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       # taz.de -- Die Wahrheit: Zwangsmigration in die Hölle
       
       > Wenn der Provider zu Microsoft umzieht, melden sich die Teufel in
       > Menschengestalt und nennen sich höhnisch lachend
       > Domain-Factory-Kundenberater.
       
       Albert W. hatte schlechte Laune. „Kundennummer und Support-Token“, blaffte
       er mich am Telefon an. Mit der Kundennummer konnte ich dienen, aber was ist
       ein Support-Token? „Loggen Sie sich ein, dann sehen Sie es oben in der
       Leiste“, klärte W. mich auf. Aber das sei ja das Problem, weswegen ich
       anrufe, entgegnete ich: „Ich kann mich nicht einloggen.“
       
       Mein Provider, die Domain Factory, hatte alle Websites zu Microsoft
       umgezogen, sprich zwangsmigriert. Unterwegs gingen die Zugangsdaten
       verloren, sodass man keinen Zugriff mehr auf seine Mails hatte. Dafür war
       aber der Preis kräftig „angepasst“ worden, wie es euphemistisch bei solchen
       Preissteigerungen heißt.
       
       Die Anleitung, die mir vorab geschickt wurde, war auf Fachchinesisch:
       „Vergewissern Sie sich bitte, dass Sie für Clients wie Google Mail,
       Thunderbird oder K9 die SMTP-Authentifizierung eingeschaltet haben.
       Alternativ können Sie die SMTP-Einstellungen auch direkt in Ihrem
       Productivity Panel verwalten.“
       
       Interessant. Ich suche mein „Productivity Panel“ seit Jahren. Ich bat
       schriftlich um Hilfe. Per automatischer Antwort riet man mir, anzurufen.
       Diesmal hatte ich – nach 43 Minuten mit Musik in der Warteschleife – zum
       Glück nicht W. am Telefon, sondern einen freundlicheren Menschen. Er gab
       mir eine Stunde lang Instruktionen, was zu tun sei. Am Ende bewegte ich
       mich in einem ewigen Kreislauf zwischen zwei Websites hin und her. Der
       Kundendienstmitarbeiter gab entnervt auf und empfahl mir, eine Mail an den
       Support zu schicken.
       
       Diesen Weg hatte ich zwar bereits erfolglos beschritten, aber ich schrieb
       mangels Alternative erneut eine Mail. Die Antwort stürzte mich in eine
       Identitätskrise: Ich sei nicht authentisch. „Für eine genaue Beantwortung
       Ihrer Anfrage wäre es notwendig, ein authentifiziertes Ticket zu stellen“,
       behauptete ein Alexander S. Die wissen, warum sie ihre Nachnamen nicht
       nennen. Ich solle lieber beim Kundenberater anrufen, riet er mir.
       
       In Dantes Inferno wird die Hölle in Form von neun konzentrischen Kreisen
       der Qual dargestellt. Ab dem siebten Kreis sind die wirklich bösen Menschen
       zu finden: Gewalttäter, Gotteslästerer, Betrüger, Diebe, Verräter und
       Kundenbetreuer.
       
       Inzwischen war eine Woche vergangen, ohne dass ich an meine Mails
       herangekommen war. Was, wenn ein indischer Milliardär mir 17 Millionen
       vermachen wollte und ich ihm binnen 24 Stunden meine Kontonummer hätte
       mitteilen müssen? Ich rief ein drittes Mal an, und diesmal hatte ich
       Laurent an der Strippe. Innerhalb von fünf Minuten waren meine Mails
       vorübergehend wieder da. Meine Freude währte nicht lange: Mails
       verschwinden oder werden nicht versendet, der „Kundendienst“ hüllt sich in
       Schweigen, die Website sieht beschissen aus, ist weit umständlicher als
       vorher, und der indische Milliardär hat sich auch nicht gemeldet.
       
       18 Aug 2025
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Sotscheck
       
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