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       # taz.de -- Hamas schlägt Waffenruhe vor: Israel unter Zugzwang
       
       > Die Hamas stimmt einer Waffenruhe zu, die in weiten Teilen einem Plan von
       > US-Unterhändler Witkoff entspricht. Israel will den Vorschlag jetzt
       > prüfen.
       
   IMG Bild: Israel, 18. August 2025: ein israelischer Blackhawk-Evakuierungshubschrauber fliegt über Gaza
       
       Jerusalem taz | Israels Regierung will bis Freitag auf einen Vorschlag für
       eine temporäre Waffenruhe reagieren, dem die Hamas am Montag zugestimmt
       hat. „Die [1][Hamas] steht unter extremem Druck“, erklärte Regierungschef
       Benjamin Netanjahu am Abend, [2][während israelische Panzer laut
       Medienberichten bereits in Vororte von Gaza-Stadt einrückten]. Eine klare
       Absage kam aus Jerusalem zunächst jedoch nicht. Der Vorschlag werde
       geprüft, hieß es in Berichten unter Berufung auf Regierungskreise.
       
       Die Zusage setzt die israelische Führung unter Druck, auch weil der Entwurf
       im Wesentlichen einem kürzlich von US-Unterhändler Steve Witkoff
       präsentierten Vorschlag entsprechen soll. Die Hamas hatte am Montag
       erklärt, einem diplomatischen Vorstoß der Vermittler Ägypten und Katar
       zuzustimmen.
       
       Der Plan sieht eine 60-tägige Waffenruhe vor. In dieser Zeit sollen 10 noch
       in Gaza gefangene israelische Geiseln im Austausch gegen 200
       palästinensische Sicherheitsgefangene freigelassen werden. 20 von insgesamt
       rund 50 Geiseln sollen noch am Leben sein. Das Abkommen sieht auch die
       Übergabe von Leichen getöteter Geiseln vor. Zudem soll sich die israelische
       Armee teilweise aus dem Gazastreifen zurückziehen.
       
       Damit macht die Hamas deutliche Zugeständnisse. Der Vorschlag soll laut
       einem Sprecher des katarischen Außenministeriums „fast identisch“ mit dem
       von Wittkoff sein. So rückt die Gruppe vorübergehend ebenso von ihrer
       Forderung nach einem endgültigen Ende des Krieges ab wie von dem
       vollständigen Rückzug der israelischen Armee aus Gaza. Deren Vertreter
       hätten sich bei fast all ihren Positionen, über die im Juli verhandelt
       worden war, bewegt, zitiert die New York Times zwei israelische Vertreter.
       
       ## Westliche Verbündete kritisieren Israels Kriegspolitik
       
       Netanjahu hatte Israels Position hingegen jüngst verschärft. Eine
       Waffenruhe müsse alle Geiseln auf einmal zurückbringen, erklärte er
       vergangene Woche. Er steht jedoch international und im eigenen Land unter
       Druck, die von seiner rechtsreligiösen Regierung vorangetriebene
       [3][Eroberung weiterer Teile des Gazastreifens] und die Zwangsumsiedlung
       von mehr als einer Million palästinensischer Bewohner noch abzusagen.
       Mehrere westliche Verbündete wollen einen palästinensischen Staat
       anerkennen. Am Montag verweigerte Australien einem israelischen
       Regierungspolitiker die Einreise. In der EU werden Sanktionen diskutiert.
       
       Die Verbündeten kritisieren vor allem die katastrophalen humanitären
       Bedingungen für die rund zwei Millionen Menschen im Gazastreifen. Während
       Israel bereits rund 75 Prozent des Gebiets kontrolliert, drängt sich die
       Bevölkerung vor allem in Gaza-Stadt sowie einem Küstenstreifen im Zentrum
       zusammen.
       
       Obwohl die israelische Blockade zuletzt leicht gelockert wurde, gelangen
       laut den UN weiterhin nicht ausreichend Hilfsgüter in das Gebiet, um „eine
       umfassende Hungersnot abzuwenden“. Zudem warnen israelische
       Sicherheitsexperten davor, dass eine Eskalation das Leben der Geiseln in
       Gefahr bringen könnte.
       
       Auch deshalb befürwortet der Großteil der israelischen Bevölkerung ein Ende
       des Krieges und eine Rückkehr der Geiseln. Am Sonntag kam es zu einer der
       [4][größten Demonstrationen seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober
       2023.] Bis zu einer Millionen Menschen sollen sich nach Angaben des Forums
       der Geiselangehörigen an einem landesweiten Streik für ein Abkommen
       beteiligt haben.
       
       ## Netanjahus Regierung sitzt in der Zwickmühle
       
       Dennoch könnte Israels Regierung an ihren Kriegsplänen festhalten. An die
       Demonstranten hatte Netanjahu eine klare Botschaft: Ihre Aktionen würden
       „die Position der Hamas verhärten“. Internationaler Druck ließ Netanjahu in
       den vergangenen Monaten ebenso weitgehend kalt: Zum einen stellen sich die
       USA als wichtigste Verbündete hinter die Kriegspläne. „Wir werden die
       Rückkehr der verbleibenden Geiseln erst dann erleben, wenn die Hamas
       bekämpft und vernichtet wird“, schrieb US-Präsident Donald Trump auf seiner
       Plattform Truth Social.
       
       Zum anderen dürften Sanktionen wie etwa die Einstellung wissenschaftlicher
       Förderprogramme seitens der EU vor allem die liberale Elite Israels und
       weniger Netanjahus Wählerschaft treffen. Der Regierungschef sitzt weiterhin
       in der Zwickmühle: Seine rechtsextremen Koalitionspartner fordern die
       Besetzung und Annexion Gazas.
       
       „Netanjahu hat kein Mandat für einen Teildeal“, sagte Israels
       Polizeiminister Itamar Ben-Gvir. Andererseits sehen Umfragen im Falle von
       Neuwahlen bereits seit dem 7. Oktober 2023 keine Mehrheit mehr für dessen
       Regierung. Daran haben auch vergangene Geiselbefreiungen nichts geändert.
       Viele Kritiker fürchten daher, dass Netanjahu den Krieg aus politischen
       Gründen fortsetzen wird.
       
       19 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Felix Wellisch
       
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