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       # taz.de -- „Millerntor Gallery“ beliebt, aber arm: Kunstgalerie droht ins Wasser zu fallen
       
       > Das Hamburger Kunst- und Kulturfestival „Millerntor Gallery“ zieht jedes
       > Jahr Tausende Besucher an. Aber nun sind Fördermittel weggebrochen.
       
   IMG Bild: Menschenhände auf dem Spielfeld im Millerntor-Stadion: Kunstwerk des Künstlers Saype bei der diesjährigen „Millerntor Gallery“
       
       Hamburg taz | Eigentlich ist es in den Sommermonaten im Millerntor-Stadion
       des [1][FC St. Pauli] sehr still – keine Stadionsprecher, keine
       Fan-Gesänge, keine Trommeln sind zu hören. Nur an einem Juli-Wochenende
       jeden Jahres sieht es anders aus: Dann findet das [2][Hamburger Kunst- und
       Kulturfestival „Millerntor Gallery“] statt. Allerdings könnte das
       diesjährige Festival das vorläufig letzte gewesen sein, wie die
       Veranstalter befürchten.
       
       Seit der Premiere im Jahr 2011 widmen die entwicklungspolitische
       Non-Profit-Organisation [3][„Viva con Agua“] und der FC St. Pauli das
       Festival dem Thema Wasser und Hygiene. Mittlerweile ist die Veranstaltung
       eine feste Institution der Hamburger Kulturszene – gewissermaßen das
       künstlerische Flaggschiff der Non-Profit-Organisation, die es geschafft
       hat, Leitungswasser als eine Art urbanes Lifestyle-Produkt zu vermarkten.
       
       In Form von Kunst, Musik, Workshops und Führungen soll an vier
       Festivaltagen die Bedeutung der wertvollen Ressource thematisiert werden.
       Die gesammelten Spenden und Erlöse gehen an globale Wash-Projekte (Wasser,
       Sanitär und Hygiene) etwa in Uganda und Südafrika.
       
       In diesem Jahr lockte die Kulturveranstaltung unter dem Motto „Art creates
       Water“ vom 10. bis 13. Juli Tausende Menschen in das Stadion am
       Heiligengeistfeld. Neben 30 Musiker:innen, wie Mine, Betterov oder Kafvka,
       war auch die Buchautorin und Klimaaktivistin Luisa Neubauer in einem
       Programmpunkt vertreten. Bildende Künstler:innen verwandelten die Wände
       des Umlaufs sowie die Aufgänge der Haupt- und Südtribune des
       Fußballstadions in eine Ausstellung.
       
       ## Motto „Art creates Water“
       
       Obwohl das soziale Kulturfestival laut eigenen Aussagen jedes Jahr rund
       17.000 Besucher:innen zählt, steht die Zukunft der Millerntor Gallery
       auf der Kippe. Die Veranstalter sprechen sogar von einem „Wendepunkt“. Denn
       derzeit sei es noch vollkommen unklar, ob das Festival im nächsten Jahr ins
       Wasser fällt.
       
       Bereits in den Jahren 2020 und 2021 hatte das Festival wegen der
       Coronapandemie ausfallen müssen. Und mit der derzeitigen Strategie sei es
       jedenfalls im nächsten Jahr „nicht möglich, einfach so weiter zu machen“,
       erklärt Agnes Fritz, Veranstalterin und Geschäftsführerin von „Viva con
       Agua Arts“.
       
       Für das diesjährige Festival waren bereits im vergangenen Dezember
       Fördermittel weggebrochen, im Frühjahr folgte die Absage weiterer Projekte
       und Finanzmittel. Ab diesem Zeitpunkt sei die „finanzielle Notsituation“
       der Veranstaltung bereits absehbar gewesen, sagt Fritz, auch die Gefahr
       einer Insolvenz stand im Raum: „Dementsprechend sind wir dann erst einmal
       laut geworden.“
       
       Das Festival finanziert sich neben Ticketverkäufen, Spenden und Sponsoren
       durch den Verkauf der ausgestellten Kunstwerke. Die Erlöse seien jedoch
       nicht kalkulierbar, sagt Fritz. Die Künstler:innen entscheiden selbst,
       welchen Anteil am Verkaufspreis ihrer Werke sie an die Wasser-Projekte
       spenden wollen. „Es kann ja nicht sein, dass wir in prekären Zeiten der
       Kunst- und Kulturszene noch etwas kostenfrei abfordern“, sagt die
       Festival-Chefin, schließlich wolle man die Kunstszene unterstützen.
       
       ## Nur wenig staatliche Unterstützung
       
       Um dennoch so viele Spenden wie möglich zu sammeln, setze man auf das
       Prinzip einer „wandernden Ausstellung“, bei der jedes verkaufte Kunstobjekt
       durch ein neues ersetzt werde. Mehr als 100 lokale und internationale
       Künstler:innen stellten Mitte Juli ihre Werke, die meisten im
       Streetart-Stil, im Millerntor-Stadion aus.
       
       Staatliche Unterstützung für das Kulturfest erhalte man nur „im kleinen
       Umfang“, etwa für einzelne Ausstellungen. Dieses Jahr war es ein Projekt
       zum Thema Menstruation. Mit einer hohen Fördersumme durch die
       Kulturbehörde, im Jahr 2024 etwa war das Festival Teil des offiziellen
       Fußball-EM-Programms, könne der Kunstverein nun allerdings nicht rechnen.
       
       Öffentliche Förderungen seien meistens an strenge Fristen gekoppelt, die
       sie aufgrund des Veranstaltungsortes gar nicht einplanen könnten. „Wir
       müssen immer auf den Fußball warten“, sagt Fritz, denn ob der FC St. Pauli
       sein Stadion in den Sommermonaten für das Training, Relegations- oder
       Übungsspiele benötige, könne oft nicht Monate im Voraus geplant werden.
       
       Dass die Millerntor Gallery nun rechtzeitig die Notbremse ziehen wolle, sei
       zwar von außen positiv aufgenommen worden, sagt Fritz, bei „Viva con Agua“
       sei die Situation jedoch angespannt. Von einer möglichen Festival-Pause
       wären viele Angestellte betroffen, genauso wie zahlreiche Ehrenamtliche,
       die dabei helfen, das Bühnen- sowie Kunstprogramm zu kuratieren und
       mitzugestalten.
       
       ## FC St. Pauli noch zurückhaltend
       
       Der FC St. Pauli verhält sich noch zurückhaltend. V[4][ereinspräsident Oke
       Göttlich] war auf taz-Anfrage für ein Interview nicht zu erreichen. Das
       Thema sei derzeit auch nicht so akut, sagt ein Pressesprecher. Der Verein
       wolle erst einmal prüfen, wie es weitergehen könnte.
       
       Fritz zeigt sich dennoch zuversichtlich, eine finanzielle oder
       organisatorische Unterstützung des Bundesliga-Vereins zu bekommen und
       verweist auf die gemeinsame Pressekonferenz kurz vor der „Millerntor
       Gallery“. Damals habe der Chef des Kiezclubs Gesprächs- sowie
       Unterstützungsbereitschaft signalisiert. Auch die Kulturbehörde habe
       Gesprächsbereitschaft bekundet, sagt Fritz.
       
       Die Veranstalterin hofft hier auf eine Förderung, die die Planungsumstände
       des Vereins berücksichtigt. Von einer Bekannten aus dem Hamburger
       Kulturbetrieb habe sie einmal gesagt bekommen, dass Hilferufe aus der Szene
       meistens erst dann wahr genommen werden, wenn sie von der Presse
       aufgegriffen werden. Von der öffentlichen und finanziellen Unterstützung
       hängt es nun ab, ob das Kulturfestival im nächsten Jahr seinen 16.
       Geburtstag feiern kann.
       
       16 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /FC-St-Pauli/!t5347114
   DIR [2] https://www.millerntorgallery.org/
   DIR [3] /Viva-Con-Agua-baut-Hotel-in-Hamburg/!5781035
   DIR [4] /St-Pauli-Praesident-ueber-Genossenschaft/!6045292
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Quirin Knospe
       
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