericht: Hunger nimmt ab, aber nicht überall
       
       Laut UN-Welthungerbericht sinkt der Anteil der chronisch Hungernden an der
       Weltbevölkerung. Jedoch: In Afrika und im Nahen Osten nimmt die Zahl wieder
       zu.
       
   DIR Hunger im Gazastreifen: 3.000 Tonnen schwere Hoffnung
       
       Nach Monaten der Blockade lässt Israel wieder Hilfslieferungen nach Gaza
       zu. Trotz der zeitweisen Feuerpausen sollen seit Sonntag dutzende Menschen
       ums Leben gekommen sein.
       
   DIR Krieg im Gazastreifen: Israelische NGOs werfen Israel Genozid vor
       
       Die Nichtregierungsorganisationen B'Tselem und Physicians for Human Rights
       Israel bezichtigen ihre eigene Regierung des Völkermords. Sie fordern
       Haltung von der internationalem Gemeinschaft.
       
   DIR Debatte um Anerkennung Palästinas: Zweistaatenlösung heißt natürlich: zwei Staaten
       
       Eine Anerkennung Palästinas ist zwingend logisch. Das Land muss mit Israel
       auf Augenhöhe sein, sonst ist nichts verhandelbar und nichts durchsetzbar.