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       # taz.de -- Englischer Fußball und Diversität: Schuhe, die im Regen stehen
       
       > Die Premier League beendet ihr berühmtes Regenbogenschnürsenkel-Programm.
       > Der Jubel im christlich-konservativen Lager ist groß.
       
   IMG Bild: Ob wenigstens die Binde bleibt? Crystal-Palace-Kapitän Marc Guehi
       
       „Wir wissen, dass wir mehr tun können, um den Geist und die Energie des
       Fußballs auf dem Spielfeld als Kraft zum Guten einzusetzen.“ Mit diesen
       Worten startete im Jahr 2016 der damalige Vorsitzende der englischen
       Fußball-Premier-League Richard Scudamore das „Stonewall Rainbow Lace
       Program“, eine Initiative, wo mithilfe von Schuhbändern in Regenbogenfarben
       Solidarität mit Spieler:innen, Fans und Angestellten der LGBTQIA+
       demonstriert werden sollte. Seit letzter Woche ist das seit acht Jahren
       laufende Programm nun offiziell beendet.
       
       Nur warum? Eine Presseerklärung gab es nicht. Durchgesteckt wurde die
       Nachricht ausgerechnet über die rechte Tageszeitung Daily Telegraph, die
       sich auf ein Treffen der 20 Premier-League-Klubkapitäne berief.
       
       Auf Nachfrage der taz unterstrich die britische [1][Football Association
       (FA)], dass dieser Schritt nicht bedeute, dass man „Inklusion den Rücken
       kehre“, sondern lediglich, dass man ein eigenständiges Programm aufstellen
       wolle. Auch die Premier League gab an, dass die Absage des Programms keinen
       grundsätzlichen Kurswechsel darstelle.
       
       Die Regenbogenbänder gibt es seit 2013. Sie wurden 2016 offiziell,
       geschaffen von einem „Team Pride“ in Partnerschaft mit anderen
       Organisationen der britischen LGBTQIA+-Organisation [2][„Stonewall“].
       Stonewall war lange die britische Hauptorganisation, was
       LGBTQIA+-Inklusionsprogramme betraf, sozusagen ein Leuchtturm der
       Community.
       
       ## Eigener Ansatz
       
       In den letzten Jahren war Stonewall in Misskredit geraten, besonders
       aufseiten der konservativen Vorgängerregierung. Auch weil die Organisation
       auf das Recht der geschlechtlichen Selbstbestimmung beharrte. Und das auch,
       nachdem ein Urteil des britischen Supreme Court im April dieses Jahres
       besagte, dass in Sachen rechtlich geschützter Räume („safe spaces“) das bei
       der Geburt festgelegte Geschlecht entscheidend sei.
       
       Jon Holmes, einer der wichtigsten Journalisten und Berater in Sachen LGBTQ+
       und Sport, insbesondere im Fußball, gab der taz gegenüber allerdings
       beruhigend an, dass nichts darauf hindeutete, dass die Entscheidung, die
       Regenbogensenkel abzuwickeln, mit diesen und anderen identitätspolitischen
       Kontroversen zu tun hat. Sondern mehr mit dem Versuch des Fußballs, die
       Dinge selber in die Hand zu nehmen. Mit anderen Worten: Auch die Premier
       League beruft sich also auf Selbstidentität und Unabhängigkeit. Allerdings
       habe die [3][englische Super League der Frauen] die Initiative noch nicht
       aufgegeben.
       
       Das derzeitige Hauptproblem bestehe für Initiativen eher in der
       Ungewissheit, welche Maßstäbe und Zeichen nun zu setzen seien. Das gelte
       besonders für solche, die schon durch den verbalisierten Widerstand der
       beiden religiösen Spieler gegen die Rainbow Laces im letztes Jahr
       verunsichert wurden. „Die Schuhbänder sollten ja unter anderem die
       Botschaft verkünden, dass LGBTQ-Fußballfans überall willkommen sind. Das
       alle mitgemeint waren. Das war eine zentrale Friedensbotschaft“, so Holmes.
       
       Die Premier League wolle nun ihre LGBTQ-Botschaft im Pride-Monat Februar
       verkünden, so wie das viele britische Organisationen und Unternehmen tun.
       Wie diese Botschaft genau aussehen soll, weiß im Augenblick aber niemand.
       Dass so eine Botschaft zwingend notwendig ist, zeigt der beunruhigende
       Anstieg an homophoben Vorfällen auch im englischen Fußball (zum deutschen
       Fußball siehe auch Spalte rechts).
       
       Beunruhigend sei der Jubel in den sozialen Medien gewesen, nachdem das Ende
       der Regenbogen-Schuhbänder durchgesickert war. Besonders groß war der Jubel
       bei christlich-konservativen Gruppierungen. Der Daily Telegraph feierte es
       als „das Ende des Regenbogen-Unsinns“.
       
       Anders als im Frauenfußball gibt es im britischen Männerfußball nur einen
       einzigen, der sich als schwul outete. [4][Jake Daniels der Name.] Auch ein
       Schiedsrichter, Ryan Atkin, outete sich. Gleichwohl dürfe der Erfolg der
       Inklusionsprogramme nicht an der Anzahl der Personen bemessen werden, die
       sich outen, so Holmes. Außerhalb der Profiszene gäbe es viele schwule und
       bisexuelle Fußballer, die viel positive Arbeit leisten. Holmes bürgt dafür,
       dass die „Rainbow Laces“ betroffenen Menschen und Spielern, die er kenne
       und die nicht unbedingt geoutet seien, Zuversicht schenkten.
       
       Am Donnerstag äußerte sich schließlich auch Richard Masters,
       Geschäftsführer der Premier League, auf eine direkte Frage bei einer
       Pressekonferenz: „Wir haben genug Selbstvertrauen, selbst zu entscheiden
       und unsere eigenen Programme zu leiten und mit Vereinen und allen
       Interessenverbänden darüber zu sprechen“, sagte er. Masters verneinte, dass
       die Änderung wegen der Vorfälle mit den Kapitänsbinden und der religiös
       motivierten Reaktionen darauf gekommen sei.
       
       Auf dem X-Profil von Stonewall steht an oberster Stelle immer noch ein Post
       vom letzten Jahr zur Rainbow-Laces-Initiative. In einem dem Daily Telegraph
       gegebenen Statement betonte Stonewall, dass die Schuhbänder dazu beitragen
       sollen, LGBTQ+-Inklusion, Akzeptanz und Mitbeteiligung in allen Bereichen
       des Fußballs zu ermöglichen und dass unter den jüngeren Generationen eine
       Person unter zehn sich als LGBTQ+ identifizieren würde.
       
       24 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.thefa.com/
   DIR [2] /50-Jahre-Stonewall/!5602848
   DIR [3] /Womens-Super-League-in-England/!5657922
   DIR [4] /Coming-out-im-englischen-Fussball/!5852144
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
       
       ## TAGS
       
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