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       # taz.de -- Vergewaltigungsprozess in Berlin: Fast 6 Jahre Haft für Vergewaltiger
       
       > Ein Mann teilt Fotos und Videos von seinen Straftaten auf Telegram. Jetzt
       > wurde er dafür verurteilt. Die Richterin erkennt Frauenhass als Motiv an.
       
   IMG Bild: Kriminalgericht in Berlin: Fortschritt in der Strafverfolgung von Sexualdelikten
       
       BERLIN taz | Stellen Sie sich eine Telegram-Gruppe vor, in der Männer sich
       Ratschläge darüber geben, wie sie Frauen am besten sedieren und
       vergewaltigen können. Wo sie die Medikamente besorgen, wie sie mit den
       Frauen in Kontakt treten können. In der Gruppe werden Bilder und Videos von
       Frauen geteilt, die nicht wissen, dass sie beim Duschen und Umziehen
       gefilmt werden. Oder beim Sex. Oder beim Vergewaltigt werden. [1][Würden
       Sie Mitglieder einer solchen Gruppe für Frauenhass verurteilen]?
       
       Genau das hat ein Berliner Kriminalgericht am Freitag getan. Denn eine
       dieser Gruppen gibt es wirklich. Sie heißt „Fahrzeuge in Berlin“.
       Fahrzeuge, das steht für Frauen. Privatfahrzeug für eine feste Partnerin.
       Luxusfahrzeug für eine besonders attraktive Frau. Und volltanken für
       sedieren.
       
       Das Urteil, deutet einen Fortschritt in der Strafverfolgung von
       Sexualdelikten an. Aber von vorne.
       
       ## Aufgespürt durch Telegram
       
       Seit einiger Zeit laufen in Frankfurt am Main Ermittlungen gegen einen
       43-Jährigen. [2][Er soll Frauen in mehreren Fällen sediert und vergewaltigt
       haben.] Weil er die Schlafmittel in sieben Fällen bewusst so hoch dosierte,
       dass die Frauen dadurch in Lebensgefahr kamen, klagt ihn die
       Staatsanwaltschaft auch wegen versuchten Mordes an.
       
       Bei den Ermittlungen gegen diesen Mann stießen Behörden auf die
       Telegram-Gruppe „Fahrzeuge in Berlin“ und dadurch auf einen weiteren Täter:
       einen 25-jährigen Studenten aus Berlin. Dieser wurde am Freitag zu 5 Jahren
       und neun Monaten Haft verurteilt.
       
       ## „Gott bei Tag, Teufel bei Nacht“
       
       Der Student Z. filmte über Jahre hinweg Frauen, die er vorher oft über
       Dating-Apps kennenlernte, heimlich beim Duschen, Umziehen oder beim
       Toilettengang. In einem Fall nutzte er den Notfallschlüssel seiner
       Nachbarin, um in ihre Wohnung zu gelangen und eine Kamera in ihrem Bad zu
       installieren. Heimlich filmte er Frauen beim einvernehmlichen Sex.
       
       Neben diesen Verletzungen der Intimsphäre, begang er drei Sexualdelikte,
       die er ebenfalls auf Fotos und Videos festhielt. Wie er eine schlafende
       Frau im Intimbereich berührt und seinen Penis gegen ihre Füße reibt. Wie er
       eine Frau vergewaltigt, die versucht, sich gegen seine Übergriffe zu
       wehren. Wie er eine Frau mit mehreren Tabletten betäubt und auch sie
       vergewaltigt, in wehrlosem Zustand. Viele der Bilder und Videos teilte er
       in der Telegram-Gruppe, über die er ausfindig gemacht wurde.
       
       In einem der Videos, so beschreibt es die Richterin bei der
       Urteilsverkündung, filmt er eine nackte, schlafende Frau. Vor ihre
       Geschlechtsteile legte er ein Stück Papier. Darauf zu lesen: „Gott bei Tag,
       Teufel bei Nacht“. Sein Nickname auf Telegram.
       
       Die Frauen selbst erfuhren von den Bildaufnahmen erst, als sie von den
       Ermittlern kontaktiert wurden. Sie beschrieben den Täter als freundlich,
       harmlos, den „netten Typen von nebenan“, so die Richterin am Freitag. Er
       habe „hoch manipulatives Verhalten an den Tag gelegt“, um seine Taten zu
       begehen, konstatiert sie. Während des Gerichtstermins am Freitag blieb er
       vollkommen ausdruckslos.
       
       ## Betroffene mussten nicht vor Gericht erscheinen
       
       Von den ursprünglich 15 Anklagepunkten gestand der Täter 13. „Etwas anderes
       blieb ihm bei der erdrückenden Beweislast auch nicht übrig“, so Magdalena
       Gebhard. Sie vertritt die Frau, die von Z. sediert und vergewaltigt wurde,
       als Nebenklägerin.
       
       Auch wegen des Geständnisses wurden die Frauen nicht als Zeuginnen
       vorgeladen. Das erspart ihnen zwar, vor Gericht aussagen zu müssen, was
       Betroffene von sexualisierter Gewalt meist als sehr belastend empfinden.
       Gleichzeitig komme es dem Täter aber zugute, so Gebhard, weil sich das
       Gericht kein Bild davon machen könne, wie es den betroffenen Frauen heute
       geht. Gesundheitliche Schäden durch die Tat würden sich sonst auf das
       Strafmaß auswirken.
       
       ## Frauenhass als Leitmotiv anerkannt
       
       Trotzdem ist Gebhard insgesamt zufrieden mit dem Urteil. Es sei perfide,
       dass sich der Täter lediglich mit den Betroffenen getroffen habe, um sie zu
       vergewaltigen und Videoaufnahmen von ihnen zu erstellen. Sie sieht in
       seinem Handeln Frauenhass als Leitmotiv.
       
       [3][Und das erkennt das deutsche Recht seit 2022 als strafverschärfend an,
       ähnlich wie ein rassistisches oder antisemitisches Tatmotiv.] Nur werde
       Frauenhass von den Gerichten oft nicht anerkannt und angewandt, so Gebhard.
       Doch in diesem Fall hatte sie mit ihrem Plädoyer Erfolg. Auch die Richterin
       erkannte Misogynie als Motiv an und gelangte so zu einem härteren Urteil.
       
       Während der Urteilsverkündung sagte sie, der Student Z. und die anderen
       Gruppenmitglieder hätten Frauen mit „abgrundtiefer Verachtung“ behandelt
       und über sie gesprochen. Die Taten, für die er verurteilt wurde, seien
       „hämisch, herabwürdigend und eindeutig misogyn“.
       
       1 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Sexuelle-Gewalt-gegen-Frauen/!6052147
   DIR [2] https://www.spiegel.de/panorama/justiz/frankfurt-am-main-43-jaehriger-wegen-vergewaltigung-und-gefaehrdung-angeklagt-a-d3563d95-e0cb-4ed7-9c84-25fdcbd07b4c
   DIR [3] https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__46.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Alice von Lenthe
       
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