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       # taz.de -- Zschäpe im Aussteigerprogramm: „Das wäre eine weitere Demütigung“
       
       > NSU-Terroristin Beate Zschäpe befindet sich in einem Aussteigerprogramm.
       > Die Ombudsfrau der Opferfamilien hält das für wenig glaubwürdig.
       
   IMG Bild: Befindet sich in einem Aussteigerprogramm: Beate Zschäpe, hier 2018 im NSU-Prozess in München
       
       Berlin taz | Seit 14 Jahren sitzt Beate Zschäpe in Haft. Im Juli 2018 wurde
       sie wegen der zehnfachen Mordserie des „Nationalsozialistischen
       Untergrunds“ (NSU) [1][zu lebenslanger Haft mit besonderer Schwere der
       Schuld verurteilt]. Schon zuletzt hatte die 50-Jährige beteuert, dem
       Rechtsextremismus den Rücken gekehrt zu haben. Nun wurde sie nach Auskunft
       ihres Anwalts Mathias Grasel in ein Aussteigerprogramm aufgenommen. Zuerst
       hatte die „Zeit“ berichtet.
       
       Bereits vor einiger Zeit sei die Aufnahme in ein Programm erfolgt, sagte
       Grasel der taz. Wann genau und in welches Aussteigerprogramm Zschäpe
       aufgenommen wurde, wollte der Anwalt nicht mitteilen. Nach
       taz-Informationen ist Zschäpe im Aussteigerprogramm [2][Exit]. Die
       Organisation wollte sich „aus rechtlichen Gründen“ nicht dazu äußern.
       
       Zschäpe war 1998 in Thüringen mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos abgetaucht
       und hatte mit ihnen das Kerntrio der Neonazi-Terrorzelle NSU gebildet. In
       den folgenden Jahren ermordete die Gruppe neun migrantische
       Gewerbetreibende und eine Polizistin, verübte drei Bombenanschläge in
       Nürnberg und Köln mit Dutzenden Verletzten und beging 15 Raubüberfälle.
       Erst 2011 flog der NSU und das rechtsextreme Motiv der Taten auf, nachdem
       sich Böhnhardt und Mundlos nach einem gescheiterten Bankraub erschossen
       hatten und Zschäpe das NSU-Bekennervideo verschickte.
       
       Zschäpe hatte im Prozess zu der Terrorserie [3][erst lange geschwiegen und
       dann die Schuld für die Taten auf Böhnhardt und Mundlos geschoben]. Das
       Gericht hielt das nicht für glaubwürdig und verurteilte sie als voll
       mitverantwortlich für die Terrorserie. Derzeit sitzt Zschäpe in der JVA
       Chemnitz.
       
       ## Opferbeauftragte bezweifelt Ideologieabkehr
       
       Schon bei einer [4][Befragung vor dem bayrischen NSU-Untersuchungsausschuss
       im Mai 2023 hatte Zschäpe erklärt], sie habe sich vom Rechtsextremismus
       abgewandt und sehe sich als Aussteigerin. Seitdem hatte sich Zschäpe um die
       Aufnahme in ein Aussteigerprogramm bemüht – zunächst ohne Erfolg. Das
       Landesprogramm Sachsen lehnte das etwa ab, weil es Zweifel an der
       Ideologieabkehr von Zschäpe hatte.
       
       Auch [5][Barbara John, die Ombudsfrau der NSU-Opferhinterbliebenen], äußert
       diese Zweifel – und verweist darauf, dass Zschäpe im NSU-Prozess jahrelang
       schwieg, ohne an der Aufklärung mitzuwirken. John sieht ein anderes Motiv,
       wie sie der taz sagte: „Mit der Aufnahme in ein Aussteigerprogramm bereitet
       Beate Zschäpe ihre vorzeitige Haftentlassung vor.“
       
       Zudem kritisiert John, dass die Opfer des NSU-Terrors derzeit kein Recht
       hätten, zu einer vorzeitigen Haftentlassung von Zschäpe angehört zu werden.
       Bleibe dies so, wäre das „eine weitere Demütigung der Hinterbliebenen und
       Überlebenden des Terrors“, so John. „Zu einer Entscheidung über eine
       vorzeitige Haftentlassung gehört auch die Berücksichtigung der
       Opferperspektive und nicht nur die Perspektive auf die Straftäterin.“
       
       Bis November 2026, nach 15 Jahren Haft, entscheidet das Oberlandesgericht
       München über die endgültige Dauer von Zschäpes Strafe und eine mögliche
       frühere Entlassung. Eine Abkehr von einer extremistischen Ideologie kann
       dabei ein Faktor sein.
       
       John fordert, die Opfer vor dieser Entscheidung anzuhören, „um zu sagen,
       welches Leid und welche gesundheitlichen, sozialen und materiellen Folgen
       sie erlitten haben durch die Taten“. Da dies bisher rechtlich nicht möglich
       sei, müsse der Bundestag ein Gesetz für erweiterte Opferrechte schaffen,
       fordert John. Andernfalls werde sie selbst dem Gericht eine entsprechende
       Stellungnahme vorlegen, im sogenannten Amicus Curiae-Verfahren.
       
       ## Auch engster NSU-Helfer will Aussteiger sein
       
       Zuletzt war bereits André Eminger, der engste Vertraute des NSU-Kerntrios,
       [6][in ein Aussteigerprogramm des Landes Sachsens aufgenommen worden].
       Eminger hatte die Terroristen 13 Jahre lang unterstützt, für sie Wohnmobile
       angemietet, eine Wohnung und Bahncards besorgt, Beate Zschäpe auch noch bei
       der Flucht geholfen. Im NSU-Prozess schwieg er dazu – und wurde nur zu
       zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.
       
       Laut seines Anwalts will sich Eminger schon Mitte 2019 aus der
       rechtsextremen Szene gelöst und seine einschlägigen Tattoos wie „Die Jew
       Die“ entfernt haben. Noch bis zum Herbst 2022 hatte Eminger allerdings
       [7][Briefkontakt mit einer später verurteilten Rechtsterroristin gehalten],
       dort über „Antifanten“ oder „linksversiffte besetzte Häuser“ geätzt.
       Dennoch wurde er wurde nach nur anderthalb Jahren Gefängnis haftverschont.
       
       5 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
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